Radolfzell, Engen, Pfullendorf, Bad Saulgau: Die Liste der kleinen Krankenhäuser, die entweder schon geschlossen sind oder denen die Schließung bevorsteht, wird allein in der weiteren Region um den Landkreis Konstanz immer länger.

Ein Krankenhaus, das sich diesem Trend entgegenstellt, ist das Stockacher. Im Landkreis Konstanz ist es ein Sonderfall, denn es gehört nicht dem Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN) an, sondern befindet sich in Trägerschaft der Stadt. Und die will ihr Krankenhaus unbedingt halten, auch wenn Bundespolitik das aktuell noch schwerer zu machen droht.

Grundversorgung soll gesichert sein

In Stadtverwaltung und Gemeinderat sieht man die Klinik vor Ort nicht nur als Standortfaktor an, sondern als dringend notwendig, um die medizinische Grundversorgung im nördlichen Teil des Landkreises sicherzustellen. Das betont Bürgermeister Rainer Stolz auf Anfrage, er ist zugleich Aufsichtsratsvorsitzender des Krankenhauses.

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„Unser Ziel ist es, eine qualitative medizinische Versorgung nah am Menschen zu erhalten“, so Stolz. Bei der Medizin sollte man nicht zuerst betriebswirtschaftlich rechnen, sondern schauen, wie die Versorgung der Menschen am besten gewährleistet werden kann, lautet seine Philosophie.

Der Gemeinderat hat daher regelmäßig die Defizite des Krankenhauses ausgeglichen und in Ausstattung und Gebäude investiert, um die Einrichtung vor Ort zu halten.

„Die medizinische Nahversorgung ist es uns wert, als Stadt das jährliche Defizit des Krankenhauses zu tragen“, betont Stolz. Im Jahr 2019 waren dies rund 900.000 Euro, im Jahr davor noch 1,5 Millionen. In den Jahren 2020 und 2021 war die finanzielle Situation des Krankenhauses etwas besser.

Finanzielle Situation ist schwierig

Ganz ohne die betriebswirtschaftliche Rechnung geht es aber nicht. Und wie Michael Hanke, Geschäftsführer des Krankenhauses, betont, ist die Ausgangslage schwierig.

„Wir leiden aktuell unter der Inflation“, sagt Hanke. Die Kosten seien um über acht Prozent gestiegen, während die Vergütungen für medizinische Leistungen nur um 4,3 Prozent gestiegen seien.

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Sorgenfalten wegen Krankenhausreform

Von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) komme in dieser Angelegenheit keine Hilfe. Im Gegenteil, so Hanke, denn vor dem Hintergrund der geplanten Krankenhausreform des Bundes sieht er kleinere Krankenhäuser noch stärker gefährdet.

Die Krankenhausreform sieht unter anderem eine Einordnung von Krankenhäusern in drei Kategorien vor, mit denen eine höhere Spezialisierung einhergeht.

Durch diese Zentralisierung von bestimmten Leistungen könnte der Versorgungsauftrag von kleineren Krankenhäusern eingeschränkt werden, so die Befürchtung. „Dann können kleine Krankenhäuser nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden“, so Hanke.

Für Paul Saum vom Aufsichtsrat des Stockacher Krankenhauses zeigt sich bei der geplanten Reform, dass politischer Wille und finanzielle Aspekte den Vorrang bekommen vor dem, was für die Patienten wichtig ist.

„Ich bin ein Gegner davon, dass am grünen Tisch etwas entschieden wird, ohne die Akteure aus den Häusern mitzunehmen“, so Saum. Nach Hankes Einschätzung wird die Reform dazu führen, dass rund ein Drittel der Krankenhäuser in Deutschland schließen muss.

Warum das Krankenhaus Stockach wichtig ist

Laut Angaben der Krankenhausverwaltung werden in Stockach jährlich über 1000 stationäre Notfälle versorgt. Dabei spiele der zeitliche Aspekt eine wichtige Rolle. „Innerhalb von 20 Minuten, einer Frist, die beispielsweise in Nordrhein-Westfalen vorgeschrieben ist, erreicht man aus Stockach das Singener Krankenhaus nicht“, sagt Hanke.

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Auch für die Notarztversorgung im 250 Quadratkilometer großen Bereich der Verwaltungsgemeinschaft Stockach mit ihren knapp 40.000 Einwohnern sei das Krankenhaus in Kombination mit der Rettungswache ein wichtiger Faktor. Daneben sei die Einrichtung auch Ausbildungsstätte für Pflegepersonal und Ärzte.

Grund- und Regelversorgung sorgt für Entlastung

Doch für Michael Hanke kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: Da durch das Stockacher Krankenhaus die Grund- und Regelversorgung für den Raum Stockach übernommen werde, würden die Kliniken des GLKN in diesem Bereich entlastet. „Immer öfter kommt es auch vor, dass Patienten, die nur einer Basisversorgung bedürfen, von Singen nach Stockach verlegt werden, damit dort Kapazitäten für eine Spezialversorgung frei sind“, sagt Hanke.

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Von Seiten des GLKN will man einen solchen Trend indes nicht bestätigen. „Im Rahmen der kollegialen Zusammenarbeit kommt es immer wieder einmal zu Patientenverlegungen zwischen den Einrichtungen. Ein spezielles Abverlegen von Patienten einer Basisversorgung, um schwerere Fälle im GLKN behandeln zu können, findet nicht regelhaft statt“, schreibt GLKN-Geschäftsführer Bernd Sieber auf Nachfrage.

Kooperation wird von beiden Seiten gelobt

Vielmehr komme es immer wieder zu Zuverlegungen von Stockach in den GLKN, wenn spezielle medizinische Expertise erforderlich ist, die in einem kleineren Haus nicht immer vorgehalten werden kann, betont er. Grundsätzlich lobt Sieber genau wie Michael Hanke die Kooperation zwischen GLKN und Krankenhaus Stockach.

Die Kooperation beziehe sich in medizinsicher Hinsicht „in erster Linie auf die Apothekenlieferung unsererseits sowie die teleradiologische Versorgung unsererseits in Richtung Stockach“. Hier arbeite man gerne und gut zusammen, so Sieber.

Stolz sieht den Landkreis in der Pflicht – und klagt

Ärgerlich ist für Rainer Stolz und Michael Hanke aber, dass sich der Landkreis Konstanz nicht an Investitionen in das Stockacher Krankenhaus beteiligen will. „Wir versorgen Bürger aus den Landkreisgemeinden. Der Kreis müsste sich deshalb auch an Investitionskosten beteiligen“, lautet Hankes Standpunkt.

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Bürgermeister Rainer Stolz fügt an, dass sich der Kreis auch über seine Funktion als Gesellschafter im GLKN an Investitionen in dessen Infrastruktur beteiligt. Aus seiner Sicht ist damit ein Verstoß gegen die Gleichbehandlung gegeben.

Inwiefern das tatsächlich der Fall ist, muss das Verwaltungsgericht in Freiburg klären, denn die Stadt hat in dieser Angelegenheit im August 2021 Klage gegen den Landkreis eingereicht. Voraussichtlich im Herbst dieses Jahres soll es zu einer Verhandlung kommen.

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