Kommt die geplante Tierklinik in Stockach noch? Die, die daran glaubten, zweifeln zunehmend wie auf der Tierklinik-Seite im Sozialen Netzwerk Facebook zu sehen ist. Jayden Stefan Grey, Geschäftsführender Gesellschafter der Vet-Campus TKHB GmbH, beantwortet seit Herbst 2022 keine Kontaktversuche des SÜDKURIER mehr.
Wie geht es nun weiter? Und wie schätzen niedergelassene Tierärzte das Projekt eigentlich ein? Eine Umfrage bei Tierärzten aus der Region zeigt deutliche Kritik: Die Pläne des fachfremden Quereinsteigers wären so nie umsetzbar gewesen.
Kann ein Laie eine Tierklinik errichten?
Tierärztin Karin Weber aus Bodman sagt: „Ich habe das Konzept nie für realistisch gehalten. Nicht wenn ein kompletter Laie den Chef und Organisator ‚spielt‘. Alle erfolgreichen Tierkliniken sind gewachsene Betriebe aus Tiermedizinern, die sich, meist auch aus Freundschaften heraus, zusammenschlossen.“ Sie betont zu den finanziellen Aspekten: „Die Organisation, Planung und Verwaltung übernehmen diese selber. So viel Geld kann man gar nicht verdienen, dass noch ein zusätzliches Management bezahlt werden kann.“
Sie ergänzt, viele dieser Tierkliniken seien mittlerweile von Ketten aufgekauft worden. „Auch sie kaufen ausschließlich gewachsene, erfolgreiche Betriebe. Offensichtlich nahmen sie Abstand von Herrn Grey.“ Grundsätzlich würde ihrer Meinung nach eine Tierklinik im Raum Stockach eine große Versorgungslücke schließen: „Unsere Tierbesitzer hier müssen leider oft den Weg nach Ravensburg oder Zürich auf sich nehmen, wenn ein Klinikaufenthalt oder größere Eingriffe notwendig werden.“
Auch der Hohenfelser Tierarzt Hans-Jürgen Mühling findet, eine Tierklinik wäre grundsätzlich ein gutes Angebot. Die Hohenfelser Praxis sei mit Notdiensten sehr belastet und die Personalsituation im tiermedizinischen Bereich sei katastrophal. „Kleintiere überweisen wir überwiegend an die zwei Kleintierkliniken in Ravensburg. Pferdepatienten überweisen wir je nach Wunsch des Besitzers nach Waldhausen, Opfenbach, Empfingen oder Waldhausen“, erklärt er.

Ein Klinikbetrieb ist eine große Herausforderung
Annette Kicherer, Tierärztin aus Aach und Obfrau für den Hegau beim Bundesverband praktizierender Tierärzte (BPT), ist der Meinung, dass es sehr viel Fach- und Sachkompetenz braucht, um eine Tierklinik zu planen und dann auch zu betreiben. Selbst für lange bestehende Kliniken sei es immer wieder aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen und der Schwierigkeiten, genügend Personal zu bekommen, eine Herausforderung, einen 24-Stunden-Notdienst aufrecht zu erhalten.
Nicht wenige hätten deswegen ihren Klinikstatus aufgeben müssen, berichtet sie. „Bisherige Investoren haben unter anderem auch aus diesem Grund nur gut funktionierende Strukturen übernommen. Es ist mir auch kein Beispiel bekannt, bei dem ein Investor/Nicht-Tierarzt eine Klinik neu gegründet hat und diese dann langfristig betrieben werden konnte.“
Grundsätzlich sei die Region im Vergleich mit anderen Standorten auch recht gut mit mehreren Kliniken innerhalb einer Fahrzeit von einer bis anderthalb Stunden ausgestattet. Lediglich bei akuten lebensbedrohlichen Notfällen wäre eine schnellere Erreichbarkeit sicherlich wünschenswert, so Anette Kicherer. „Aber die meisten ortsansässigen Tierarztpraxen bieten hier auch eine Notdienstnummer für ihre Kunden an, um so die meisten Notfälle abfedern zu könne“, sagt sie. „Natürlich kommen wir dabei auch immer wieder an die Grenzen des Machbaren und an unsere eigenen Belastungsgrenzen.“
Kritischer Blick nach Stockach
Der Engener Tierarzt Frank Möhringer hatte schon lange ein kritisches Auge auf das Vorhaben in Stockach. Er habe als Tierarzt im Hegau einen guten Überblick über die Branche und für ihn sei die Tierklinik in den geplanten Dimensionen von Anfang an ein Luftschloss gewesen.
Er wundere sich sogar, wie viele Menschen an die vorgestellten Pläne geglaubt haben. Möhringer kritisiert: „In einer Zeit, in der man selbst für ein Einfamilienhaus eine mittlere Bauzeit von weit über einem Jahr hat, wollte Herr Grey in kürzester Zeit eine der weltgrößten Tierkliniken bauen.“ Der Tierarzt weist zudem auf allgemeinen Fachkräftemangel hin. „Jeder sucht händeringend Personal.“ Selbst eine gut geplante, fundierte Tierklinik hätte momentan keine Chance, lautet seine Einschätzung. Er sieht Greys Abtauchen als deutliches Zeichen an.
Möhringer glaube auch nicht, dass Grey das groß angekündigte Behandlungsgerät für Pferde bereits gekauft gehabt habe oder es die Kooperation mit Universitäten aus den USA wirklich gebe. Er hält es für unmöglich, dass ein ungelernter Geschäftsführer einen Stab mit 100 Leuten errichten könne.

Jayden Stefan Grey schweigt
Der SÜDKURIER hatte bisher keine Chance, Grey detaillierte Fragen zum aktuellen Stand stellen, da dieser telefonisch nicht mehr erreichbar ist und wiederholte schriftliche Kontaktversuche nicht reagiert. Im Februar 2022 hatten er, ein Geschäftspartner sowie der Architekt die Pläne gemeinsam mit Bürgermeister Rainer Stolz in einer Pressekonferenz vorgestellt. Damals war von einer Fertigstellung und Inbetriebnahme des ersten Gebäudes im Jahr 2023 die Rede. Das kündigt die Internetseite sogar jetzt noch an – sie wurde schon lange nicht mehr überarbeitet.
Dem SWR hingegen sagte Grey zwischenzeitlich, die Baukosten seien von 20 auf 36 Millionen Euro so stark gestiegen, dass sich das Projekt verschoben habe. Das macht er aber weder auf der Internetseite der Tierklinik transparent, noch auf Facebook, wo Tierbesitzer immer wieder nachhaken und zunehmend mehr Zweifel vorbringen. Auf dem Grundstück, das immer noch dem Zweckverband Blumhof gehört, wachsen unterdessen weiterhin Rosensträucher.
Gespräche mit anderen Bauherren laufen
Auch die Stadtverwaltung Stockach hat schon lange nichts mehr von Grey gehört. Seine Reservierung auf das dreieckige Grundstück im interkommunalen Gewerbegebiet Blumhof, sei Ende 2022 ausgelaufen, wie Bürgermeister Rainer Stolz auf SÜDKURIER-Anfrage erklärte.
Aber nun laufen Gespräche mit anderen Interessenten, die eine Tierklinik bauen möchten. Stolz nennt keine Details, sondern teilt auf SÜDKURIER-Anfrage nur mit: „Die potenziellen Betreiber müssen zeitnah eine konkrete Perspektive vorlegen.“