Das Gesundheitswesen ist im Wandel und in vielen Regionen von Baden-Württemberg wird schon seit Langem der Trend zur Zentralisierung deutlich. Kleinere Krankenhäuser schließen und die Wege zum nächsten großen Zentralkrankenhaus werden für Patienten mitunter weiter.
Im Rathaus von Stockach blickt man kritisch auf diese Entwicklung. Stadtverwaltung und Gemeinderat bemühen sich seit vielen Jahren, das Krankenhaus vor Ort am Leben zu erhalten. Entsprechend groß war der Frust über die neuesten Aussagen von Landesgesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) zur geplanten Krankenhausreform.
Schon jetzt die geringste Bettendichte
„Es ist nicht die Entfernung, die entscheidend ist für die Krankenhausbehandlung, sondern die Qualität und die personellen Ressourcen, diese Qualität umzusetzen“, sagte der baden-württembergische Gesundheitsminister (Grüne) jüngst gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Stuttgart.

Lucha erklärte in diesem Zusammenhang auch, dass Baden-Württemberg bereits jetzt das Bundesland mit der geringsten Bettendichte sei. „Das wird sich weiter konzentrieren“, so Lucha, der seit Kurzem auch Vorsitzender der Gesundheitsministerkonferenz des Bundes ist, gegenüber der dpa.
Luchas Äußerungen kommen nicht gut an
Stockachs Bürgermeister, der zugleich Aufsichtsratsvorsitzender des örtlichen Krankenhauses ist, zeigt sich verärgert über die Äußerungen Luchas. Für ihn handelt es sich dabei um eine Pauschalisierung, wie sie schon des Öfteren „im Zusammenhang mit der, vom Bundesgesundheitsminister angekündigten, Revolution im Gesundheitswesen geäußert wurde“, so Stolz.
In einem Brief an den Gesundheitsminister macht Stolz seinem Ärger Luft. Besonders kritisiert er in dem Schreiben, das dem SÜDKURIER vorliegt, Luchas Aussage, dass die romantische Vorstellung, ein kleines schnuckeliges Krankenhaus sichere quantitativ und qualitativ flächendeckend eine Grundversorgung, „eine romantische Mär“ sei.
„In der gleichen pauschalisierenden Weise darf erwidert werden: Die Vorstellung, dass ein großes, alle medizinischen Disziplinen abdeckendes Zentralkrankenhaus sichere die menschengerechte, medizinische Versorgung ist eine naive Illusion“, entgegnet Stolz in seinem Brief.
Vorwürfe aus dem Rathaus an die Politik
Richtig sei, dass die Qualität von Behandlung, Versorgung und Betreuung stimmen muss. „Leider hat die Politik, und zwar jedweder Couleur, es bislang seit Jahrzehnten versäumt, die finanziellen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass es den Krankenhäusern möglich wird, diese Qualität in dem von den Häusern selbst gewünschten Umfange zu leisten“, so Stolz.

Die Befürchtung, die Stolz in dem Schreiben an den Minister äußert, ist auch, dass bei immer größeren „Krankenhausfabriken“, wie er es nennt, der Patient und dessen Angehörige die großen Verlierer sein werden. „Während die Großkliniken und die Krankenkassen die Gewinner sein werden“, wie er weiter bemerkt.
Nicht nahbar und menschlich
„Es ist ja nett, wenn Sie bei Ortsterminen den nahbaren und menschlichen Minister herausstreichen, ihre täglichen Entscheidungen in dieser Sache werden diesem Narrativ aber nicht gerecht“, schreibt Stolz in seinem Brief an Lucha. Er sieht im Gesundheitsminister einen klaren Fall für das Stockacher Narrengericht.
Indessen versuchen Stadt und Krankenhausverwaltung, das Krankenhaus fit für die Zukunft zu machen. Vor gut einem Jahr beschloss der Gemeinderat hierzu die Gründung eines medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) am Krankenhaus.
Doch was hat sich im Laufe dieses Jahres in Sachen MVZ getan? „Seit dem Gemeinderatsbeschluss zum MVZ hat es eine Menge an Aktivitäten gegeben“, schreibt Krankenhausgeschäftsführer Michael Hanke auf Nachfrage des SÜDKURIER. So seien beispielsweise zahlreiche Sondierungsgespräche mit niedergelassenen Ärzten geführt worden. „Tragender Grundgedanke bei diesen Gesprächen ist das gemeinsame Interesse, ein gutes, Sektorenübergreifendes Versorgungsangebot auf die Beine zu stellen“, so Hanke.
Sondierungsgespräche brauchen Zeit
Das sei allerdings nicht einfach, „weil die Bedürfnisse und Möglichkeiten der beteiligten Parteien nicht immer vollständig übereinstimmend sind“, schreibt Hanke. Die Zeit, die es für solche Gespräche brauche, lasse sich im Vorfeld nicht kalkulieren. Zusätzlich gebe es mit Blick auf abzuschließende Verträge noch eine Menge an juristischen Fragen zu klären.
„Da es für die niedergelassenen Kollegen und auch für uns als Krankenhaus eine langfristige und zukunftsbestimmende Entscheidung ist, geht hier Gründlichkeit vor Schnelligkeit“, macht Hanke deutlich.
Viele MVZ-Gründungen würden ihm zufolge jahrelang im Stillen vorbereitet. In Stockach habe man sich einfach dafür entschieden, frühzeitig und transparent die Öffentlichkeit darüber zu informieren, wie das Haus in die Zukunft gehen solle.
Entscheidung über Arztsitze steht noch aus
Eine wichtige Hürde für den Betrieb des MVZ ist zudem noch die Zulassung zur Kassenärztlichen Versorgung beim Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung. Diese stehe noch an, erklärt Hanke.
Das bestätigt auch die Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. Ein entsprechender Antrag sei bislang noch nicht bei den Zulassungsausschüssen eingegangen, schreibt deren Pressesprecher Kai Sonntag auf Nachfrage.