Zahlreiche Vergehen, zehn Monate Haft: Nach 23 Vorstrafen mit Geldauflagen oder Bewährungen ging eine Verhandlung am Amtsgericht Stockach für einen 36-Jährigen ungewohnt ernst aus. Richterin Julia Elsner sah zu viele strafrechtliche Rückfälle und eine schlechte Sozialprognose bei dem alkoholkranken Mann, dem Diebstahl, Computer-Betrug mit EC-Karte, Körperverletzung sowie Beleidigung, Bedrohung und Widerstand gegen die Polizei zur Last gelegt wurden.
Die Taten sind an zwei Tagen im Februar und Mai dieses Jahres geschehen. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft stellte dar, dass der 36-Jährige im Februar in einer Gemeinde im Raum Stockach den Geldbeutel der Mitarbeiterin einer Kinderbetreuungseinrichtung aus dem Büro gestohlen habe und in zwei Läden für zusammen 17,83 Euro kontaktlos mit der gestohlenen EC-Karte eingekauft haben soll. Die EC-Karte tauchte später im Geldbeutel des Angeklagten, den dieser verloren hatte, wieder auf.
Mann schlägt Freundin unter Alkohol- und Drogeneinfluss
Am selben Tag hatte der Mann Streit mit seiner Ex-Freundin in deren Wohnung. Dabei soll er sie unter Alkohol- und Drogeneinfluss so stark verprügelt haben, dass sie eine Gehirnerschütterung und zahlreiche Wunden im Gesicht und am Körper erlitten haben soll. Sie habe sich schließlich zu Nachbarn retten können. Das Ergebnis einer Blutentnahme habe später 1,98 Promille ergeben.
Der 36-Jährige habe sich gegen die herbeigerufene Polizei gewehrt und zu flüchten versucht. Vor Ort und auf dem Revier seien Beleidigungen und Bedrohungen wie „Ich schlachte euch alle ab“ gefallen. Der Mann habe auch in der Zelle randaliert. Trotz eines gerichtlichen Annäherungsverbots im Rahmen des Gewaltschutzgesetzes gab es im Mai einen weiteren Vorfall, als der Mann Sachen von seiner Ex-Freundin abholen wollte.
Zwei offene Bewährungen und zurückliegende Suchttherapie
Die Richterin kannte den Angeklagten bereits aus anderen Verfahren. Er hatte noch zwei offene Bewährungen laufen und war 2019 lange in einer stationären Suchttherapie gewesen. „Ich dachte anfangs, dass ich alles unter Kontrolle habe“, sagte er über die Zeit nach der Therapie. Doch mit dem Vorfall im Februar sei kaum drei Monate später der Rückfall gekommen. Er zeigte sich geständig und entschuldigte sich im Lauf der Verhandlung bei jedem Zeugen.
„Ich habe morgens schon mit Vodka angefangen“, erklärte er zu dem Tag im Februar. Er sei in einem richtigen Tief gewesen. „Ich weiß von dem Tag ab 12 Uhr nichts mehr. Ich bin erst wieder im Krankenhaus zu mir gekommen, als eine Frau mir gesagt hat, dass ich meine Lebensgefährtin geschlagen habe. Ich konnte nicht glauben, was passiert ist.“ Zum Mai erzählte er, dass er sich Mut angetrunken habe, um seine Sachen von seiner Ex-Freundin abzuholen. Ihm sei nicht klar gewesen, dass er gar nicht hingehen hätte dürfen.
Frau flüchtete nach Schlägen zu den Nachbarn
Die Ex-Freundin erzählte im Zeugenstand, wie sie den Angriff erlebt hatte. Dabei wurde auch klar: Es gab oft Streit. Sie sagte, dass sie ihren Freund kaum wiedererkannt habe, wenn er getrunken hatte: „Es war, als ob er ein anderer Mensch war.“ So auch im Februar. Sie hätte aber nicht erwartet, dass er in so einem Zustand zu ihr komme. „Ich war nur froh, dass ich die Hände vor das Gesicht halten konnte“, so die 28-Jährige, die dennoch Wunden am Kopf davongetragen hatte. Sie habe dann irgendwann zu den Nachbarn flüchten können.
Zum Mai sagte sie, dass ihr Ex-Freund seine Sachen haben wollte. Ihr wäre es aber lieber gewesen, wenn eine Verwandte gekommen wäre. Hier kam im Lauf der Verhandlung noch die Frage auf, ob sie ihm die Annäherung gestattet hatte oder nicht. Der 36-Jährige hatte der Polizei gegenüber behauptet, er habe Beweise per Whatsapp, aber der Akku sei leer. Er zeigte die Nachrichten später aber nie vor.
Vier Polizisten machen Aussagen
Vier der sieben Zeugen in der Verhandlung waren Polizisten, die an den Festnahmen beteiligt waren. Alle schilderten übereinstimmend das aggressive Verhalten den Angeklagten und wie schwierig es sei, ihn unter Kontrolle zu bringen. Vor allem eine 41-jährige Polizistin hatte bereits oft mit ihm zu tun und besonders viele Beleidigungen abbekommen.
Die Beamten berichteten auch, dass der Mann im Krankenhaus sogar Selbstmordabsichten geäußert habe. Die 41-Jährige bestätigte, wie betroffen der Mann gewesen sei, als er erfahren und realisiert habe, was er seiner Freundin angetan hatte.
Forderung nach einem Jahr Haft
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft sah alle Vorwürfe als erwiesen an. Sie forderte in ihrem Plädoyer zusammenfassend für alle Einzelvergehen ein Jahr Haft. Dabei berücksichtigte sie seine Reue und Milderungen wegen einer verminderten Schuldfähigkeit nach Paragraf 21 des Strafgesetzbuchs.
Zu seinen Lasten sah die einschlägigen Vorstrafen in den angeklagten Bereichen und die laufende Bewährung. „Die Tat im Februar ist nur ein halbes Jahr nach einer Verurteilung geschehen“, betonte sie.
Verteidiger sieht zwei Vorwürfe als nicht erwiesen an
Der Pflichtverteidiger führte an, dass der Diebstahl des Geldbeutels nicht eindeutig zugeordnet werden könne, auch wenn die EC-Karte bei seinem Mandaten aufgetaucht sei. Deshalb wollte er in diesem Punkt einen Freispruch. Gleiches galt für den Verstoß gegen das Annäherungsverbot. Bei den nachweisbaren Vergehen sah er sieben Monate Haft für gerechtfertigt an.
Der Angeklagte hatte das letzte Wort. Er wünschte sich eine Therapie in einer Tagesklinik und wiederholte seine Entschuldigungen: „Ich bin mit jedem Zeugen tiefer in den Boden gesunken.“
Urteil auf zehn Monate, aber es ist Berufung eingelegt
Richterin Julia Elsner verurteilte den Mann schließlich zu zehn Monaten Haft. Sie sah ihn in allen Punkten als schuldig an. Der Diebstahl sei so abgelaufen, wie er es in den vergangenen Jahren schon mehrfach in ähnlichen Fällen im gleichen Ort gemacht habe. Sie rechnete anhand des Bluttests vor, dass er zur Tatzeit etwa 2,78 Promille gehabt haben müsse. Hinzu kam Cannabis.
„Es hat sich wiederholt, was zigfach in der Vergangenheit passiert ist“, fasste die Richterin zusammen. Sie sah Milderungsgründe nach Paragraf 49 des Strafgesetzbuchs (siehe Kasten) und hielt ihm die Reue und seine Alkoholkrankheit zugute. „Eine Bewährung ist nicht möglich, weil das nicht funktioniert hat.“
Der Pflichtverteidiger legte nach der Verhandlung zur Fristwahrung Berufung ein. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig und der Fall wird zur nächsten Instanz gehen.