Fasnacht im Sommer? Das gibt es in Stockach, denn seit dem vergangenen Freitag lädt die Ausstellung „Narro – Fasnet in Stockach“ ins Stadtmuseum im Alten Forstamt ein. Besucher erhalten einen Überblick von den Ursprüngen des Brauchtums mit der Schlacht am Morgarten bis hin zu Verhandlungen des Narrengerichts mit prominenten Beklagten. Über zwei Etagen ist es bunt, bewegt, spannend und informativ.
Museumsleiter Johannes Waldschütz und Marcel Reiser, gleichzeitig Narrenschreiber, Archivar und Chronist des Hohen Grobgünstigen Narrengerichts zu Stocken, hatten im vergangenen Herbst die Idee zu einer Fasnachtsausstellung. Waldschütz sagt: „Fasnacht ist ein tolles Thema, das sich schön inszenieren lässt.“ Anders als bei der Chagall-Ausstellung, die an manchen Tagen 300 bis 400 Gäste anlockte, rechnet er jetzt nicht mit einem solch großen Andrang – in Pandemiezeiten kommt genau das allen Beteiligten entgegen.

Viel Vorarbeit
Die Ausstellung auf die Beine zu stellen, war dann ein ordentlicher Sprint, erzählt der Museumsleiter. „Wir haben oft zusammen im Narrenarchiv gesessen, Chroniken gewälzt und dabei viel Neues entdeckt.“ Die Fasnacht in Stockach sei vielfältig, sie finde in der Kernstadt und den Teilorten, in Wirtschaften, als Saal- und Straßenfasnacht, frei und organisiert statt, erklärt Marcel Reiser. Waldschütz resümiert: „Eigentlich ist die Fasnacht lebhaft, spontan, verrückt. Man muss sie hören, schmecken, sehen und anfassen – aber wie bringt man sie ins Museum?“
Die Organisatoren wollten diese besondere Zeit so weit wie möglich mit allen Sinnen erfassbar machen. Es gibt viel anzuschauen und zu lesen: Erste Narrenbücher aus dem Stadtarchiv, die älteste Narrenzeitung aus Stockach und viele Fotos aus dem Archiv von Familie Hotz und vom Narrengericht sind ausgestellt.

Viele verschiedene Ausstellungsstücke
Auch die Teilorte, die eigene Traditionen entwickelt haben, spielen eine Rolle. Dafür haben die Narrenvereine ihre Häser zur Verfügung gestellt. Das Team um Johannes Waldschütz, Sybille Trefflich und Christopher Wangenheim hat alle Exponate mit Hilfe der Hausmeister von Bürgerhaus und Altem Forstamt aufgebaut. Die Puppen unter den Häsern stammen vom Narrengericht und aus dem Fasnachtsmuseum Schloss Langenstein, das gerade neu gebaut wird.
Auf einem großen Bildschirm laufen Gerichtsverhandlungen vieler Jahre. Ein Zeitstrahl, der zeigt, wer zu wie vielen Eimern Wein verurteilt wurde, folgt noch. An Multimedia-Stationen sind alte Filme und ein historisches Fotoalbum abrufbar. Weitere Beiträge kommen auch noch hinzu.

Auch digitale Angebote
Vier fasnächtliche Figuren haben es in den Nachbau des Wirtshauses Hans Kuony geschafft. Tatsächlich gab es diese Wirtschaft einst dort, wo heute der in Stockach die Redaktion des SÜDKURIER zu finden ist. Die Originalfenster wurden in der Ausstellung aufgehängt und dazwischen eine Kneipenszene mit Tisch und Bar inszeniert.
Auch Anfassen ist in der Ausstellung erlaubt, etwa wenn es um die Entstehung einer Laufnarrenmaske oder einer Radhaube der Alt-Stockacherinnen geht. Besucher erfahren, dass die Blätze für ein Hänselehäs mit einer Maschine ausgestochen werden, die ursprünglich für Schuhabsätze gedacht war. 1500 Teile braucht man für ein Häs, verrät Marcel Reiser.

Für Kinder gibt es im Stadtmuseum zudem viel zu erleben: Sie können sich verkleiden, basteln und malen. Und für den besonderen Kick sorgt eine Virtual Reality Brille, die mit Blicksteuerung funktioniert. „Am besten erst mal im Sitzen probieren“, rät Johannes Waldschütz.
Insgesamt wird auf recht kleiner Fläche allerhand geboten, das Gäste und Einheimische gleichermaßen anziehen soll. Sybille Trefflich vermutet: „Aus Stockach wird sich der Eine oder Andere wohl auf den Fotos erkennen.“