Der Biber erhitzt die Gemüter. Denn was die Naturschützer freut, macht beispielsweise den Landwirten Sorgen. Es stellt sich die Frage: Was darf der Biber? Und welche Möglichkeiten gibt es, sich mit ihm zu arrangieren und zu einem guten Miteinander zu kommen? Der SÜDKURIER hat bei verschiedenen Stellen nachgefragt.
In den 1960er-Jahren wurde der Biber in Bayern wiederangesiedelt, nachdem er bis vor knapp 180 Jahren nahezu flächendeckend vorkam und zwischenzeitlich in Baden-Württemberg ausgerottet war. Seit etwa zehn Jahren breitet er sich mit zunehmender Geschwindigkeit aus. Im Landkreis Konstanz seien zwischen 80 und 90 Prozent aller halbwegs geeigneten Gewässer von Bibern besiedelt, berichtet Tilo Herbster, Geschäftsführer des Landschaftserhaltungsverbandes (LEV) Konstanz.

Der Biber kann die Landschaft lesen
Seine Stellvertreterin Astrid Kohl ergänzt: „Mit der intensiven Bejagung waren nicht nur die Biber, sondern auch die durch sie entstandenen wertvollen Lebensräume sowie die unzähligen Arten, die diese Lebensräume brauchen, verschwunden.“ Der Biber könne die Landschaft lesen. „Da, wo er sich niederlässt, waren in der Regel schon früher Lebensräume der Biber, die zwischenzeitlich trockengelegt wurden, um sie landwirtschaftlich zu nutzen“, so Kohl.
Sabrina Molkenthin, Leiterin des Umweltzentrums Stockach, betont: „Der Biber sorgt dafür, dass Bach-Auen wiederbelebt werden und wir eine Landschaft zurückerhalten, wie es sie früher gegeben hat. Überflutete Flächen und dynamische Fließgewässer sorgen für Artenreichtum. Amphibien wie beispielsweise Laub- und Grasfrosch, Libellen fühlen sich dort wohl. Die Steilwände am Ufer sind wunderbar geeignet für Wildbienen oder den Eisvogel. Die Biodiversität steigt.“
Der Biber fördert die Artenvielfalt
Astrid Kohl spricht von einem gewissen Zielkonflikt, falls Standorte seltener, nässeunverträglicher Arten durch den Biber vernässt werden, wodurch diese Arten verloren gehen. Wenn man aber sehe, für wie viel Geld der Mensch künstliche Feuchtbiotope schaffe, die keine Garantie für die Besiedelung der gewünschten Arten böten, relativiere sich das Problem wieder. Sie bestätigt: „Dort, wo sich der Biber niederlässt, explodiert die Artenvielfalt der feuchten Lebensräume – und das kostenlos und absolut funktionstüchtig.“

In den Gebieten, in denen der Biber problemlos Natur- und Artenschutz betreibt, solle man sich über den ehrenamtlich tätigen Mitarbeiter freuen. Astrid Kohl vom Landschaftserhaltungsverband erklärt: „Er hilft uns nicht nur, gegen den menschengemachten Trend des Arten- und Lebensraumschwunds anzutreten, sondern trägt auch maßgeblich dazu bei, Wasser langfristig in der Natur zu halten, um sowohl Überschwemmungen nach Starkregenereignissen zu minimieren als auch die Wasserverfügbarkeit in den vermutlich immer trockener werdenden Sommerhalbjahren zu erhöhen.“
Biber sind streng geschützt
Tilo Herbster weist darauf hin, dass Biber nach wie vor eine streng geschützte Art sind. „Angriffe auf deren Lebensraum ohne Genehmigung der Naturschutzbehörden sind eine Straftat.“ In Konfliktsituationen solle man sich an die Untere Naturschutzbehörde in Konstanz wenden unter Telefon 07531 8001222.
Seit Dezember 2022 gibt es für die Verwaltungsgemeinschaft Stockach und angrenzende Bereiche auch einen Biberberater: Der frühere Kreisjägermeister Kurt Kirchmann (erreichbar per Telefon 07775 555 oder E-Mail an kurt@fam-kirchmann.de) hat dieses Amt übernommen. Er bietet Erstinformationen für Betroffene, nimmt Schäden auf und macht Maßnahmenvorschläge, die jedoch mit den Behörden abgestimmt werden müssen. Einfache Maßnahmen können beispielsweise Drahtschutz, Streichmittel oder Zäune sein.

Wann es Handlungsbedarf wegen den Bibern gibt
Sabrina Molkenthin ist froh über den Biberberater. Das Bibermanagement müsse geregelt vor Ort ablaufen und man brauche verlässliche Ansprechpartner. Das findet auch Kim Krause. Er ist seit dem 1. März Umweltbeauftragter der Stadt Stockach. Bisher habe die Stadt keine Probleme mit dem Biber gehabt. „Die Stockacher Aach kann relativ naturnah fließen, der Gewässerrandstreifen ist recht groß. Es ist ein tolles Gebiet, der Biber hat genug Platz zur Verfügung.“
Im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht müssten jedoch Bäume gefällt werden, die drohten umzufallen, erläutert er. Astrid Kohl fügt hinzu, zum Problem werde der Biber hauptsächlich da, wo kritische Infrastruktur wie Bahntrassen, Straßen, Tiefbrunnen oder auch Gebäude gefährdet werde. Dort gebe es oft wenig Spielraum und dringenden Handlungsbedarf.

Mögliche Hochwassergefahr im Blick
Bei der Vor-Ort-Besichtigung von Biberdämmen zwischen Orsingen und Wahlwies sieht Kim Krause im Fall von Hochwasser eine Gefahr für die umliegenden Flächen. Dann könnten zum Beispiel unterhalb der Brücke in Wahlwies Stämme hängen bleiben und einen Rückstau verursachen, dem Überschwemmungen folgten. Man kläre mit der Unteren Wasserbehörde des Landkreises, ob ein Grobrechen angelegt werde, um schon weiter vorne Material zurückzuhalten. Es sei gut, vorzeitig zu schauen, wo es Probleme geben könnte, wo beispielsweise eine größere Überflutung eine Bewirtschaftung unmöglich machen würde, so Krause.
Oliver Rascher und Karl-Hermann Rist von der Landwirtschaft des Pestalozzi Kinder- und Jugenddorfs zählen zu den betroffenen Landwirten. Sie würden versuchen, die Flächen zum optimalen Zeitpunkt zu bewirtschaften und sich auf die Gegebenheiten einzustellen, erklären sie.
Probleme für die Landwirte
Doch, so Rist, gebe es auch für sie Grenzen. „Wir haben jetzt einen klassischen Schaden. Es fehlt Ertrag, die Qualität leidet. Wenn Flächen über Wochen überflutet sind, wachsen dort keine hochwertigen Kräuter und Gräser mehr. Wenn man die Fläche gepachtet hat, zahlt man Geld für die Fläche und hat den wirtschaftlichen Schaden.“ Nötig seien Aufklärung, Ansprechpartner und flexible sowie pragmatische Lösungen, die dem Biber Raum und Leben gäben, die Menschen aber auch leben ließen.
Kurt Kirchmann fasst zusammen: „Der Biber muss gemanagt werden. Wir haben der Natur sehr viel Fläche weggenommen und tun es noch. Sie holt sich was zurück. Wir müssen einen Konsens finden, dass Mensch und Natur miteinander auskommen.“