Fast wie mit einer dünnen Schicht aus Puderzucker bedeckt, stehen die roten Trauerkerzen an einem Morgen Ende Februar um den Baum in der großen Kurve der Straße am Stadtwall. Zusammen mit einem kleinen Kreuz, und zwei traurig in den Schnee blickenden Engeln erinnern sie noch immer an Sabrina P..
Auch wenn der starke Wind an diesem Morgen die Kerzen gelöscht und einige von ihnen umgeworfen hat, macht der Trauerort deutlich: Auch vier Wochen, nachdem in der Nähe die Leiche der zweifachen Mutter gefunden wurde, nehmen noch immer viele Menschen Anteil an Sabrinas Tod.
Keinen Trauerort zu haben, kann schlimm sein
Laut Martina Roos vom Hospizverein Radolfzell, Höri, Stockach und Umgebung sind solche Orte extrem wichtig für trauernde Menschen. „Sie schaffen Raum für Rituale, wie das Anzünden von Kerzen oder das Ablegen von Blumen. „Wenn man einen solchen Ort hat, dann kann man sich dort dem Menschen, um den man trauert, nahe fühlen“, erklärt Roos. In ihrem Engagement für den Hospizverein hat sie schon viele Menschen kennengelernt, die keinen solchen Ort haben.
Traumatische Erlebnisse während Corona
„Es kann für die Angehörigen sehr traumatisch sein, wenn sie in einer so existenziellen Situation keine richtige Gelegenheit haben, Abschied zu nehmen“, macht die Trauerbegleiterin deutlich. Die Corona-Zeit habe das klar gezeigt. Damals kam es oft vor, dass Angehörige nicht zu sterbenden Verwandten durften.
In gewisser Weise erleichtere es aber die Trauer ein bisschen, wenn man die Gelegenheit hat, sich von einem verstorbenen Angehörigen angemessen zu verabschieden, oder es zumindest einen Trauerort gibt, an dem man sich der verstorbenen Person nahe fühlen kann.

Roos begrüßt es vor diesem Hintergrund, dass die Stadt Stockach es duldet, dass die Angehörigen an dieser Stelle am Stadtwall auf öffentlichem Grund einen solchen Trauerort anlegen konnten, macht sie im Gespräch mit dem SÜDKURIER deutlich.
Trauerort für Sabrina P. ist kein Einzelfall
Auch andernorts finden sich solche Trauerorte. Beispielsweise an der Bundesstraße 313 zwischen Stockach und Espasingen auf der Höhe der Abzweigung Richtung Wahlwies. Diese Kreuzung galt vor der Einrichtung einer provisorischen Ampelanlage als Unfallschwerpunkt.

Dort erinnert inzwischen sogar ein Kreuz aus Holz an einen tödlichen Unfall, der sich an dieser Stelle im Sommer 2020 ereignet hat. Auch hier zeigt der vorhandene Blumenschmuck, dass die Stelle noch regelmäßig gepflegt wird.
„Wir brauchen solche Rituale“
„Wir brauchen solche Rituale“, erklärt Martina Roos. Wie lange solche Trauerorte erhalten bleiben sollten, ist dabei eine sehr individuelle Angelegenheit. „Ich würde sagen, solange noch Leute kommen und das als Anlaufstelle nutzen, um zu trauern, ist es gut, eine solche Stelle zu belassen“, so Roos.
Sie selbst kennt einen ähnlichen Trauerort, der am Straßenrand an einen tödlich verunglückten Motorradfahrer erinnert und der mittlerweile seit 20 Jahren von dessen Angehörigen gepflegt wird, berichtet sie. „Solange man um einen Menschen trauert, lebt er ja auch noch ein Stück weit mit“, sagt Roos.
Die Stadtverwaltung Stockach zeigt im Hinblick auf den Trauerort am Stadtwall Herz und will die Gedenkstätte auf der Fläche um den Baum weiterhin dulden, wie Hauptamtsleiter Hubert Walk auf Nachfrage des SÜDKURIER bestätigt.
„Der eingerichtete Gedenkplatz wird momentan und in der nächsten Zeit von der Stadt geduldet, zur Trauerbewältigung von Betroffenen. Es soll dort aber kein dauerhafter Gedenkort entstehen“, erklärt Walk den Standpunkt der Stadt.