Die Mutter ist tot, der Vater wird verdächtigt, der Täter zu sein. Leidtragende sind in solchen Fällen auch die Kinder: Zuletzt in Stockach eine sechsjährige Tochter und ein erst weniger Monate alter Säugling.
Was passiert in solchen Fällen? Wie läuft das ab, wenn Kinder in die Obhut des Jugendamts kommen? Ariane Krimmel ist Leiterin des Jugendamts Konstanz und erklärt den Ablauf.
Was passiert mit Kindern, wenn die Eltern sich nicht mehr kümmern können?
Generell gilt: Wenn Eltern nicht in der Lage sind, die Verantwortung für ihre minderjährigen Kinder zu übernehmen, kommen die Kinder in die Obhut des Jugendamts.
Die Mitarbeiter des Amts suchen dann einen geeigneten Platz für das Kind: das kann beispielsweise in einem Heim oder einer Bereitschaftspflegefamilie sein. Meist gilt: Je jünger das Kind, desto eher kommt es in eine Bereitschaftspflegefamilie.
Was ist eine Bereitschaftspflegefamilie?
Ähnlich wie eine Pflegefamilie übernimmt die Bereitschaftspflegefamilie vorübergehend die Verantwortung für ein oder mehrere Kinder. „Die Bereitschaftspflege ist immer zeitlich begrenzt und stellt nur eine Übergangssituation dar“, sagt Krimmel.
„Sie soll in krisen- und konflikthaften Notsituationen die Möglichkeit bieten, in Ruhe mögliche Perspektiven für das Kind und dessen Familie zu klären.“ Wie diese Perspektiven aussehen, soll mit dem Kind und allen beteiligten Personen gemeinsam geklärt werden und nicht länger als drei Monate dauern.
Wie viele Bereitschaftspflegefamilien gibt es im Landkreis Konstanz?
Beim Amt für Kinder, Jugend und Familie stehen derzeit acht Bereitschaftspflegefamilien zur Verfügung. Dazu gibt es eine Pflegestelle für die vorübergehende Aufnahme eines Kindes aus der Babyklappe.
Wer Interesse daran hat, (Bereitschafts-)Pflegefamilie zu werden, kann sich unverbindlich beim Amt für Kinder, Jugend und Familie beraten lassen.
Können Großeltern die Verantwortung für ihre Enkel übernehmen?
Das ist möglich. Das Verfahren sei standardisiert, so Krimmel, und prüfe die Personen auf ihre grundsätzliche Eignung. Dabei spiele unter anderem auch die persönliche Beziehung und Bindung des Kindes an die infrage kommende Person eine Rolle – die bei Großeltern naturgemäß groß sein kann.
Auch werden die Personen auf ihre Aufgabe vorbereitet. Ein Mindest- oder Höchstalter gibt es dabei nicht, so Krimmel: „Das Alter von Bewerbern ist nur ein Mosaiksteinchen von vielen.“
Wie wird entschieden, wer die Obhut des Kindes oder der Kinder übernimmt?
Beispielsweise werden bei einem Hausbesuch die Verhältnisse gesichtet: Wie viele Personen leben im Haushalt? Wie ist die Beziehung der Haushaltsmitglieder untereinander? Wie ist die finanzielle Situation der Familie?
Daneben werden auch die persönlichen Voraussetzungen geprüft, ob beispielsweise eine gewisse Reife vorliegt, „um diese verantwortungsvolle Aufgabe der elterlichen Sorge zu übernehmen“, sagt Krimmel. Das kann auch mit einem Therapeuten geschehen, der im Vorfeld von seiner Schweigepflicht entbunden wurde.
Zudem werde geprüft, ob das Kind weitere Erziehungshilfe benötige und ob das Kindswohl in dem Haushalt gegeben ist, so Krimmel.
Wer hat das Sorgerecht, wenn ein Elternteil in Haft sitzt?
Krimmel sagt: „Eine Inhaftierung bringt nicht automatisch einen Sorgerechtsentzug mit sich.“ Grundsätzlich behielten inhaftierte Eltern das Recht erst einmal. Es müsse dann im Einzelfall entschieden werden, was mit dem Kind passiert.
Ein Gericht kann dem in Haft sitzenden Elternteil aber das Sorgerecht entziehen, Betroffene müssen es nach der Freilassung dann neu beantragen.
Wie viele Inobhutnahmen gab es in den vergangenen Jahren im Landkreis Konstanz?
In den vergangenen Jahren lagen die Zahlen der Inobhutnahmen zwischen 53 (2020) und 67 (2019). Die Zahl blieb auch während Corona stabil: Sowohl im Jahr 2021 als auch im Jahr 2022 gab es 65 Inobhutnahmen.