Am Freitag ist es einen Monat her, dass die zweifache Mutter Sabrina P. in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnung in Stockach tot aufgefunden wurde. Diesen Samstag hätte sie ihren 25. Geburtstag gefeiert.

Ihr zwei Jahre jüngerer Partner und Vater ihres jüngsten Kindes soll Sabrina P. am 13. Januar nach einem heftigen Streit zuerst mit einem Kabel erdrosselt und anschließend vom Balkon geworfen haben. Die Ermittler gehen davon aus, dass die 24-Jährige zum Zeitpunkt des Sturzes schon tot war. In dem steilen, unwegsamen Gelände am Stockacher Stadtwall blieb ihr Leichnam etwa 100 Stunden unentdeckt.

Wie der SÜDKURIER nun erfahren hat, soll der 22-jährige Tatverdächtige auch das etwa fünf Monate alte Kätzchen von Sabrina P. getötet haben. Auf Anfrage bestätigt ein Sprecher des Konstanzer Polizeipräsidiums: „Es gab eine tote Katze.“ Sie soll nicht eines natürlichen Todes gestorben sein.

Am Tatort befand sich auch der wenige Monate alte Säugling des jungen Paares. Er blieb körperlich unversehrt.

Tötungsfall Sabrina P.: Kadaver von Katze entdeckt

Die Familie der gebürtigen Konstanzerin hatte unter großer Anteilnahme tagelang in sozialen Netzwerken und an häufigen Aufenthaltsorten nach der Vermissten gesucht, die Polizei nach ihr gefahndet. Vier Tage nach dem völlig unerwarteten Verschwinden von Sabrina P., also am 17. Januar, wurde ihr erstgeborenes Kind, das bei seinem Vater lebt, sechs Jahre alt.

Am selben Tag entdeckten die Ermittler in einem Gebüsch am Stockacher Stadtwall den Leichnam von Sabrina P. – unterhalb ihres Balkons. In der Wohnung stieß die Polizei im Zuge der Durchsuchung auf den Kadaver des Kätzchens.

Der 22-jährige Freund der Getöteten sitzt seither in Untersuchungshaft. Er soll laut SÜDKURIER-Informationen die Tötung von Sabrina P. bereits gestanden und von einer Eifersuchtsszene gesprochen haben.

Tod von Sabrina P.: „Niemand hat das gedacht“

Die Tat hat die Menschen in der Region und weit darüber hinaus erschüttert. Auch Medien aus der benachbarten Schweiz und bis nach Berlin griffen den tragischen Fall auf. Noch immer fragen sich viele, warum es zum Tod von Sabrina P. kommen musste – besonders im Familien- und Freundeskreis des Paares.

Die Straße am Stadtwall in Stockach. Hier wurde die vermisste Sabrina P. tot aufgefunden.
Die Straße am Stadtwall in Stockach. Hier wurde die vermisste Sabrina P. tot aufgefunden. | Bild: Dominique Hahn

„Niemand hat gedacht, dass er so etwas je tun könnte“, sagt ein Mann, der mit dem mutmaßlichen Täter und seinem Opfer befreundet war. Der SÜDKURIER konnte mit mehreren Personen aus dem Freundeskreis sprechen, der Sabrina P. und ihr tatverdächtiger Partner angehörten. Sie wollen anonym bleiben.

Rap und Schwarzenegger

Demnach soll der 22-jährige in Norddeutschland aufgewachsen sein. Erst als Jugendlicher sei er mit seiner Mutter in die Bodensee-Region übersiedelt. Hier habe er zuletzt bei einer Firma gearbeitet, die körperliche Arbeiten übernimmt.

In seiner Freizeit soll der mutmaßliche Täter eine besondere Vorliebe für Kraftsport und Deutsch-Rap gehabt haben. In einem sozialen Netzwerk postete er viele Bilder von sich und markierte gelegentlich Filmstar Arnold Schwarzenegger, der mit seinen früheren Körpermaßen ein Vorbild von ihm sein dürfte. Gewohnt soll der 22-Jährige zuletzt meist in der Stockacher Wohnung von Sabrina P. haben, der Mietvertrag soll allein auf sie gelaufen sein.

Silvester noch gemeinsam verbracht

Das Paar habe mehrere Beziehungspausen hinter sich gehabt, während derer der 22-Jährige auch andere Partnerinnen gehabt haben soll. Laut einer seiner Ex-Freundinnen sei er ihr gegenüber nie handgreiflich geworden – auch nicht gegenüber anderen Leuten. Vielmehr habe die Gefahr bestanden, dass er sich selbst verletze.

So soll der 22-Jährige einmal beim Ausgehen seine Hand so stark gegen einen Gegenstand geschlagen haben, bis sie geblutet habe. Laut Polizei ist der Tatverdächtige zuvor nie als Gewalttäter aktenkundig in Erscheinung getreten. Die Kripo ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts des Totschlags.

Mit diesem Foto fahndete die Polizei nach Sabrina P. Der SÜDKURIER hat das Bild unkenntlich gemacht.
Mit diesem Foto fahndete die Polizei nach Sabrina P. Der SÜDKURIER hat das Bild unkenntlich gemacht. | Bild: PP KN

Zwei Monate von ihrem Tod wollte Sabrina P. sich offenbar von ihrem Freund trennen. In einer Flohmarkt-Gruppe schrieb sie: „Mein zwei Monate altes Baby und ich ziehen um und haben noch nichts an Möbeln.“ Silvester soll das einstige Liebespaar noch gemeinsam im Freundeskreis verbracht haben. 13 Tage später kommt es zu dem tödlichen Streit in der Stockacher Wohnung.

Tötungsfall Sabrina P.: Vor Tötung fünf Tage wach?

Seinen Freunden soll der 22-Jährige nach dem Verschwinden von Sabrina P. erzählt haben, dass er schon fünf Tage wach sei – Drogen und Alkohol könnten im Spiel gewesen sein, wie im Freundeskreis vermutet wird. Andererseits könnte es sich bei der Aussage auch schlicht um Prahlerei gehandelt haben. Die Polizei will sich dazu nicht äußern, dies sei noch Bestandteil der Ermittlungen.

Eine Tötung im Rauschzustand hätte im Falle einer Verurteilung auch Auswirkungen auf das mögliche Strafmaß, das bei Totschlag von mindestens fünf Jahren Gefängnis und in besonders schweren Fällen bis hin zu lebenslang reicht.

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Mehrfach und glaubhaft habe der 22-Jährige seinen Freunden gesagt, er hoffe, dass die zu dem Zeitpunkt noch verschwundene Sabrina P. gefunden werde, alleine schon wegen der Kinder.

Außerdem äußerte er die Hoffnung, die Stockacher Wohnung behalten und „den Kleinen“ großziehen zu können. Schließlich sei dieser sein Fleisch und Blut. „Es ist erschreckend und für uns alle ein Schock, wie gut er sich verstellen konnte. Irgendwie hätten wir es merken müssen“, sagt ein Freund des 22-Jährigen.

Im Gefängnis „übel zugerichtet“?

Nach seiner Festnahme hat der Tatverdächtige in sozialen Netzwerken Hunderte Hassnachrichten und Drohungen erhalten: Er solle „in der Hölle schmoren und nie wieder Tageslicht sehen“, wünschte ihm ein User in einem Beitrag. Ein anderer schrieb: „Wir kümmern uns um dich, versprochen.“ Dies geht aus dem inzwischen gelöschten Profil des 22-Jährigen hervor, das er nach dem Helden einer TV-Serie benannt hatte.

Die Gedenkstätte für Sabrina P. in Stockach am 23. Januar 2023.
Die Gedenkstätte für Sabrina P. in Stockach am 23. Januar 2023. | Bild: Löffler, Ramona

Zahlreiche Likes erhielt ein Eintrag, in dem ein Mann behauptete, dass Mitgefangene in der Konstanzer Justizvollzugsanstalt (JVA) den mutmaßlichen Totschläger von Sabrina P. schon „übel zugerichtet“ hätten, was in den darauffolgenden Tagen noch weitergehen werde. Der 22-Jährige werde deshalb wohl in „Schutzhaft“ nach Freiburg überstellt. Dies habe ihm „ein Kollege“ erzählt, der offenbar in der JVA Konstanz arbeiten soll.

Das sagt die Justiz

Um diese Behauptungen zu überprüfen, sprach der SÜDKURIER mit mehreren Justizbeamten, die zum Teil anonym bleiben wollen. Laut ihnen seien Übergriffe bis hin zu Schlägereien unter Häftlingen an sich nichts Ungewöhnliches und Teil der Haftrealität. „Manchmal spielen sich Inhaftierte zu Richtern, Staatsanwälten und Rächern auf“, sagt ein Beamter.

Verurteilte Gefangene bekommen etwa über Besuche mit, was sich draußen ereigne. Außerdem ist es ihnen erlaubt, während der Haft Zeitungen zu abonnieren. Während der sogenannten Freizeiten, wenn Dutzende Zellen geöffnet werden, sowie beim Sport und Duschen können „Gruppendynamiken“ entstehen. Besonders Sexualstraftäter seien geächtet.

Shitstorm und Knastjargon

Doch im Fall des 22-jährigen Verdächtigen haben „keine körperlichen Übergriffe“ stattgefunden, versichern Rinaldo Caterino, stellvertretender Vollzugsdienstleiter im Konstanzer Gefängnis, und weitere Justizbeamte dem SÜDKURIER.

Rinaldo Caterino ist stellvertretender Vollzugsdienstleiter im Konstanzer Gefängnis.
Rinaldo Caterino ist stellvertretender Vollzugsdienstleiter im Konstanzer Gefängnis. | Bild: Hanser, Oliver

„Der Shitstorm über die sozialen Medien war uns zeitnah bekannt, deshalb haben wir zur Sicherheit des Untersuchungshäftlings Maßnahmen ergriffen, die ihn entsprechend schützen“, sagt Caterino. Um mögliche Angriffe auszuschließen, wurde er von den anderen Gefangenen frühzeitig abgeschirmt.

Richtig sei zwar laut mehreren Justizbeamten, dass der Tatverdächtige im Fall Sabrina P. von Konstanz aus in ein anderes Gefängnis verlegt wurde, allerdings nicht – wie in sozialen Netzwerken behauptet – nach Freiburg in „Schutzhaft“, was „Knastjargon“ sei. Um die Sicherheit des 22-Jährigen zu gewährleisten, wird sein derzeitiger Aufenthaltsort nicht kommuniziert.

Wie für alle anderen Menschen gilt auch für ihn solange die Unschuldsvermutung, bis ein Prozess vor einem Gericht seine mutmaßliche Schuld rechtskräftig bewiesen hat.