„Die müssten hier mit Sicherheit nicht alle durchfahren!“, sagt Christian Jung, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Baden-Württembergischen Landtag, bei einem Ortstermin an der Heinrich-Fahr-Straße oder B313. Sein Blick richtet sich dabei auf die Lastwagen, die sich im Minutentakt durch den ZG-Kreisel schlängeln.

Zum zweiten Mal innerhalb von 15 Monaten ist Jung gemeinsam mit der FDP-Bundestagsabgeordneten Ann-Veruschka Jurisch zu Besuch in Stockach, um sich über den aktuellen Stand in Bezug auf die Planungen für eine Umfahrung der Stadt zu erkundigen. Schon bei seinem vorigen Besuch im Oktober 2023 hat Jung beklagt, dass in der Bodenseeregion seit vielen Jahrzehnten versäumt werde, die Verkehrsplanung an die Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung anzupassen.

Ein Blick in die Karte: Bei diesem Vor-Ort Termin im Januar versprachen Christian Jung, Verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im ...
Ein Blick in die Karte: Bei diesem Vor-Ort Termin im Januar versprachen Christian Jung, Verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag (Zweiter von rechts), und die FDP-Bundestagsabgeordnete Ann-Veruschka Jurisch (Dritte von links), bei der Landesregierung wegen der Verzögerung bei der Westumfahrung nachzuhaken. Nun liegt eine Antwort vor. Mit dabei waren im Januar auch Bürgermeisterin Susen Katter und Ordnungsamtsleiter Carsten Tilsner (links), Bauamtsleiter Lars Heinzl (Dritter von rechts) und Carolin Schiemer-Eberle, Vorsitzende der Stockacher FDP (rechts). | Bild: Dominique Hahn

Hoffnungen wurden enttäuscht

Stockach ist dabei in seinen Augen ein Negativ-Beispiel. Die Umfahrung steht zwar im Bundesverkehrswegeplan für 2030 in der Kategorie vordringlicher Bedarf, doch in Bezug auf die Planungen herrscht seit Jahren Stillstand. Ein Ärgernis nicht nur für Christian Jung, sondern auch für die Stockacher Bürgermeisterin Susen Katter, Bauamtsleiter Lars Heinzl, Ordnungsamtsleister Carsten Tilsner sowie Carolin Schiemer-Eberle, Vorsitzende der Stockacher FDP, wie sie beim Ortstermin deutlich machen.

„Angesichts dessen, dass das Projekt in den vordringlichen Bedarf aufgenommen wurde, ist es besonders tragisch, dass damit noch nicht begonnen wurde. Denn so etwas weckt ja auch Hoffnungen in der Bevölkerung und wenn dann nichts kommt, fördert das höchstens die Politikverdrossenheit“, so Susen Katter.

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Verkehrsbelastung soll noch steigen

Laut Carsten Tilsner habe schon eine Untersuchung aus dem Jahr 2017 gezeigt, dass durchschnittlich rund 18.000 Fahrzeuge pro Tag auf der B313 durch Stockach fahren. Die Prognose laute, dass sich diese Zahl bis zum Jahr 2035 auf 22.000 erhöht. Eine Umfahrung hätte demnach das Potenzial, rund 11.000 Fahrzeuge pro Tag aufzunehmen.

Carolin Schiemer-Eberle, Vorsitzende der FDP Stockach, die FDP-Bundestagsabgeordnete Ann-Veruschka Jurisch, Ordnungsamtsleiter Carsten ...
Carolin Schiemer-Eberle, Vorsitzende der FDP Stockach, die FDP-Bundestagsabgeordnete Ann-Veruschka Jurisch, Ordnungsamtsleiter Carsten Tilsner, Bürgermeisterin Susen Katter, Bauamtsleiter Lars Heinzl und Christian Jung, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im baden-württembergischen Landtag, machen sich beim ZG-Kreisel ein Bild von der Verkehrsbelastung in Stockach. | Bild: Dominique Hahn

Laut Jung ist Baden-Württemberg stark vom Lastwagenverkehr abhängig. Den kompletten Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern? In seinen Augen unrealistisch. Er geht davon aus, dass der Bedarf an Güterverkehr auf den Straßen eher steigen wird. „Insofern ist Verkehrspolitik auch Wirtschaftspolitik. Wenn eine Region nicht gut zu erreichen ist, werden sich die Unternehmen andere Standorte suchen“, so Jung.

Mehrere Gründe für Ausweichstrecke

Für ihn geht es bei der Umfahrung vor diesem Hintergrund nicht nur um weniger Verkehrsbelastung in Stockach, sondern auch um eine Verkürzung der Fahrzeiten und eine Ausweichmöglichkeit, falls die B313 in Stockach einmal gesperrt werden muss. Dass seit seinem vorigen Besuch in Stockach vor gut 15 Monaten augenscheinlich noch nichts passiert ist, ärgert Jung und Jurisch.

Das Geld wäre sogar da

Besonders bitter an der ganzen Geschichte ist: „Das Geld für den Bundesverkehrswegeplan ist da. Es hängt nur daran, dass es beim Regierungspräsidium Freiburg (RP) an Planungskapazitäten fehlt“, sagt Jung. Lars Heinzl teilt diese Sichtweise. Und nennt ein konkretes Beispiel: Der Linde-Kreisel soll schon seit Jahren saniert werden. Das Stadtbauamt habe dem RP angeboten, die Planungsleistung für das Projekt zu übernehmen.

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Zuletzt habe es nur noch einige offene Detailfragen gegeben, die es zu klären galt. „Auf die Antwort des Regierungspräsidiums mussten wir vier Monate warten. Da war es dann Dezember und im Dezember brauche ich gar keine Ausschreibung mehr für das folgende Jahr zu starten“, so Heinzl. Damit rückt die Kreisel-Sanierung ein weiteres Jahr nach hinten.

Abgeordnete wollen Druck machen

Für Jung ist der Fall klar: „Es fehlt hier auch am politischen Willen. Die Planer im RP sind gut und machen gute Arbeit, aber sie können schlicht und einfach nicht alles schaffen.“ Er kündigt an, weiter politischen Druck machen zu wollen, bis sich etwas tut. Auch Ann-Veruschka Jurisch wolle sich dafür einsetzen. „Bei der B33 hat es wirklich etwas gebracht, dass wir Druck gemacht haben“, sagt Jurisch. Den gleichen Erfolg erhoffe sie sich nun auch für Stockach.

Im Rahmen einer kleinen Anfrage an die Landesregierung, die dem SÜDKURIER vorliegt, hat Christian Jung sich an die Landesregierung gewandt, um den Stand der Planungen und die Gründe für die Verzögerungen zu erfahren. Mit einer Antwort rechnet er bis Ende Februar.

Beispiel Espasingen: „Da will jemand nicht, dass es umgesetzt wird“

Auch nach Espasingen machten die Abgeordneten im Rahmen des Besuchs einen Abstecher, um sich bei Ortsvorsteher Andreas Bernhart über den Stand des Verfahrens für die Ortsumfahrung zu informieren. Bereits 2009 wurde das Planfeststellungsverfahren eröffnet, doch bis heute konnte es nicht abgeschlossen werden. „Wenn das immer noch in diesem Verfahren festhängt, dann will da jemand nicht, dass es umgesetzt wird“, zeigte sich Christian Jung überzeugt.

Ann-Veruschka Jurisch kündigte an, sich für die Aufnahme der Ortsumfahrung Espasingen in den Bundesverkehrswegeplan 2045 einzusetzen: „Wir werden als Nächstes sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene Druck machen, damit es hier endlich vorangeht. Ich werde nicht ruhen und den politischen Druck aufrechterhalten. Ziel ist es, die jahrelangen Verzögerungen zu beenden und die dringend notwendige Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu schaffen.“