Und irgendwie gibt es sie doch: Das Narrengericht verzichtet doch nicht komplett auf eine Verhandlung. Aber wie die diesjährige Fasnacht selbst ist sie auch ganz anders. Der mehr oder weniger Beklagte: Covid-19, seines Zeichens amtierender Pandemieweltmeister und globaler Spaßverderber. Der Verhandlungssaal: mehrere Seiten in der Hans-Kuony-Post. Das Narrengericht macht dem Virus, das alles durcheinander bringt, den Prozess.
Die Klage, die nur so halb eine ist
Kläger Wolfgang Reuther fasst in seinem Text zusammen, dass er dieses Jahr eine Wehklage über den Coronavirus führe, der „selbst schillerndste Politgrößen in 2020 ins Abseits der öffentlichen Wahrnehmungen zu verbannen vermochte“. Er führt unter anderem an, dass die Gesamtauflagen der Tageszeitungen in Deutschland um fast neun Prozent rückläufig gewesen sei, während der Absatz von Klopapier um 211 Prozent in die Höhe geschossen sei.
Und es sei beklagenswert, dass Personen wie SPD-Politiker Karl Lauterbach gebe, der in allen Fernsehsendungen im Jahr 2020 genervt habe. Aber so richtig sei es eigentlich keine Klage, weil es nicht zielführend sei, denn das Narrengericht führe immer nur Klage, um Unrecht zu ächten und Veränderung zu erwirken: „Wenn sich jedoch das Virus verändert, haben wir es mit einer neuen Bedrohung zu tun, und die braucht sicherlich kein Mensch.“
Aus Sicht des Fürsprechs Michael Nadig passiert im 670. Jahr nach Hans Kuony das Unvorstellbare – er müsse dem Kläger zustimmen. Zumindest teilweise. Aber dass Reuther Karl Lauterbach in seiner Klage erwähne, zeige „die Verzweiflung dieser tiefschwarzen Klägerseele“. Reuther versuche das Kollegium auf die Dunkle Seite der Macht zu führen, genauso wie der Virus: „Möge die Macht des Hans Kuony mit uns sein.“
Bewährungsprobe für Vollblutnarren
Nadig hebt hervor, dass die Stockemer Fasnet mehr sei, als nur am Tresen zu stehen. Sie finde nicht nur auf der Straße und in Ballsälen statt: „Zuallererst gründet sie in den Herzen und Hirnen der vielen kleinen und großen Narren in der Hans-Kuony-Stadt.“ Es komme darauf an, was die Narren daraus machen: „Verantwortungsvoll – einfallsreich – von Herzen – und diesem Jahr eben anders.“ Außerdem betont er, dass dieses Jahr Geld gespart werde, weniger Gehirnzellen wegen ausgefallener Räusche absterben und knackige Pointen für 2022 zur Verfügung stünden.
Auf seiner langen Liste an positiven Dingen steht zum Beispiel auch, dass der Kläger offenbar mürbe werde und weniger angriffslustig sei. „Sehen wir die Fasnet 2021 als eine unfreiwillige Verschnaufpause und Bewährungsprobe für Vollblutnarren – die uns vor Augen führt, wie wertvoll närrisches Miteinander ist“, so Nadig.
Urteil lautet Isolation per Rakete
Es nützt wie immer nichts: Das Hohe Grobgünstige Narrengericht spricht den Beklagten in allen Anklagepunkten schuldig. Die Strafe: Covid-19 habe sich unverzüglich selbst per Rakete mit dem Ziel Andromeda-Nebel zu isolieren. Alle Fasnachtsveranstaltungen müssen im Sommer nachgeholt werden. Dazu werde bei der Zeitumstellung auf Sommerzeit-Plus umgestellt, so dass ein Tag 28 Stunden haben werde. Der Schweizer Feiertag werde künftig eine Woche dauern. Die Fasnacht 2022 werde wirklich erst an Laetare enden. Künftig müssten sich Leute in Gruppen draußen bewegen und: „Sämtliche Sofas und Fernsehsessel werden öffentlich verbrannt, Baumärkte schließen an Wochenenden zu Gunsten der Gastronomie. Narro.“