Er soll ganz viel Klarheit für Patienten bringen, doch Kritiker sagen, er mache genau das Gegenteil: Der neue Klinik-Atlas des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) ist seit wenigen Wochen online und muss schon viel Kritik einstecken, auch aus dem Krankenhaus Stockach. Denn offenbar arbeitet das Ministerium mit falschen Zahlen.
So meldete die deutsche Krankenhausgesellschaft auf ihrer Internetseite: „Eine Woche nach Start des Klinik-Atlas aus dem Bundesgesundheitsministerium verdeutlicht sich immer mehr, dass dieser ‚Transparenzatlas‘ zahlreiche Fehler und veraltete bzw. falsche Daten aufweist, die die Patientinnen und Patienten erheblich in die Irre führen können.“
In Wirklichkeit gibt es mehr Pflegepersonal
Diese Ansicht teilt auch Michael Hanke, Geschäftsführer des Stockacher Krankenhauses. Er bemängelt nicht nur, dass die Daten, die online angezeigt werden, mindestens zwei Jahre alt sind, sondern dass sie zum Teil für das Krankenhaus Stockach schlicht nicht korrekt seien.
„Der angegebene Pflegepersonalquotient ist falsch“, sagt Hanke. So steht im Klinik-Atlas etwa, das Stockacher Krankenhaus habe 36 Pflegekräfte in der unmittelbaren Patientenversorgung, womit das Krankenhaus im Mittelfeld liege, wie eine entsprechende Anzeige auf dem Portal zeigt. Tatsächlich arbeiten laut Hanke derzeit aber 46 Vollzeitkräfte in der Pflege am Bett. „Da viele Pflegefachkräfte in Teilzeit arbeiten, beschäftigen wir erheblich mehr Menschen in der Pflege“, ergänzt er.

Immerhin, die Anzahl der Behandlungsfälle im Jahr 2022 stimme annähernd. „Es waren aber nicht 3312, sondern 3346 laut Krankenhausstatistik-Verordnung“, sagt Hanke. Auch das würde der Klinik-Atlas wohl weiterhin als niedrig einstufen, wie ein Blick auf die Internetseite zeigt. Die aktuelle Fallzahl liege inzwischen bei 3614 stationären Fällen pro Jahr.
Die Fallzahlen je Diagnosegruppe, die im Klinik-Atlas genannt wird, lasse sich allerdings nicht genau verifizieren, da nicht bekannt sei, welche Diagnoseschlüssel in welche Diagnosegruppe eingeflossen seien.
Manche Krankenhäuser im Atlas sind schon zu
Hanke verweist zudem darauf, dass der Klinik-Atlas noch Daten zum Radolfzeller Krankenhaus enthält, das schon seit Mitte vergangenen Jahres geschlossen ist. Auch das Krankenhaus Stühlingen wird im Atlas noch in Zusammenhang mit dem Hegau-Bodensee-Klinikum genannt. Das Krankenhaus in Stühlingen wurde allerdings schon 2022 geschlossen.
Wo die Daten herkommen
Wie die Zahlen im Klinik-Atlas zustande kommen, darauf kann sich Michael Hanke keinen Reim machen. Auf der Internetseite des Bundesgesundheitsministeriums wird dazu erklärt, dass der Bundes-Klinik-Atlas unter anderem auf Daten des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) sowie Daten des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) basiere.
Das IQTIG erhalte für die Entwicklung des Bundes-Klinik-Atlas zudem Daten von den Landesverbänden der Krankenkassen und der Ersatzkassen, von den Krankenhäusern, von Fachgesellschaften und Zertifikatsherausgebern und vom Datenportal des strukturierten Qualitätsberichts der Krankenhäuser, heißt es von Seiten Bundesgesundheitsministeriums.
Krankenhaus hat keine Beschwerde eingereicht
Auf die Frage, ob das Stockacher Krankenhaus bei den Machern des Klinik-Atlas eine Beschwerde über die falschen Zahlen eingereicht habe, antwortet Michael Hanke: „Nein. Der Klinikatlas wurde mit der heißen Nadel gestrickt und hastig veröffentlicht.“
Doch neben dem Ärger über die Unstimmigkeiten bei den Zahlen stört sich der Geschäftsführer des Stockacher Krankenhauses auch an der grundsätzlichen Ausrichtung des Klinik-Atlas. Denn der legt einen großen Fokus auf die Anzahl an bestimmten Behandlungen. „Die Kliniken werden bewusst nach absteigender Fallzahl aufgelistet. Damit wird suggeriert, nur die großen Kliniken mit hohen Fallzahlen sind gut“, so Hanke.
Seiner Meinung nach sollten dabei noch andere Kriterien berücksichtigt werden. „Wir sind Mitglied der Initiative für Qualitätsmedizin (IQM). Unsere Qualitätskennzahlen kann jeder Interessierte auf der Website der IQM nachlesen„, so Hanke. Für Patienten seien zudem die Qualitätskennzahlen zur Behandlungs- und Ergebnisqualität wichtig, aus denen zum Beispiel hervorgehe, wie hoch die Komplikationsrate ist.
Größe als Qualitätsmerkmal?
„Das Bundesgesundheitsministerium stellt nur auf die Strukturqualität ab, also wie groß ist eine Klinik, wie viele Fälle hat eine Klinik, wie viel Personal hat eine Klinik. Die Strukturqualität sagt aber nicht viel über die Ergebnisqualität eines Krankenhauses aus„, erklärt Hanke.
Ob der Blick in den Klinik-Atlas Patienten davon abgehalten hat, sich in Stockach behandeln zu lassen, wisse Hanke nicht. Der Ärger ist bei ihm trotzdem groß. „Bevor ein Bundesminister solche Daten veröffentlicht, sollten diese geprüft werden. Ungeprüfte und veraltete Daten zu veröffentlichen, ist meines Erachtens unprofessionell und zudem Geldverschwendung. Wir kommen uns im Krankenhaus inzwischen schon vor wie Versuchskaninchen des BMG“, sagt Hanke.
Nach einer ersten Welle der Kritik von Seiten der Krankenhäuser hat das Bundesgesundheitsministerium bereits Nachbesserungen angekündigt. So soll es noch im Laufe dieses Jahres Anpassungen geben, kündigt das Ministerium an. Unter anderem sollen dann auch Zertifikate der Krankenhäuser mit in die Bewertung einfließen.