Sie sind nahezu überall: In Stockach und den Umlandgemeinden gibt es immer größere Taubenpopulationen. Bis zu 40 Tiere sitzen dann schon mal auf einem Dach. Große Schwärme fliegen zu bestimmten Tageszeiten Richtung Kornhaus beim ZG-Kreisel. Ulrike Amann, Oberärztin in der Anästhesie im Krankenhaus Stockach, ist auch Falknerin. Sie hat viele Anfragen erhalten, ob sie mit ihren Tieren die Tauben vergrämen kann. Daraufhin sei sie mit der Stadt Stockach in Kontakt getreten, sagte Ulrike Amann im Planungsausschuss. Dieser will etwas gegen zu viele Tauben tun.

Das Gremium beauftragte die Verwaltung, zusammen mit Vertretern von Natur- und Umweltschutz ein Konzept zur nachhaltigen Eindämmung der Stadttaubenpopulation zu erarbeiten. Zuvor hatte Ulrike Amman Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. Vögel von Taubenzüchtern seien hier ausgenommen, da sie mit dem Anstieg der Wild-Populationen nicht in Zusammenhang stünden, sagte die Falknerin. Straßentauben seien äußerst erfolgreiche Stadtbewohner. Früher hätten sie durch natürliche Feinde wie Wiesel, Ratten, Marder, Eulen und Greifvögel unter Druck gestanden. Da sei heute anders, Dichtestress, Krankheit und verschiedene Vergrämungstechniken seien an diese Stelle gerückt. Tauben hätten sich von Körner- zu Allesfressern entwickelt und erleben keine jahreszeitliche Nahrungsknappheit mehr. Sie vermehren sich auch, weil es mehr Abfall gebe und weil sie oft gezielt gefüttert würden.
„Eine einzelne Taube erzeugt im Jahr etwa zwölf Kilogramm Nasskot“, führte Ulrike Amann aus. Das Problem sei dabei nicht die einzelne Taube, sondern die große Menge der Vögel. Beim Nisten könnten sie Schäden an Stein und Beton verursachen, etwa durch den Abbau von organischen Säuren und Proteinen. Ihr Kot sei ein idealer Nährboden unter anderem für Pilze, dadurch seien auch andere Wildtiere gefährdet. Pilzsporen drängen auch in Mauerritzen ein und scheiden Säuren ab. Die Flüssigkeit zieht sich bei schwankenden Temperaturen zusammen und breitet sich wieder aus, was zu Rissen führen kann.
In vielen Städten finden Tauben sehr günstige Lebensbedingungen vor. Laut Ulrike Amann suchen sie zum Beispiel sehr gerne Fotovoltaik-Anlagen bei geringer Dachneigung auf, um darunter Wetterschutz zu finden und auch zu nisten. Der Kot bleibt unter den Anlagen, sodass Regenwasser nicht mehr richtig ablaufen kann. Werden die Exkremente und Nistmaterial hinuntergespült, verstopfen sie Dachrinnen. In manchen Fällen landet Kot auch auf Balkonen. An beliebten Übernachtungsorten wie Fensterläden oder Simsen sind die darunterliegenden Gehwege voller Kot, auch die Hauswände können betroffen sein. Ulrike Amann betont: „Auch andere Vogelarten tragen Parasiten, Würmer und Keime mit sich und im Kot.“ Jedoch trete keine andere Vogelart dieser Größe in so großer Zahl an einzelnen Orten auf wie Tauben.

Sie benannte unterschiedliche Vergrämungsarten. Allerdings machte Ulrike Amann klar, dass Tauben besondere Tiere seien, und es nicht darum gehe, sie zu entfernen, sondern nur darum, die Population zu regulieren. Ihr Fokus bei der Vorbereitung des Vortrages sei gewesen, herauszufinden, welche Ansätze ortsspezifisch erfolgreich sein können, damit die Stadt Stockach ein Gesamt-Konzept entwickeln kann. Selbstverständlich sei, sich an tier- und artenschutzrechtlichen Vorgaben zu orientieren.
Die Vergrämung über Senkung der Geburtszahlen oder Erhöhung der Todeszahlen, die Einschränkung der Nistmöglichkeiten oder die Erhöhung des Feinddrucks seien einzeln betrachtet nicht erfolgversprechend: Die Tauben würden darauf mit vermehrten Bruten, temporärem Ausweichen und Wiederkehren oder Suche nach anderen Nistplätzen reagieren.
Eier im Nest austauschen
Ulrike Amann beschrieb einige Methoden: zum Beispiel ein Taubenhaus, in dem die Eier gegen künstliche Exemplare ausgetauscht werden können. Auch Fangvorrichtungen könnten helfen, dafür seien deutschlandweit aber nur sehr wenige Spezialisten lizenziert. Dabei würden überwiegend unerfahrene und kranke Jungvögel gefangen. Die Reduzierung geeigneter Nistplätze an Gebäuden beispielsweise durch Draht, Metallvorrichtungen oder künstliche Lichtquellen sei standortspezifisch möglich, aber unterschiedlich effektiv. Mit am wichtigsten sei es, Futterquellen jeglicher Art zu reduzieren, also vor allem das Füttern zu unterlassen.
Die Referentin erklärte falknerisches Vorgehen: „Mit sogenannten Beizvögeln kann der natürliche Jagddruck auf die Taubenpopulation erhöht werden.“ Dabei bilde der Vogel mit dem staatlich geprüften Falkner eine Kompanie – ähnlich wie beim Jagdhund. Durch diesen Einsatz würden nur kranke, schwache Tiere herausgefangen. Dies reduziere ein Taubenvorkommen natürlich nicht zahlenmäßig relevant, stelle aber durch kontinuierlichen Präsenzdruck eine wichtige innerstädtische Option zur Vergrämung dar. Eine weitere Option wäre möglicherweise auch längerfristig die Ansiedelung natürlicher Feinde wie Wanderfalke oder Habicht, was mit ornithologischen Fachspezialisten zu prüfen sei.