Eigentlich heißt es über Pflegeheime oft, dass diese mit Personalmangel kämpfen. Im Seniorenzentrum Stockach gilt eher das Gegenteil: Es gibt immer wieder Initiativbewerbungen und genug Mitarbeiter, erzählen Heimleiter Rüdiger Mahl und Isabella Dix, die als ehemalige Pflegeleiterin bald das neue Heim in Aach übernimmt, und sich derzeit die Pflegeleitung mit Bogdan Ichim teilt.

Mehr noch: In der Woche vor Weihnachten bietet das Heim den Nachwuchskräften drei Tage lang eine besondere Gelegenheit, um fit in der Dienstplanung und Stationsführung zu werden. Pflegeschüler dürfen eine Woche lang eine ganze Station selbst betreuen. Dabei übernehme immer einer aus dem dritten Ausbildungsjahr die Schichtleitung.

Rüdiger Mahl und Isabella Dix vor dem Haupteingang.
Rüdiger Mahl und Isabella Dix vor dem Haupteingang. | Bild: Löffler, Ramona

„Wir wollen mit dem Projekt ein positives Zeichen setzen“, sagt Mahl. Corona solle nicht alles beherrschen. Isabella Dix erläutert, dass die Pflegeschüler bis auf die Nachtwachen alles selbst machen dürfen. Sie legen also selbst die Schichtpläne und vieles mehr fest. „Es ist eine Chance, selbst aktiv zu werden und Abläufe zu strukturieren.“ Die Auftaktbesprechung dazu war am Freitag. Am Montag geht es los.

„Wir freuen uns alle und sind gespannt, wie es wird, sagt Maximilian Heckendorn, der im ersten Lehrjahr zum Pflegefachmann ist. „Wir lernen wie es ist, auf eigenen Beinen zu stehen und Erfahrung als Fachkräfte zu sammeln.“ Seine Kollegin Vanessa Eisenreich, die im dritten Ausbildungsjahr als Altenpflegerin ist, ergänzt, die Schüler würden dabei auch Neues lernen.

Das Projekt gibt es zum ersten Mal

„Es ist das erste Mal, dass wir so etwas machen“, erklärt Isabella Dix zu dem Projekt. Die Pflegeschüler würden in dieser Zeit von ihren eigentlichen Stationen und den Schulen in Überlingen und Radolfzell freigestellt. Dix und Mahl erzählen außerdem, wie gut das Heim personell besetzt sei und das deshalb problemlos möglich sei. Mahl betont, wie viel die Schüler dabei lernen könnten, da sie über den Tellerrand blicken könnten.

Die Woche vor Weihnachten sei gewählt worden, damit viele da sein könnten und weil da kein Blockunterricht stattfinde. Den Bewohnern sei alles erläutert worden. Das normale Personal könne in diesen Tagen frei nehmen.

Am Freitag trafen sich alle Schüler zur Besprechung und Festlegung der Ziele. Sie machten die Einteilung und Ablaufplanung. Dabei hätten sie selbst alle Schwerpunkte festgelegt, wenn sie sich kommende Woche um 29 Bewohner einer Wohngruppe kümmern, so Dix. Zwei Fachkräfte seien zwar für Notfälle anwesend, würden sich aber ansonsten heraushalten. Es gehe um die Eigenverantwortung der Nachwuchskräfte. „Sie haben hart gearbeitet“, sagt sie über die Planungsrunde.

Es gehe bei dem Projekt auch um Fähigkeiten wie Zeitmanagement, Verantwortungsbewusstsein und mehr. Die Schüler sollen merken und lernen, wo ihre Grenzen sind – wo sie delegieren oder Hilfe holen müssen. Am Ende werde reflektiert, was jeder gelernt habe und wo etwas besser gemacht werden könnte. Jeder Schüler habe ein Sachgebiet, in dem er je nach Ausbildungsstand etwas erarbeiten könne, wie zum Beispiel die Themen Beratung, Prophylaxe oder Mobilität.

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Besonderheit bei den Dienstplänen

Das Heim habe eine Dienstplangestaltung mit Netto-Arbeitszeit, was es für das Personal so attraktiv mache. Es gebe wenig offene Stellen, eine sehr gute Besetzung und auch Initiativbewerbungen für das Haus in Stockach sowie das neue, das derzeit in Aach entstehe, erläutert die Isabella Dix.

„Wir wollten Sicherheit in der Dienstplangestaltung. Das belastet das Privatleben nicht“, sagt Mahl im Hinblick auf das Thema Familie und Arbeit. Das Ergebnis seien weniger Ausfälle und dass notwendiges Einspringen auf ein Minimum reduziert werden könne. Auch Dix bestätigt: „Die Krankmeldungen sind weniger geworden und die Zufriedenheit höher.“

Mahl erläutert, dass normale Dienstpläne auf vertraglicher Arbeitszeit oft auf einer falschen Basis seien, so dass Mehrarbeit vorprogrammiert sei. Durch das Brutto werde mehr geplant, doch fürs Netto müssten Urlaub, Krankheit oder Fortbildungen abgezogen werden. „Wir ziehen das pauschal ab“, erklärt er zur Netto-Arbeitszeit. So ergebe sich manchmal zwar ein scheinbares Minus, aber das sei auch der Sinn, da sich dies dann durch Urlaub und Krankheit ausgleiche.