Es ist eine Horrorvorstellung: Der Fahrer eines Lastwagens schläft auf der Autobahn am Steuer ein und verliert die Kontrolle über sein Fahrzeug. Genau das soll am 21. Mai 2024 einem 24-jährigen Mann auf der A98 zwischen Stockach und dem Kreuz Hegau passiert sein. Es brachte ihm nun vom Amtsgericht Stockach eine Geldstrafe in Höhe von knapp 1600 Euro und vier Monate Fahrverbot ein.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, sich an das Steuer des Lastwagens gesetzt zu haben, obwohl er durch Übermüdung nicht mehr fahrtauglich gewesen sein soll. In der Nähe des Autobahnparkplatzes Nellenburg soll der junge Mann am Steuer einen Sekundenschlaf gehabt haben, wodurch er die Kontrolle über den Lastwagen verlor, von der Fahrbahn abkam und eine Baustelleneinrichtung beschädigt habe.

Das könnte Sie auch interessieren

Verletzt wurde bei dem Unfall glücklicherweise niemand, doch die Staatsanwaltschaft wertet den Vorfall als fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs. Den Schaden, der an der Baustelleneinrichtung entstanden ist, beziffert die betroffene Firma mit 2000 Euro.

„Ich war nicht müder als sonst“

„An dem Tag war eigentlich alles wie gehabt. Ich war nicht müder als sonst auch“, erklärte der Angeklagte, dessen Arbeitstag zu diesem Zeitpunkt regelmäßig schon um 3 Uhr nachts begann, vor Gericht. Für ihn sei es schon die Feierabendzeit gewesen. „Da ist, denke ich, jeder erschöpft“, fügt er hinzu.

Ein bemerkenswertes Detail in dem Fall: Der junge Mann soll am Vorabend auf einem Pfingstfest gewesen sein. Ein Polizeibeamter, der bei der Unfallaufnahme vor Ort war und im Gericht als Zeuge aussagte, berichtet, dass der Mann ihm gesagt habe, er sei erst um 21 Uhr von dort nach Hause gegangen. Der Angeklagte widersprach dieser Darstellung. Er sei zwar auf dem Fest gewesen, aber um 21 Uhr schon wieder zu Hause im Bett gelegen.

Das könnte Sie auch interessieren

Erst im Grünstreifen aufgewacht

Das Letzte, woran er sich vor dem Unfall am folgenden Tag erinnern könne, sei gewesen, dass er an der Anschlussstelle Stockach West vorbeigefahren sei und auf den Autobahnparkplatz Nellenburg fahren wollte, um eine Pause zu machen. Denn er habe zu diesem Zeitpunkt gemerkt, dass er müde sei. Aufgewacht sei er erst wieder, als sein Lastwagen bereits im Grünstreifen fuhr. Nach der Kollision mit der Baustelleneinrichtung habe der Mann selbst die Polizei gerufen.

Sekundenschlaf habe er vorher noch nie erlebt. „Ich bin wirklich davon ausgegangen, dass ich es noch bis zum Parkplatz schaffen würde“, so der Angeklagte. Auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft erklärte der Angeklagte, es gebe auf seinem Weg zwischen Ravensburg und Stockach kaum Möglichkeiten, mit einem Lastwagen anzuhalten und eine Pause zu machen. „Mit dem Lkw kann man nicht so flexibel agieren wie mit einem Auto. Man muss Lkw-Fahrverbote und Lkw-Halteverbote beachten und Nothaltebuchten an der Straße sind nur für Notfälle erlaubt“, so der Angeklagte.

Zur Verhandlung war auch ein Zeuge geladen, der zum Unfallzeitpunkt etwa 300 bis 400 Meter hinter dem Lastwagen des Angeklagten gefahren ist. Er erklärte, dass er, bevor es zu dem Unfall kam, keine Auffälligkeiten am Fahrstil des Angeklagten feststellen konnte.

Anwalt rügt Polizeibeamten

Der Polizeibeamte, der als Zeuge geladen war, berichtete, der Angeklagte habe ihm gegenüber an der Unfallstelle gesagt, es sei nicht so schön, wenn man beim Einschlag aufwache. Für die Aufnahme dieser Aussage gab es eine Rüge vom Rechtsanwalt des Angeklagten. Denn sein Mandant sei zum Zeitpunkt, als er das gesagt habe, noch nicht ordnungsgemäß über die Folgen einer solchen Aussage belehrt worden.

Die Höhe des entstandenen Schadens zog der Anwalt ebenfalls in Zweifel und stellte die Frage, ob man angesichts des glimpflichen Ausgangs und des mutmaßlich sogar noch geringeren Schadens überhaupt von einer Gefährdung sprechen könne.

Das könnte Sie auch interessieren

Er forderte für seinen Mandanten eine „angemessene Geldstrafe und ein Fahrverbot von maximal vier Monaten“, wobei die zwei Monate, die der Mann bereits ohne Führerschein ist, angerechnet werden sollen. „Das würde ihm entscheidend helfen, auch in seiner finanziellen Situation“, betonte der Anwalt.

Angeklagter steht vor Schuldenberg

Der Angeklagte hatte zuvor angegeben, infolge des Vorfalls seinen Arbeitsplatz verloren zu haben und vor einem Schuldenberg von 60.000 Euro für ein Auto zu stehen. Derzeit lebe er von 1400 Euro Sozialleistungen und werde zusätzlich von seinen Eltern finanziell unterstützt.

Die Staatsanwaltschaft zeigte sich einverstanden mit dem Vorschlag des Anwalts. Auch Richterin Melina Michalski folgte diesem in ihrem Urteil. Sie verhängte ein viermonatiges Fahrverbot und eine Geldstrafe in Höhe von 35 Tagessätzen zu je 45 Euro. Auch die Kosten des Verfahrens muss der Angeklagte tragen.

Urteil ist ein Balanceakt

„Einschlafen am Steuer ist schlimm. Der Unfall hätte drastische Folgen haben können. Sie hatten riesiges Glück“, betonte die Richterin in der Urteilsverkündung. Sie wies zugleich darauf hin, dass es sich bei dem Urteil um ein „riesiges Entgegenkommen“ handle. Es sei ein Balanceakt zwischen dem, was nötig ist, um die Wirkung als Denkzettel nicht zu verfehlen, und dem, was angemessen ist im Hinblick auf die beruflichen Folgen, die ein Entzug der Fahrerlaubnis für einen Berufskraftfahrer hat.