Ein nebliger Mittwochmorgen in Stockach: Bürgermeisterkandidat Rainer Beel schlendert um kurz vor 10 Uhr über den Loreto-Friedhof. Diesen Ort hat er sich als Ausgangspunkt des Themenspaziergangs mit dem SÜDKURIER ausgesucht. „Ein Friedhof ist für mich ein guter Ort, um eine Stadt kennenzulernen. Man kann hier viel über die Stadtgeschichte lernen“, antwortet Beel auf die Frage des Reporters, warum er sich gerade diesen Ort als Treffpunkt ausgesucht hat.
Gemeinsam laufen die beiden Spaziergänger eine Runde zwischen den Gräbern. Für den studierten Theologen Beel sei dies ein Ort, der an die Geschichten der Menschen erinnert, die früher gelebt und sich in ihrer Zeit bewährt haben. Eine Zeit, die genauso vergänglich sei wie unsere. Neben italienischen Namen seien ihm auf den Grabsteinen insbesondere rumänische aufgefallen, sagt der 57-Jährige.
Wo genau arbeitet Beel eigentlich?
„Ich freue mich, dass es in Stockach eine rumänische Gemeinschaft gibt“, sagt Beel, der ab und zu in Transsilvanien zu Gast sei. Wie so vieles im Leben sei diese Verbindung durch persönliche Kontakte entstanden. So habe er in seiner Heimatstadt Freudenberg auch einen Rumänisch-Kurs ins Leben gerufen, der immerhin drei Jahre lang gelaufen sei. Er selbst spreche auch Rumänisch. Neben Niederländisch und Englisch. Letzteres auch beruflich, denn Beel unterrichtet Englisch an einer Grundschule.

„Ich habe aber schon an vielen Bildungseinrichtungen gearbeitet“, sagt er, während der Spaziergang an der Ludwigshafener Straße angekommen ist. Zu seinen Stationen zählen etwa eine Hauptschule und ein Weiterbildungskolleg für Erwachsene. In der Vergangenheit habe er auch Religion unterrichtet, aber mittlerweile sei Englisch sein Fach.
Karrierestart im Supermarkt
Beruflich habe er überhaupt schon einiges hinter sich. So sei er gelernter Einzelhandelskaufmann, später im Außendienst tätig gewesen und habe sogar eine Zeit lang als Zivilbeschäftigter bei der britischen Rheinarmee gearbeitet. Erst spät sei in ihm der Wunsch gereift, noch studieren zu gehen und Lehrer zu werden. Nun will der 56-Jährige mit schwäbischen Wurzeln als nächste Station in seinem Lebenslauf das Bürgermeisteramt in Stockach nennen können.
Die Strecke mit Rainer Beel

„Ich habe in Freudenberg schon lange Kommunalpolitik gemacht und weiß, dass das manchmal ein zäher Weg sein kann“, berichtet Beel, der eigenen Angaben zufolge rund zehn Jahre zur Fraktion der Freien Wähler im Gemeinderat seiner Heimatstadt gehörte. Auch dort habe er sich schon um den Bürgermeisterposten beworben, ist aber der jetzigen Amtsinhaberin unterlegen.
Für das Stockacher Bürgermeisteramt war er früh im Rennen
Dass Rainer Stolz seinen Rückzug ankündigt, habe er durch persönliche Verbindungen nach Stockach schon erfahren, bevor es das erste Mal in der Zeitung gestanden sei. Bei einem Besuch der Stadt zur Fasnacht sei dann der Funke übergesprungen und er habe beschlossen, sich zu bewerben. Schon als im Frühjahr die erste Anzeige der Stadt erschien, habe er seine Unterlagen abgegeben. Zu früh, wie sich später herausstellte. Also folgte der zweite Versuch nach Beginn der Bewerbungsfrist, der ihm den zweiten Platz auf dem Stimmzettel einbrachte.
„Die erforderlichen Unterschriften waren schnell beieinander“, erinnert er sich. Der Spaziergang ist inzwischen am Ende der Oberen Walkestraße angelangt. Am Osterholz kommt Rainer Beel auf das Thema Baugebiete zu sprechen. Natürlich brauche es Wohnraum, doch dafür dürften auch nicht zu viele grüne Flächen verschwinden. „Ich denke aber, dass der Ausgleich zu schaffen ist“, sagt Beel. Aber wie stellt er sich das im Detail vor? Bedeutet es etwa den Abschied vom Einfamilienhaus? „Nein“, betont Beel. Er möchte da keine Richtung vorgeben. Entsprechende Ideologien sehe er kritisch. „Das wäre ja schon fast Planwirtschaft“, sagt er.
Später Wahlkampfstart war bewusst gesetzt
Auf dem Weg zur Dillstraße geht es nochmal um die Formalien seiner Kandidatur. Beel war einer der ersten Bewerber. Seinen persönlichen Wahlkampf vor Ort in Stockach startet er aber erst jetzt, kurz vor der Wahl. Hat er da nicht einiges aufzuholen? „Ich denke, die Aufmerksamkeit ist ungefähr 14 Tage vor der Wahl am größten“, sagt Beel. Diese Zeit wolle er nun intensiver nutzen. Bereits seit geraumer Zeit sei er bei Facebook und über seine Internetseite www.beel-online.com aktiv, um sich den interessierten Wählerinnen und Wählern zu stellen.
Einige hätten das Angebot schon genutzt und ihn auf diesem Wege kontaktiert, berichtet er und fügt an: „Ich tue mein Möglichstes, um mich vor Ort bekannt zu machen.“ In den kommenden zwei Wochen sei er auch persönlich vor Ort und wolle noch einen eigenen Wahlkampftermin anbieten. Nur Wahlplakate wird es keine geben. „Um diese aufzuhängen, bräuchte ich die Hilfe einer Agentur“, und darauf wolle er verzichten.
Oberstadt soll befahrbar bleiben
Inzwischen haben die beiden Spaziergänger ihren Weg über die Treppe hinter der ehemaligen Gärtnerei und den Stadtwall fortgesetzt und schlendern durch die Hauptstraße. Grundsätzlich sei er hier offen für mehr Grün und zusätzliche Verkehrsberuhigung, doch müsse es trotzdem weiter möglich sein, mit dem Auto in die Oberstadt zu kommen.

„Die Geschäfte sind auf schnelle Erreichbarkeit angewiesen“, sagt er. Auch die Zukunft der Oberstadt wolle er frei von Ideologien gestalten. „Man muss testen, was in der Realität funktioniert“, so sein Standpunkt. Währenddessen geht es an der evangelischen Kirche vorbei, dann durch den Stadtgarten zum Krankenhaus.
Das Krankenhaus zu halten, wird schwieriger
„Bei den vielen Veränderungen, die im Gesundheitswesen anstehen, sehe ich die Gefahr, dass es anstrengender wird, das Haus zu erhalten“, sagt Beel. Trotzdem hält er dieses Ziel für richtig und wichtig. Der Weg der Stadt, das Krankenhaus nicht an einen Verbund oder einen großen Konzern zu übergeben, sei der einzig richtige gewesen zum Erhalt des Hauses.
Unterhalb des Krankenhauses geht es weiter zum Aach Center und das spielt eine entscheidende Rolle auf seinem Weg zur Kandidatur: Bei seinem Besuch an Fasnacht habe sich er sich durch den Markt treiben lassen und die Menschen beobachtet. Dabei habe er sich gefragt: Könnte er sich vorstellen, hier in Zukunft selbst samstags den Wocheneinkauf zu erledigen? Diese Frage habe er mit „Ja“ beantworten können und so seine Entscheidung für Stockach untermauert. „Schließlich gehört zu jeder rationalen Entscheidung auch eine gefühlsmäßige Ebene“, fügt er hinzu.
Auf dem Weg weiter in Richtung Bahnhof spricht Beel nochmal über seinen beruflichen Werdegang. „Ich bin mit einigen Dingen im Leben spät dran gewesen und auf jeden Fall kein Karrierist. Aber ich habe schon immer gerne Entscheidungen für mich und andere getroffen“, so Beel. Der Spaziergang endet am Bahnhof. Hier ist Beel am Vorabend aus seiner Heimatstadt Freudenberg mit dem Zug angekommen.
Perspektiven für den ÖPNV
Eine Reaktivierung der Strecke nach Meßkirch sehe er als großen Gewinn an. „In der Zukunft könnte so auch eine Verbindung bis nach Ulm realisiert werden“, so Beel. Grundsätzlich halte er einen gut ausgebauten ÖPNV für sinnvoller als etwa Carsharing-Modelle. Der ÖPNV solle jedoch eine gute Alternative bieten. Deshalb wäre es aus seiner Sicht auch wünschenswert, bessere Busverbindungen in die Ortsteile zu schaffen. „Am Ende ist das aber immer eine Frage der Finanzierbarkeit“, sagt er. Deshalb müsse die Stadt auch als Erste da sein, wenn es darum geht, Fördermittel von Bund oder Land abzugreifen.
Der Blick auf die Uhr verrät, dass die 90 Minuten noch nicht abgelaufen sind. Bleibt also Zeit für die Frage, was Beel für die Jugend im Angebot hat. „Nichts anderes als für die Erwachsenen auch“, lautet seine Antwort. Die Jugendlichen seien am besten bedient, wenn man sie ernst nehme und nicht als Randfiguren betrachte. Was er sich aber vorstellen könne, sei die Schaffung eines Jugendbeirats.