Zwischen Wahlwies und Espasingen ist eine große Fläche für die Nutzung mit Agri-Photovoltaik (Agri-PV) geplant, wie die Wahlwieser Bürger seit einer Infoveranstaltung am 31. Oktober vergangenen Jahres wissen. Denn entsprechend dem Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz Baden-Württemberg (KlimaBW) muss die Stadt Stockach Flächen für die Erzeugung erneuerbarer Energien bereitstellen.
Inzwischen fand die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit statt, bei der zahlreiche Stellungnahmen eingingen. Auch der Ortschaftsrat hat zehn Forderungen zusammengestellt. Die wichtigste: Die Fläche muss ein gutes Stück vom Ort entfernt enden, um eine wachsende Wohnbebauung zu ermöglichen. Nun stellte sich Bürgermeisterin Susen Katter den Fragen des Rates und der Einwohner. Abschließend stimmte das Gremium bei einer Enthaltung der geplanten Änderung des Flächennutzungsplans zu.

Wurde der Ortschaftsrat ausreichend beteiligt?
Ortsvorsteher Alexander Buhl bemerkte, anfangs sei der Ortschaftsrat zu wenig, jetzt sehr intensiv beteiligt worden. „Wir sind das erste Gremium, das diese Sachen öffentlich behandelt. Das freut mich sehr“, sagte er. Im Anschluss folgten Planungsausschuss, Gemeinderat und Verwaltungsgemeinschaft. Es sei anfangs ungünstig gelaufen, aber der Gemeinderat habe nur beschlossen, dass das Verfahren losgetreten werde, betonte Bürgermeisterin Susen Katter.

Auf den Hinweis von Einwohner Oliver Kuppel, er habe formal Widerspruch gegen die Änderung des Flächennutzungsplanes eingelegt, jedoch nie eine Antwort von der Stadt bekommen, erläuterte sie, es gebe keine Beteiligung im Rahmen des Aufstellungsbeschlusses, der nur Start des Bauleitplanverfahrens sei und daher auch keine Widerspruchsmöglichkeit gegen einen Aufstellungsbeschluss. Das sei erst später möglich, wenn ein Bebauungsplan komme.
Das sagt die Bürgermeisterin
Zur Änderung des Flächennutzungsplans erklärte sie: „Dies ist nur eine Grobplanung, damit ist noch kein Baurecht geschaffen.“ Man habe jetzt die Gebietsgröße auf das notwendige Minimum verkleinert. Die Fläche sei etwas nach Espasingen gewandert, deshalb würden auch die Ortschaftsräte Wahlwies und Espasingen eingebunden. Das Landschaftsbild werde beeinträchtigt, gab sie zu und sagte: „Wir sehen die Belange beider Orte, doch die Ziele überwiegen.“

Wahlwies habe eine Fläche nicht größer als 139 Hektar gefordert. „Jetzt sind es 148 Hektar anstatt wie zuerst vorgesehen 175 geworden. Es sind aber auch Biotope dabei, die in einem Bebauungsplan wieder ausgespart würden“, so Katter. Außerdem rücke die ausgewiesene Fläche deutlich weg von den Straßen Am Maisenbühl und Am Weierle.
Die Art möglicher PV-Anlagen sei auf Bebauungsplanebene zu regeln. Auch Detailfragen wie Sicht- und Blendschutz würden später geklärt, wenn man wisse, wo was realisiert werde. Dann wagte sie eine Prognose: „Wir gehen nicht davon aus, dass die Fläche komplett genutzt wird. Es wird nie diese 148 Hektar-Photovoltaik-Anlage am Stück sein.“
Ortschaftsräte äußern sich positiv – bis auf einer
Alexander Buhl betonte, der Ortschaftsrat habe sich die Planungsunterlagen zukommen lassen, ausführlich diskutiert und geprüft, ob die eingebrachte Stellungnahme ausreichend berücksichtigt worden sei. Vor der Entscheidung für oder gegen den Aufstellungsbeschluss kamen die Mitglieder des Ortschaftsrats zu Wort.
Markus Klatt (FW) sagte, man sehe ganz deutlich, dass auf die Empfehlungen eingegangen und Rücksicht darauf genommen worden sei, dass an den Straßen Am Maisenbühl und Am Weierle Wohnbebauung hinzukommen könne. „Ich sehe uns und unsere Anliegen wiedergegeben“, erklärte Nadja Stammerjohann (Grüne). Das ging auch Charlie Schleuter (Grüne) so. Karl-Hermann Rist (Grüne) betonte, der geforderte Abstand zur Wohnbebauung sei zu weiten Teilen berücksichtigt worden. Allgemeine Bedenken zum Landschaftsbild finde man nicht.
Niklas Petermann (Gemeinderat, CDU) war zufrieden, auch Tobias Feindler (Gemeinderat, Grüne) signalisierte Zustimmung. Er machte klar: „Das sind alles nur Möglichkeiten. Ich gehe schwer davon aus, dass die meisten Landwirte in dem Bereich nichts machen werden.“ Udo Pelkner (FW) sagte, er könne so damit leben. Er schob hinterher: „Ob die Fläche so bebaut wird und wir das miterleben, ist eine ganz andere Geschichte. Wenn ein Bebauungsplan kommt, werden wir wieder gefragt.“
Martin Wochner (FDP) fand es schade, so spät eingebunden worden zu sein. Der Plan sei im Amtsblatt veröffentlicht worden, erst danach habe der Ortschaftsrat davon erfahren. „Wahlwies wäre umzingelt von Photovoltaik“, kritisierte Wochner. Er sei wie viele andere erschrocken gewesen und bitte die Stadt, den Ortschaftsrat bei solchen Themen künftig frühzeitig zu informieren.
Einwohner teils mit scharfer Kritik
Einwohner Oliver Kuppel fand die Idee grundsätzlich gut, dort, wo jetzt Hagelschutznetze stehen, Strom zu produzieren. Er fragte aber: „Die Überdachung von Obst- und Gemüseflächen erlauben wir, freistehende Anlagen nicht? Wie ist die rechtliche Lage?“
Dagegen äußerte Einwohner Konrad Walter Kritik: „Die Netze sind nur ein halbes Jahr oben, Agri-PV verschandelt ganzjährig das Landschaftsbild.“ Er wies darauf hin, dass viele Obstbauern massive Nachwuchsprobleme hätten. Und Agri-PV stehe und falle mit der Existenz der Obstbauern. Er sah einen Widerspruch in der Planung, weil die Zukunft der Betroffenen nicht sicher sei.
Susen Katter entgegnete: „Gerade weil die Zukunft ungewiss ist, muss ich versuchen, Chancen und Möglichkeiten zu bieten.“ Sie gehe davon aus, dass die Menschen auch künftig regionale Lebensmittel haben wollten, folglich werde es auch weiterhin Obstbauern geben. Diese müssten allerdings wirtschaftlich arbeiten und davon leben können.
Dauert die Umsetzung noch Jahrzehnte?
Karl-Hermann Rist (Grüne), der den Erlenhof des Pestalozzi Kinder- und Jugenddorfs bewirtschaftet, nannte das Thema Agri-PV sehr komplex. In Wahlwies habe man noch dazu eine Streueigentümersituation – fast alle landwirtschaftlichen Flächen seien in privater Hand. „Eigentümer wie Bewirtschafter binden sich über lange Zeit, das kommt zur falschen Zeit. Wir haben eine Überproduktion an Solarenergie“, sagter er.
Er mache sich für die nächsten zehn bis 15 Jahre keine Sorgen, dass großflächig irgendwas gemacht werde. Es werde so ein großer Aufwand getrieben – er wünschte, für andere, viel akutere Themen wäre das ebenfalls der Fall. Niemand könne heute sagen, wie sich das Klima verändern werde.
Alexander Buhl vermutete, dass vermutlich auf der ausgewiesenen Fläche viele Jahre lang gar nichts passieren wird. Zunächst müsse die Speicherung der Energie geklärt werden.