Wenn es um Tierwohl geht, kochen bei vielen Menschen schnell die Emotionen hoch. Doch im Fall entlaufener oder ausgesetzter Tiere geht es zunächst einmal um Verantwortung. Gemeinden müssen dafür sorgen, dass diese Tiere artgerecht versorgt werden. In der Verwaltungsgemeinschaft Stockach geschah dies lange mithilfe des Tierschutzvereins (TSV) Stockach und Umgebung.
Als es zu Differenzen kam, unternahmen die Stadt Stockach für die Verwaltungsgemeinschaft und Vertreter des Tierschutzvereins Stockach viele Versuche, die Zusammenarbeit fortzuführen. Letztendlich scheiterten diese an unterschiedlichen Sichtweisen.
Die Verwaltungsgemeinschaft strebt nun eine Zusammenarbeit mit dem Tierschutzverein Radolfzell an. Die Gemeinderäte in Stockach, Bodman-Ludwigshafen, Orsingen-Nenzingen und Hohenfels haben sich dafür ausgesprochen, die Entscheidung aus Mühlingen und Eigeltingen fehlt noch. Zu dieser Entwicklung äußern sich die einzelnen Betroffenen sehr unterschiedlich.
Probleme bei der Kommunikation
Vertreter des Tierschutzvereins Stockach haben nach eigenem Bekunden erst aus der Zeitung erfahren, dass die Verwaltungsgemeinschaft Stockach jetzt mit dem Tierschutzverein Radolfzell zusammenarbeiten will. Sie sagen: „Im September 2019 sind wir in die bestehende Vereinbarung mit der Verwaltungsgemeinschaft Stockach eingetreten. Wir bekamen 12.000 Euro im Jahr, im Gegenzug haben wir alle herrenlosen Tiere versorgt. Das haben wir ein Jahr lang gemacht.“

Im Dezember 2020 habe ein Treffen mit der Stadt stattgefunden, um diese Vereinbarung zu verlängern. Es sei besprochen worden, dass es wie gehabt weitergehe. „Ende Januar war noch keine schriftliche Bestätigung der Stadt da, auch im Februar nicht.“ Sie hätten ihre Arbeit dennoch fortgeführt und weiter auf die schriftliche Vereinbarung gewartet.
Vorher wollten sie einen Vertrag über eine Kooperation mit der Tierrettung Südbaden nicht unterschreiben. Ein Konzept für eine solche Zusammenarbeit war nach einem Runden Tisch erarbeitet worden, obwohl der Tierschutzverein Stockach den Vertrag mit der Verwaltungsgemeinschaft zuvor formal gesehen gekündigt hatte, wie der Leiter des Ordnungsamts, Carsten Tilsner, mitteilt.
„Leider gab es oft Beschwerden“
Auch der zuständige Mitarbeiter des Ordnungsamtes erklärt: „Seit März 2019 haben wir den TSV Stockach wohlwollend begleitet und unterstützt. Es war uns immer ein Anliegen, dass es miteinander weitergeht. Ob weiter in der kleinen Lösung oder zusammen mit anderen stärkeren Partnern.“
Doch er fügt hinzu: „Leider gab es sehr oft Beschwerden wegen der Erreichbarkeit des Vereins. Sehr oft hatte die Polizei das Problem, dass niemand vom TSV Stockach erreichbar war. Aber auch private Anrufer oder wir als Stadt konnten den TSV Stockach oft nicht zeitnah erreichen. Dadurch übernahmen 2019 bis eigentlich heute immer wieder der TSV Radolfzell oder die Tierrettung Südbaden zu jeder Tages- und Nachtzeit Fälle aus dem Verwaltungsgebiet.“
„Telefon ist immer besetzt“
Dem Vorwurf der Nicht-Erreichbarkeit widersprechen die Vereinsvertreter aus Stockach entschieden. „Das Telefon ist immer besetzt und jedem einzelnen Anruf wird nachgegangen. Es gab und gibt von unserer Seite aus immer eine Lösung.“ Der Tierschutzverein Stockach mit seinen knapp 50 Mitgliedern verfüge über ein gutes Netzwerk, alles laufe unbürokratisch ab, erzählt Andrea Günthner.
Gefundene Hunde seien meist gechipt, der Besitzer könne schnell ermittelt und verständigt werden. Sie hätten viele Pflegestellen, die vorübergehend Fundtiere aufnähmen. „Es gab fast keinen Fall, in dem wir nicht helfen konnten“, sagt sie.
Keine geeigneten Räumlichkeiten?
Bernd Metzger, Vorsitzender Tierrettung Südbaden, sieht die Situation anders. Im einem Telefonat mit dem SÜDKURIER äußert auch er, der TSV Stockach sei oft nicht erreichbar gewesen. Von der Tierrettung aufgenommene Tiere würden dann vorübergehend ins Tierheim Radolfzell gebracht. Metzger vertritt die Ansicht, dass der TSV Stockach die geforderten Leistungen nicht erbringen könne.
Es fehle dem Verein an Räumlichkeiten für eine eine fachgerechte Unterbringung. Diese sei jedoch notwendig – kranke Tiere müssten beispielsweise in Quarantäne um die Ansteckungsgefahr zu minimieren und den Verbreitungsweg unterbrechen.
Um wie viel Geld ging es?
Die Vertreter des Stockacher Tierschutzvereins gehen in ihrer Stellungnahme auch auf die von der Stadt Stockach genannte Summe von 19.200 Euro ein, die sie für ihre Leistungen künftig pro Jahr gefordert hätten. Sie betonen, diese Zahl hätten sie nie genannt. „200 oder 300 Euro mehr im Monat standen im Raum. Wir machen das ehrenamtlich, es geht viel Zeit für Fahrten und Koordination drauf und wir brauchen das Geld für Tierarzt, Benzin und Versicherungen“, sagt die stellvertretende TSV-Vorsitzende Andrea Günthner.
Das Ordnungsamt Stockach teilt hingegen mit: „Bei einem Treffen mit Kerstin Riebesehl und Andrea Günthner wurde von Seiten des Tierschutzvereins mitgeteilt, dass 1000 Euro pro Monat nicht reichen würden und sie 500 bis 600 Euro mehr brauchen.“ Außerdem sei eine Dokumentation aller anfallenden Fälle vertraglich vereinbart gewesen, diese sei jedoch nicht erfolgt.
TSV Radolfzell und Tierrettung
Jetzt strebt die Verwaltungsgemeinschaft also die Zusammenarbeit mit dem TSV Radolfzell an, der eine eigenständige Vereinbarung mit der Tierrettung Südbaden hat. Die Vorsitzende des TSV Radolfzell, Julia Bierbach, bestätigt: „Ja, die Tierrettung ist 24/7 erreichbar und in unserem Auftrag im Einsatz – im Bereich Höri, Radolfzell und Stockach inklusive aller dazugehörenden Gemeinden.“ Der TSV Radolfzell beschäftigt drei Angestellte in Vollzeit, eine in Teilzeit sowie eine auf 450 Euro Basis. „Wir haben eine Vertragstierärztin und unsere Tierheimleitung Nicole Weber, hat eine Ausbildung nach Paragraf 11 des Tierschutzgesetzes“, sagt Bierbach.
Sie zählt die Unterbringungsmöglichkeiten im Tierheim Radolfzell auf: „Im Katzenhaus ist Platz für 30 Katzen, im Hundehaus für bis zu 16 Hunde. Im Nebenhaus kommen entweder sechs Katzen oder zwei Hunde unter. Außerdem haben wir eine Krankenstation und Notboxen für zwei bis fünf Hunde oder sechs bis neun Katzen.“ Durch das Tierheim hat der TSV Radolfzell deutlich höhere Kosten als der TSV Stockach, der die Unterbringung größtenteils privat und dezentral gelöst hat. Der Satz des Tierheims betrage derzeit 1,08 Euro pro Mitglied der Verwaltungsgemeinschaft Stockach, erklärt Julia Bierbach. Das entspricht knapp 35.000 Euro im Jahr.