Das geplante Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) beim Stockacher Krankenhaus schlägt Wellen. Einige Gemeinden wollen sich daran beteiligen, doch zwei Ärzte aus dem Raum Stockach üben deutliche Kritik in Leserbriefen, die sie an den SÜDKURIER geschrieben haben:
Was der Hohenfelser Hausarzt Marc Nagel befürchtet:
Jetzt ist die Katze aus dem Sack! Das neue MVZ am Krankenhaus Stockach soll nicht nur der Ergänzung der sportmedizinischen Versorgung dienen. Jetzt möchte man auch der Bevölkerung die hausärztliche Versorgung anbieten. Lieber Herr Hanke, Sie sind genial! Sie bedienen sich nicht nur am Topf der niedergelassenen Kollegen, um das Defizit des Krankenhauses auszugleichen, nein, Sie übernehmen auch schleichend die hausärztliche Versorgung und stellen damit sicher, dass Ihre Betten stets gefüllt sind. Und das mit der politischen und finanziellen Macht der Stadt Stockach und der Umlandgemeinden im Hintergrund. Ich gratuliere zu dieser fantastischen Geschäftsidee.

Interessant finde ich, wie kritiklos dieses Vorhaben durchgewunken wird, ohne sich einmal Gedanken über die Konsequenzen zu machen. Das neue MVZ soll drei bis fünf Sitze haben? Das bedeutet, dass mindestens drei Hausarzt-Sitze im Mittelbereich Stockach wegfallen werden, um dann im MVZ am Krankenhaus aufzugehen.
Der Mittelbereich Stockach umfasst nicht nur die Stockacher Kernstadt. Die Grenzen gehen bis Eigeltingen, Ludwigshafen, Mühlingen und Hohenfels. Sie, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, kennen die Altersstruktur Ihrer Hauärztinnen und Hausärzte. Vielleicht landen Sie schneller in Stockach am MVZ, als Ihnen lieb ist. Dann wird dort aber nicht Ihr vertrauter Arzt oder Ihre vertraute Ärztin sitzen, sondern wechselnde Ärzte mit unterschiedlichem Qualifikationsgrad und unterschiedlicher Arbeitsweise. Eine Behandlung aus einem Guss, wie Sie das bisher gewohnt waren, wird es dann so nicht mehr geben.
Die hausärztliche Versorgungsstruktur wird sich in der Zukunft ändern. Die Zeiten des aufopferungsvollen Einzelkämpfers, der sich bei Tag und Nacht jederzeit für seine Patienten sorgt, der vierzehntägig die Alten und Gehbehinderten besucht, der immer und jederzeit verfügbar ist, sind vorbei und werden nicht wiederkommen. Es wäre an der Zeit, über neue Versorgungsstrukturen nachzudenken, da besteht kein Zweifel. Aber dass hier ein einziger Spieler mit erheblichen Interessenskonflikten und der finanziellen Macht der öffentlichen Hand plötzlich allein die Regeln diktieren will, wird bei manchem noch für ein böses Erwachen sorgen. Aber dann wird es zu spät sein.
Marc Nagel, Hausarzt in Hohenfels
Internistin Manuela Zimmermann fürchtet um die Land-Gemeinden:
Ich kann mich der Meinung von Dr. Nagel nur anschließen. Insbesondere Herrn Hankes Vision, das MVZ mit drei bis fünf hausärztlichen KV-Sitzen zu bestücken, finde ich äußerst fragwürdig. Es ist mir schleierhaft, wie diese auf legalem Weg erworben werden wollen. Momentan gilt der Mittelbereich Stockach, die hausärztliche Versorgung betreffend, als überversorgt. Das bedeutet, dass nicht wahllos neue Praxen eröffnet werden können, sondern nur nach Abgabe einer bestehenden Praxis – beispielsweise aus Altersgründen – deren KV-Sitz übernommen werden kann. Dabei muss man sich jedoch zunächst in die Warteliste bei der KV eintragen lassen.
Mit drei bis fünf Sitzen, die das MVZ für sich generieren beziehungsweise reservieren lassen will, werden einem Interessenten, der eben nicht Angestellter eines Versorgungszentrums werden will, Steine in den Weg gelegt. Wie Herr Nagel schon schrieb, gehören zum Mittelbereich Stockach nicht nur die Kernstadt, sondern auch die Umland-Gemeinden. Dies bedeutet, dass die ohnehin schon geringe Chance auf einen Hausarzt im eigenen Dorf gegen Null geht.

Herr Hanke erwähnte im Rahmen seines Werbefeldzuges in mehreren Gemeinderatssitzungen der Verwaltungsgemeinschaft Stockach unter anderem, dass durch Zweigpraxen zumindest tageweise die ärztliche Versorgung in den ländlichen Gemeinden sichergestellt werden könnte. Diese Aussage sollte wohl eher noch mögliche (berechtigte) Zweifel am Nutzen einer finanziellen Beteiligung der Umlandgemeinden ausräumen. Glauben Sie ernsthaft, dass neben dem MVZ zusätzlich noch in Zweigpraxen investiert werden möchte?
Im Übrigen kann theoretisch jede Hausarztpraxis schon jetzt eine Zweigpraxis eröffnen. Voraussetzung ist ein entsprechendes Interesse, eine gewisse Eigeninitiative sowie die Bereitschaft zum finanziellen Engagement der jeweiligen Gemeinde, denn eine Praxis im Dorf ist schon lange nicht mehr zum Nulltarif zu haben. Für die Versorgungssicherheit der ländlichen Bevölkerung wäre dies aus meiner Sicht die sinnvollere Variante. Der ursprüngliche Hausarztcharakter bliebe bewahrt: eine kontinuierliche vertrauensvolle Arzt-Patientenbeziehung, eine nicht zu unterschätzende Kenntnis der familiären Strukturen sowie Hausbesuche für die älteren oder bedingt mobilen Patientinnen und Patienten.
Und mal ehrlich Herr Hanke: Welche im MVZ Stockach in Teilzeit angestellten Hausärztinnen und Hausärzte würden regelmäßige Hausbesuche in den dörflichen Pflegeheimen leisten?
Manuela Zimmermann, angestellte Internistin in einer Hausarztpraxis im Hegau