Ein lautstarker Streit zwischen einer alkoholisierten Mutter und ihrem siebenjährigen Kind hat am Samstag, 19. April, am Stockacher Bahnhof einen Polizeieinsatz ausgelöst. Die Frau habe die Beamten angegriffen, die sich leicht verletzten, hieß es in der Polizeimeldung. Das Kind wurde vorübergehend vom Jugendamt in Obhut genommen. Doch was steckt dahinter, wenn das Jugendamt eingreift – und wie geht es für betroffene Familien weiter?

Wenn das Kindeswohl in Gefahr ist

„Eine Inobhutnahme ist möglich, wenn das Wohl eines Kindes oder Jugendlichen akut gefährdet ist oder wenn das Kind selbst um Obhut bittet“, sagt Marlene Pellhammer, Pressesprecherin des Landratsamts Konstanz. Dabei handle es sich um ein wichtiges, aber immer letztes Mittel.

Entscheidend sei eine ernsthafte Gefährdung oder ein glaubwürdig geschildertes Schutzbedürfnis des Kindes. „Es kommt zudem auch zu einer vorläufigen Inobhutnahme, wenn unbegleitete Minderjährige nach Deutschland einreisen“, ergänzt die Pressesprecherin.

Marlene Pellhammer ist seit dem 1. Januar 2020 Pressesprecherin des Landratsamts Konstanz.
Marlene Pellhammer ist seit dem 1. Januar 2020 Pressesprecherin des Landratsamts Konstanz. | Bild: Landratsamt Konstanz

Im Jahr 2025 wurden bislang 16 Kinder und Jugendliche in Obhut genommen. 2024 waren es insgesamt 106, davon waren 65 unbegleitete Minderjährige aus dem Ausland. Auch in den Jahren 2023 und 2022 lag die Zahl der Inobhutnahmen mit 183 und 178 relativ hoch. Dies sei auf den Anstieg an vorläufigen Inobhutnahmen von ausländischen Kindern und Jugendlichen nach unbegleiteter Einreise zurückzuführen (121 und 130). In den Jahren 2021 und 2022 waren es 68 und 60 Kinder und Jugendliche.

Bauchgefühl entscheidet bei Polizeibeamten

„Man hat auch immer so ein Bauchgefühl“, sagt Pressesprecherin Katrin Rosenthal des Polizeipräsidiums Konstanz auf die Frage, wie Polizisten entscheiden, ob sie das Jugendamt einschalten. Streitereien zwischen Eltern und Kind seien normal. Aber bei Gewalt werde direkt das Jugendamt kontaktiert.

Allgemein gelte, dass auch frühere Einsätze bei einer Familie für die Entscheidung ausschlaggebend seien. „Da schaltet man das Jugendamt schneller ein“, sagt Katrin Rosenthal. Im Zweifel sei es aber lieber einmal früher als zu spät. Zum laufenden Fall, bei dem das siebenjährige Kind vorübergehend in Obhut genommen wurde, gibt die Polizei keine Auskunft zu Details.

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Erstes Gespräch noch am selben Tag

Wird das Jugendamt durch Polizei, Schule oder Dritte alarmiert, werde zunächst geprüft, ob eine Inobhutnahme notwendig ist. „Liegen die Voraussetzungen vor, wird das Kind unverzüglich untergebracht“, erklärt Marlene Pellhammer. Möglich sei eine Unterbringung in einer Bereitschaftspflegefamilie, in einer Inobhutnahmegruppe oder bei einer Person, die dem Kind nahesteht.

Gleichzeitig werden die Eltern informiert. „In der Regel findet noch am selben Tag ein Gespräch statt, um die Situation und die weitere Perspektive zu klären.“

Bereitschaft der Eltern zur Zusammenarbeit

Wie lange ein Kind in Obhut bleibt, hängt vom Einzelfall ab. „So lange wie nötig, so kurz wie möglich“, sagt Marlene Pellhammer. Sobald das Kindeswohl in der eigenen Familie gesichert ist, sei eine Rückkehr möglich. Entscheidend sei auch, wie kooperativ sich Eltern zeigen.

Das Amt für Kinder, Jugend und Familie befindet sich in der Otto-Blesch-Straße 49/51 in Radolfzell.
Das Amt für Kinder, Jugend und Familie befindet sich in der Otto-Blesch-Straße 49/51 in Radolfzell. | Bild: Sandra Bonitz

Stimmen die Eltern einer Inobhutnahme nicht zu, wird das Familiengericht eingeschaltet. Ebenso, wenn eine akute Kindeswohlgefährdung besteht, die nicht durch Zusammenarbeit mit den Eltern abgewendet werden kann, erklärt die Pressesprecherin. Denn nur das Gericht kann in das Sorgerecht eingreifen.

Wann eine dauerhafte Unterbringung notwendig ist

Eine dauerhafte Unterbringung ist dann notwendig, wenn der Schutz oder die Entwicklung eines Kindes langfristig nicht sichergestellt werden können. Gründe können laut Marlene Pellhammer eine unzureichende Versorgung, mangelnde Förderung, eingeschränkte Erziehungskompetenz oder Auffälligkeiten im Sozialverhalten des Kindes sein.

Gespräche mit Kind und Eltern, Hausbesuche und der Austausch beteiligter Institutionen entscheiden, ob ein Kind zukünftig in einer Pflegefamilie oder einer stationären Jugendhilfeeinrichtung unterkommt.

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