Endlich wieder Schätzele-Markt, endlich wieder Rummelplatz – und endlich wieder Festzelt. Und damit auch endlich wieder eine politische Kundgebung auf dem Schätzele-Markt, der in den vergangenen beiden Jahren wegen der Corona-Pandemie ausgefallen war. Bei dieser Ausgabe, der 732., war davon praktisch nichts mehr zu spüren.

Draußen Rummel, drinnen Politik – so ist es Tradition beim Schätzele-Markt. Gastredner in diesem Jahr war Georg Maier, Innenminister von Thüringen und SPD-Mitglied. Ein Mensch, der geübt in öffentlichen Auftritten ist. Doch er sei schon ein wenig nervös, gab Maier auf der Bühne zu. Aufgewachsen ist er in Steißlingen, das Abitur hat er in Singen absolviert. Familienmitglieder sind im Publikum, allein zwei Tische im Festzelt sind für Besucher aus der Heimatgemeinde reserviert.
Unter ihnen ist auch Georg Maiers Bruder Andreas, Feuerwehrkommandant in Steißlingen. Stolz sei er schon auf seinen Bruder, sagt er am Rande der Veranstaltung. Und: „Ich weiß, welche Verantwortung er trägt, das ist nicht einfach.“ In einer CDU-angehauchten Familie sei sein Bruder Georg in die SPD eingetreten. Diskussionen in der Familie habe das nicht gegeben. Georg Maier selbst erinnert sich in seinem Vortrag aber an eine Situation, in der seine Mutter gesagt habe, was denn die Leute im Dorf wohl davon halten sollten.
Als politische Botschaft brachte Maier in seiner Rede, die weitgehend ohne provokante Spitzen blieb, vor allem eines mit: „Es muss mehr Bemühungen um Gerechtigkeit in diesem Land geben.“ Seine eigenen Berufskollegen schonte er, der als Quereinsteiger in die Politik kam, dabei nicht. Man brauche gute Politik, die bei der Lebenswirklichkeit der Menschen beginne: „Weniger Twitter, mehr Schätzele-Markt, mehr Gespräche mit den Bürgern.“ Für Sätze wie diese gab es Szenenapplaus über dem Festzeltgemurmel.
Gastredner bringt Verhältnis von Ost- und Westdeutschland ins Spiel
Maier nutzte auch die Gelegenheit, ein Thema zu platzieren, das hierzulande nicht so sehr präsent ist, wie er nach der Veranstaltung sagte: das Verhältnis zwischen West- und Ostdeutschland. 22 Prozent der Westdeutschen seien seit der Wende – die immerhin 32 Jahre her ist – noch nie in den östlichen Bundesländern gewesen. „Das ist ein Unding“, sagte Maier ins Festzelt.
In schwierigen Zeiten wie diesen müsse man sich besser verstehen und zusammenhalten – vor allem angesichts der Tatsache, dass genügend Leute das Land auseinanderdividieren wollen. In Thüringen habe er es mit der AfD im Landtag zu tun, die dort 19 von 90 Sitzen hält, mit einem Demagogen wie Björn Höcke, der im Thüringer Landtag AfD-Fraktionsvorsitzender ist, oder mit den sogenannten Montagsspaziergängen.
Maier kommt zu dem Schluss: „Das Abgehängtsein ist für die Menschen im Osten zum Lebensgefühl geworden.“ Es brauche in der Krisenzeit Solidarität. Dazu gehört für ihn eine Übergewinnsteuer zugunsten derer, die unter der Krise leiden. Und die Verteidigung westlicher Werte im Ukraine-Krieg.
Wie kam das im Zelt an? Jennifer Maier, Ortsvorsteherin von Watterdingen, sagte, es habe ihr gut gefallen. Und Lina Seitzl, für den Landkreis Konstanz und die SPD im Bundestag, fand es gut, dass Maier auf das Verhältnis zwischen West und Ost eingegangen ist. Berichte über Konfrontationen kennt sie aus ihrer Arbeit als Parlamentarierin.
Marian Schreier: Bürger erwarten, dass das Land funktioniert
Für Marian Schreier war es die Abschiedsvorstellung als Tengens Bürgermeister beim Schätzele-Markt. Er hat bekannt gegeben, im März 2023 nicht erneut für das Amt anzutreten. In seiner Begrüßung am Samstag zeigte er sich bestens aufgelegt und zog die großen politischen Linien. Wenn Umfragen zeigen würden, dass das Vertrauen in die Demokratie sinke, mache das zwar auch ihm Sorgen. Aber: „Das ist vor allem ein Auftrag an die politisch Handelnden, die Dinge zu ändern.“ Die Bürger würden einfach nur ein Land erwarten, das funktioniert.

In Deutschland gebe es aber ein Umsetzungs- und ein Verantwortungsproblem. Würde der Windkraftausbau im jetzigen Tempo weitergehen, habe man 1000 neue Windräder in 40 Jahren – nicht in einer Legislaturperiode, wie es die grün-schwarze Regierung sich vorgenommen hat. Und die Zuständigkeiten seien in Deutschland schlechter geordnet als die Abwehr des VfB Stuttgart, so eine von Schreiers rhetorischen Spitzen.
Beim Bürgermeister ist auch Wehmut dabei
Wehmut sei bei seinem letzten Auftritt als Bürgermeister beim Schätzele-Markt auch dabei gewesen, sagte Schreier nach der Veranstaltung. Doch als Gast könne man ja auch wiederkommen. Und er hob hervor, wie schön der Markt nach der zweijährigen Pause nun wieder sei – zumal die ganze Großveranstaltung von etwa 300 Helfern ehrenamtlich gestemmt wird.

Beim abschließenden Rundgang über die Gewerbeschau zeigte sich der Vorsitzende des Gewerbevereins Edwin Keller stolz auf die Mitglieder. Und Georg Maier präsentierte sich als das, was er auf der Bühne gefordert hat: als Politiker, der zuhört und Gespräche mit den Bürgern, in diesem Fall Gewerbetreibenden, führt. Weniger Twitter, mehr Schätzele-Markt eben.