Es riecht nach frühem Morgen. Die Müdigkeit steckt noch in den Knochen. In der Luft surrt es leise. Die Drohne hat sich auf den Weg gemacht und sucht die fast 15 Fußballfelder große Fläche von Landwirt Rafael Brütsch bei Tengen-Büßlingen nach Rehkitzen ab. Zum Ende des Einsatzes haben Anna Katharina Aardeck und Nico Ninov mit ihren Drohnen 22 Rehkitze gefunden. Nun kann der Landwirt mit gutem Gefühl seine Wiese mähen – ohne dass er befürchten muss, dabei ein Rehkitz zu verletzen oder zu töten.
Unterstützt wurde der Landwirt aus dem schweizerischen Barzheim von fünf Jägern der Büßlinger Jagdgemeinschaft. Jäger Josef Ritzi berichtet: „Ich finde es bemerkenswert, dass ein Landwirt auf eigene Kosten Drohnen organisiert und nach Rehkitzen sucht. Damit bewahrt er sie vor dem sicheren Mähtod.“

Drohnenaufklärung ist effizient
Tengens Revierförster Tobias Müller äußert sich auf Nachfrage über den Einsatz von Drohnen: „Verglichen mit dem systematischen Ablaufen von Wiesen mit vielen Helfern und Hunden ist die Drohnenaufklärung deutlich effizienter.“ Die Tagesflächenleistung der heutigen Mähtechnik liege jedoch deutlich höher. So können in der Regel auch mit Drohneneinsatz nur die Wiesen in Waldrandnähe abgesucht werden, weist Müller auf das Verhältnis von Flächen und für den Einsatz verfügbaren Drohnen hin.

Eine Nachfrage bei der Rehrettung Hegau Bodensee durch den SÜDKURIER hat gezeigt, dass die Nachfrage nach solchen Rettungsaktionen stetig steigt. Eine Schwierigkeit bestehe darin, dass wetterbedingt viele Landwirte zeitgleich mit ihren Traktoren im Einsatz sind – also auch zeitgleich Unterstützung von den Rehrettern benötigen.
„Wir können die Nachfrage in unserem Landkreis gar nicht mehr decken“, erläutert Barbara Schmidle. Sie ist erste Vorsitzende der Rehrettung Hegau-Bodensee mit Sitz in Radolfzell und hat diesen im Jahr 2015 gegründet. Der Verein würde auch eng mit der Landesjagdschule zusammenarbeiten und Rehkitzretter ausbilden. Der dazu notwendige Drohnenführerschein könne inzwischen online beim Luftfahrtbundesamt gemacht werden, so Schmidle.

Rehkitze flüchten anfangs nicht vor Traktoren
Jedes Jahr werden zahlreiche Rehkitze von großen Mähwerken verletzt oder getötet. Je nach Quelle werden verschiedene Zahlen genannt, meist liegen sie bei rund 100.000 Rehkitzen. Schmidle geht davon aus, dass es eine hohe Dunkelziffer gibt. Denn es werde keine offizielle Statistik geführt. Sie betont: „Vom Traktor aus kann man das Kitz unmöglich erkennen.“ Es sei gut getarnt.
Der Instinkt veranlasse die Rehkitze zudem dazu, sich in den ersten beiden Lebenswochen bei Gefahr an den Boden zu drücken. Rehkitze würden in dieser Zeit also nicht wegrennen, wenn sich ein Traktor nähert.
„Die Suche per Drohne und Wärmebildkamera ist die Beste und Effektivste“, ist sich Barbara Schmidle sicher. Es gebe zunächst immer eine gewisse Hemmschwelle gegenüber der neuen Drohnentechnik. Wo immer die Rehrettung Hegau Bodensee aber eingeladen werde, sei spürbar, dass die Leute offen dafür seien.
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