Angesichts der angespannten Corona-Lage, sieht sich der Landkreis zu weiteren Einschränkungen gezwungen. Die befürchtete Ausgangsbeschränkung kommt aber nicht. Zumindest noch nicht. „Wir sehen die Ausgangsbeschränkung in der Nacht als absolute Ultima Ratio“, sagte Landrätin Stefanie Bürkle in einer Pressekonferenz gestern. Der Bürger habe es selbst in der Hand, wie es weitergehe. Sie appellierte an die Bürger, sich an die Kontaktbeschränkungen zu halten und sich testen zu lassen.
Betroffene Kindergärten und Schulen bleiben zu
Als sofortige Maßnahme wurden acht Kindergärten und acht Schulen im Landkreis geschlossen. Geschlossen sind alle Kindergärten, in denen sich ein Kind oder ein Mitarbeiter seit dem 19. März infiziert hat. Sie sollen ab Montag für 14 Tage komplett geschlossen bleiben. „In Kindergärten lässt sich trotz aller Anstrengungen, Gruppentrennungen und Hygienemaßnahmen nur schwer verhindern, dass das Virus weitergegeben wird. Für Kinder in diesem Alter ist es schwer, sich an die erforderlichen Abstände zu halten“, berichtet Dr. Susanne Haag-Milz, Leiterin des Gesundheitsamtes. Bei Schulkindern sei es einfacher, sie auf die notwendige Hygiene hinzuweisen. Problematisch sei, dass viele Kinder keine Symptome zeigen.
Wechselunterricht in betroffenen Schulen
Als zweite Maßnahme soll in allen Schulen, in denen seit 19. März Infektionen aufgetreten sind, ab Montag bis zum 19. April Wechselunterricht stattfinden, damit im Falle von Infektionen weniger Schüler und Lehrer betroffen sind. Welche Einrichtungen das sind, wollte die Behörde nicht bekannt geben. Die Entscheidung sei nicht einfach gefallen, erklärte Stefanie Bürkle. Der Verwaltungsstab habe sich am Freitagvormittag ausgetauscht, und auch alle Bürgermeister hätten sich über die Maßnahmen beraten. Im Verwaltungsstab sind Vertreter der Ärzteschaft, Kliniken, Kommunen, der Polizei, der Rettungsdienste und der Bundeswehr vertreten.
Weitere Einschnitte für Einzelhandel und Supermärkte
Weil das Infektionsgeschehen aber im gesamten Landkreis sehr diffus und hoch sei, wurde auch der Einzelhandel weiter beschränkt. Geschäfte des täglichen Bedarfs, deren Betrieb laut Corona-Verordnung gestattet ist, müssen die Kunden auf eine Person pro 20 Quadratmeter Verkaufsfläche beschränken, auch Supermärkte. Die Regelung gilt ab Montag. Bis dato waren pro Kunde nur zehn Quadratmeter Fläche vorgesehen, wobei der Landkreis sich bereits in der Notbremse befindet. Diese Regelung soll bis 18. April gelten.
Krankenhäuser fahren Normalbetrieb runter
Dass die Lage ernst ist, machte auch Jan-Ove Faust, Geschäftsführer der SRH-Kliniken im Landkreis Sigmaringen, deutlich: „Von 14 Intensivbetten sind vier Betten mit Corona-Patienten belegt“. Man gehe davon aus, dass sich die Lage zuspitzen wird: „Wir haben ein deutlich schärferes Geschehen als noch in der vergangenen Woche“, sagte Faust. Bei allen stationär behandelten Corona-Patienten sei die britische Mutation nachgewiesen. Zudem sei zu beobachten, dass die Patienten immer jünger werden.
Ausgangsbeschränkung ist aber nicht vom Tisch
„Mit diesen zielgerichteten Maßnahmen wollen wir es schaffen, das Infektionsgeschehen genau dort zu bremsen, wo aktuell die meisten Ansteckungen stattfinden“, fasst Landrätin Stefanie Bürkle zusammen. Sollten diese Maßnahmen nicht ausreichen, müssten weitere Einschränkungen folgen. Konkret soll in der kommenden Woche geprüft werden, ob eine nächtliche Ausgangssperre notwendig wird. „Wir appellieren an die Menschen, sich testen zu lassen und sich an die Kontaktbeschränkungen zu halten“, betonte Bürkle.
Doris Schröter: „Dramatische Entwicklung der Zahlen“
„Wir wollen bewusst nicht den großen Hammer holen“, ergänzte auch Susanne Haag-Milz. Derzeit darf sich im Landkreis jeder Haushalt mit einer weiteren Person treffen. Angesichts der Frühlingstemperaturen sei es verständlich, dass die Menschen raus wollen, aber das Virus sei präsent, so Bürkle. Dies berichtete auch Doris Schröter, Bürgermeisterin in Bad Saulgau. „Wir nehmen das sehr sehr ernst. Es ist eine dramatische Entwicklung der Zahlen“, sagte Schröter. Bad Saulgau ist mit 122 infizierten Bürgern die Kommune, die am stärksten betroffen ist.
Kommunen wollen Öffnungsstrategie entwickeln
Trotzdem wolle man auch an Lockerungen denken, betonte Schröter. „Zur Zeit denken wir überhaupt nicht an Öffnungen, wir möchten aber gerüstet sein“, so Schröter. Stefan Bubeck, Bürgermeister in Mengen, fand noch drastischere Worte: „Die Menschen lassen sich nicht länger einsperren. Wir brauchen Perspektiven“. Das Testangebot werde bislang nicht ausgereizt, kritisierte Bubeck. Nur ein Prozent der Bevölkerung würde in Mengen das Testangebot annehmen. Mutmaßlich aus der Sorge heraus, dann in Quarantäne zu müssen. Dabei habe ein negativer Test auch einen Wert, so Bubeck. Sollte sich die Lage im Kreis Sigmaringen verbessern, könnten die Bürger mit negativem Test dann auch wieder ins Kino gehen. Deshalb wollen alle 25 Bürgermeister ab der nächsten Woche ein Konzept entwickeln, das sich am Tübinger Modell orientiert. „Wir brauchen jetzt Lösungen. Was die Regierungen nicht hinbekommen haben, kriegen wir Kommunen hin“, sagte Bubeck.