Vor exakt zehn Jahren wurde die Graf-Stauffenberg-Kaserne geschlossen. Für die Kreisstadt ein herber Verlust, nachdem jahrzehntelang Soldaten in Uniform das Stadtbild geprägt und Sigmaringen als Garnisonsstadt die 10. Panzerdivision beherbergt hatten. Niemand konnte damals ahnen, dass kurze Zeit später das Leben in der Graf-Stauffenberg-Kaserne wieder pulsieren würde. Die Flüchtlingswelle mit hunderttausenden Menschen rollte an und der Bund, als Eigentümerin des 216 Hektar großen Areals, stellte dem Land einen Teil der Kaserne zur Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung. Was zunächst ein Provisorium war, wurde dann vom Land als Landeserstaufnahmeeinrichtung (Lea) ausgewiesen. In Hochzeiten waren in Sigmaringen mehr als 2300 Flüchtlinge untergebracht, wobei sich die Zahl derzeit bei 400 bis 500 Personen eingependelt hat.

Vertrag mit Land hat entscheidenden Fehler

Die Höchstzahl von Flüchtlingen für die Lea ist nach Angaben von Bürgermeister Marcus Ehm vertraglich auf 875 Personen festgeschrieben, wie Bürgermeister Dr. Marcus Ehm im Gespräch mit dem SÜDKURIER erläutert. In dem Vertrag fehlt nach seinen Angaben ein entscheidender Passus, nämlich ein Mitspracherecht der Kommune bezüglich der möglichen Nutzungsdauer der Lea, verbunden mit einem mittelfristigen Ausstiegsszenario.

Die Gesamtfläche der Graf-Stauffenberg-Kaserne Sigmaringen umfasste 216 Hektar, von denen sich noch 164 Hektar im Besitz des Bundes ...
Die Gesamtfläche der Graf-Stauffenberg-Kaserne Sigmaringen umfasste 216 Hektar, von denen sich noch 164 Hektar im Besitz des Bundes befinden. | Bild: Plessing/FlugundBild

Bekanntlich gab es in Sigmaringen aufgrund der enormen Zahl an Flüchtlingen zunehmend Proteste, auch aufgrund steigender Kriminalität, verursacht von einem kleinen Prozentsatz der Flüchtlinge, wie Ehm betont. So wich auch in Sigmaringen, wie in ganz Deutschland, die anfängliche Willkommenskultur zunehmend einer skeptisch-kritischen bis ablehnenden Haltung. Und für seine Mitbürger ist die Lea immer noch ein beherrschendes Thema, weiß der Bürgermeister und stellt die klare Forderung, dass nach einem Jahrzehnt Lea nun andere die Verantwortung übernehmen müssten.

Areal soll wieder militärisch genutzt werden

Für das flächenmäßig geschrumpfte Areal bemüht sich Ehm seit etlichen Monaten, die Politik davon zu überzeugen, die ehemalige Graf-Stauffenberg-Kaserne wieder einer militärischen Nutzung zuzuführen.

Diese Reaktivierung sei kurzfristig möglich, zumal die Infrastruktur – mit Standortschießanlage, Standortübungsplatz, direkter Zufahrt zum Bahnhof Hanfertal, dem erst kürzlich geschlossenen Standortsanitätszentrum nach wie vor vorhanden sei. Dazu komme der 15 Kilometer entfernte Flugplatz Mengen, wo bekanntlich Transall-Maschinen starten und landen können. „Vor allem aber würden die Bürgerinnen und Bürger in unserer Stadt es sehr begrüßen, wenn Soldatinnen und Soldaten in Sigmaringen bald wieder eine Heimat finden“, sagt Marcus Ehm, der ein absolut positives Bundeswehrbild hat.

Heimatschutzkompanie oder aktive Truppe

Dabei ist es für Ehm nicht entscheidend, ob es sich um Einheiten der aktiven Truppe, etwa eine Ausbildungskompanie handelt oder Angehörige der neuen Heimatschutzkompanie in Sigmaringen eine neue Heimat finden.

Der Kampfpanzer vom Typ Leopard 1 A4 war einst in der Graf-Stauffenberg-Kaserne zuhause, denn in Sigmaringen hatte die 10. ...
Der Kampfpanzer vom Typ Leopard 1 A4 war einst in der Graf-Stauffenberg-Kaserne zuhause, denn in Sigmaringen hatte die 10. Panzerdivision ihren Sitz, bis der Bundeswehrstandort 2015 geschlossen wurde. | Bild: Tobias Kleinschmidt

Hier kann sich der Bürgermeister vorstellen, dass die Graf-Stauffenberg-Kaserne künftig für Baden-Württemberg den Regimentsstab der neuen Heimatschutzdivision beherbergt, der in jedem Bundesland einen Standort haben soll. Und in Zeiten, in denen die Landesverteidigung wieder an erster Stelle steht, hat die ehemalige Kaserne einen weiteren Vorteil – es gibt ein weitläufiges Bunkersystem.

Gemeinderat erteilt Bürgermeister Auftrag für Gespräche

Die Idee, die Graf-Stauffenberg-Kaserne militärisch zu reaktivieren, fand im Gemeinderat von Sigmaringen eine breite Zustimmung, und das Gremium beauftragte Marcus Ehm, sich mit den zuständigen Stellen, Behörden und Institutionen in Verbindung zu setzen. Etliche Briefe, unter anderem an das Verteidigungsministerium, das Innenministerium bis hin zum Landeskommando Baden-Württemberg, hat Ehm verschickt, mit dem Angebot, in Sigmaringen die Bundeswehr wieder heimisch werden zu lassen. Nun nutzt der Sigmaringer Rathauschef jede Gelegenheit, um auf das Anliegen der Kreisstadt aufmerksam zu machen und Mitstreiter zu gewinnen.

Unterstützung von Landtags- und Bundestagsabgeordneten

Der Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß begutachtete mit Sigmaringens Bürgermeister Dr. Marcus Ehm und dem Sigmaringer ...
Der Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß begutachtete mit Sigmaringens Bürgermeister Dr. Marcus Ehm und dem Sigmaringer CDU-Stadtverbandsvorsitzenden Sarjoscha Marquardt die ehemalige Graf-Stauffenberg-Kaserne. | Bild: Jan Scheibe

Einen solchen fand er jüngst in Thomas Bareiß. Der direkt gewählte CDU-Bundestagsabgeordnete stattete im Rahmen seiner 21. Sommertour Sigmaringen einen Besuch ab und versprach, nach der parlamentarischen Sommerpause in Berlin mit den verantwortlichen Stellen Gespräche zu führen und für den Standort Sigmaringen aktiv zu werben. Auch der CDU-Landtagsabgeordnete Klaus Burger schließt sich dem Wunsch an, dass die Graf-Stauffenberg-Kaserne wieder zur Heimat von Soldatinnen und Soldaten wird, allerdings für die Angehörigen der Heimatschutzdivision. In diesem Zusammenhang nennt er als zweiten Wunsch, dass die Landeserstaufnahme nach zehn Jahren in Sigmaringen gleichfalls eine neue Heimat finden möge. „Sigmaringen war immer guter Gastgeber für die Bundeswehr, die Soldaten gehörten fest zum Stadtbild. Und diesen Zustand möchten wir gerne wieder herstellen“, ergänzt Burger, dass er als Wehrpflichtiger vor Jahrzehnten in der Graf-Stauffenberg-Kaserne stationiert war.