Wegen Vergewaltigung hat das Schöffengericht des Amtsgerichts Sigmaringen einen 27-Jährigen zu einer Gefängnisstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt. Die Vorsitzende Richterin Kristina Selig sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte einen damals 25-jährigen Behinderten auf übelste Weise missbraucht hatte. Der Haftbefehl wurde weiter aufrecht erhalten, allerdings für eine Woche außer Vollzug gesetzt. Solange hat der Verurteilte und seine ihm beigeordnete Pflichtverteidigerin Sina Boss Zeit in Revision zu gehen. Bis dahin muss er sich dreimal in der Woche bei der Polizeibehörde melden.
Unter Vorwand in die Wohnung gelockt
Behandelt wurde vor dem Schöffengericht in der nunmehr dritten, über sieben Stunden andauernden Verhandlung der Tatbestand, dass der Mann gegenüber einem Behinderten brutal übergriffig geworden war. Er hatte ihn unter dem Vorwand eines beabsichtigten Fahrradverkaufs in seine Wohnung gelockt, die sodann verschlossen, um sich an dem Geschädigten „leicht und unkompliziert homosexuell zu befriedigen“, wie es der Staatsanwalt in seiner Anklageschrift festhielt.
Zeugen erhellen den Vorgang
Hierbei kamen weitere Zeugen zu Wort. Ein 27-jähriger Polizeihauptmeister hatte die erste Vernehmung des Geschädigten am 13. November 2020 nach dessen Anzeige geführt. Allerdings war der protokollierte Inhalt wenig aussagegetreu zumeist aus Sicht des Polizisten formuliert. Diese Diskrepanz prangerte die Verteidigerin des Angeklagten energisch an. Die zweite Vernehmung, die elf Tage später ein erfahrener 58-jährigen Kriminaloberkommissar im Beisein eines Sachverständigen vornahm, fiel merklich detaillierter aus. Ein vorgeladener 42-jähriger Kriminalhauptkommissar aus Ravensburg als weiterer Ermittlungsbeamter, durchsuchte mit sechs Beamten die Wohnung des Angeklagten. Er war für dessen Festnahme zuständig und ließ bei der Vorführung des Angeklagten dessen Haftfähigkeit überprüfen. Er sagte vor Gericht aus, der seit sieben Jahren in Deutschland lebende 27-Jährige – im Gerichtssaal saß ihm eine Dolmetscherin bei – hätte ein „sprunghaftes Verhalten“ gezeigt und von seiner Gestik eher ablehnend auf seine Verhaftung reagiert.
Ein von seiner Schweigepflicht entbundener Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie diagnostizierte dem Opfer eine „mittelbare Intelligenzminderung“. Ein 54-jähriger Heilpädagoge, der nach der Tatnacht im Heim seinen Dienst versah, äußerte sich erneut im Zeugenstand im Hinblick auf die Körperhygiene des Geschädigten, die „stimmungs- und phasenabhängig“ sei. Wochenlang trage dieser die gleiche Kleidung.
Öffentlichkeit zeitweise ausgeschlossen
Zur Vernehmung des Geschädigten und zu den Plädoyers des Staatsanwalts Markus Engel und der Verteidigerin des Angeklagten war die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Dabei wurden Vergewaltigungsdetails durchaus über einen Sachverständigen offenbar, der den Geschädigten begutachtete. Dieser hatte im persönlichen Kontakt zum 25-Jährigen seine Hypothesen zur Wahrhaftigkeit oder Lügenfähigkeit des Geschädigten dargestellt. Er attestierte dem Behinderten eine kognitive Beeinträchtigung, er sei gering leistungsfähig und wenig flexibel. Auf Überforderung reagiere er gestresst.
Opfer ein „ehrlicher Mensch“
Für die Richterin sprachen die Aussagen des Behinderten bei der Polizei und die des Sachverständigen und Heilpädagogen für sich, er sei ein „ehrlicher Mensch“, unterliege aber sprachlich erheblichen Einschränkungen und sei bei der Vergewaltigung unter „Schockstarre“ gestanden. Sein Detailwissen belege, wer Täter und Opfer gewesen sei. Zudem wurden DNA-Spuren des Angeklagten beim Geschädigten festgestellt. Das Schöffengericht habe auch die vielen Straftaten des Angeklagten bewertet, die letzte lag erst zwei Monate zurück. Er trägt die Kosten des Verfahrens und die der Nebenanklage.