Christine Braun

Der Biber galt vielerorts als wertvolle Beute und wurde so lange gejagt, bis er 1846 auch in Baden-Württemberg ausstarb. Seit den 1970er-Jahren kehrt er auf natürlichem Weg zurück und ist deshalb gemäß Bundesnaturschutzgesetz eine „besonders und streng geschützte Art“. Das bedeutet: Es ist verboten, den Biber zu fangen, ihn zu töten, zu verletzen oder seine Bauten zu beschädigen oder zu zerstören.

Dagegen ist aus Sicht des Arten- und Naturschutzes nichts einzuwenden, denn der Biber trägt durch seine Aktivitäten zu einer höheren Vielfalt von Pflanzen und Tieren bei, renaturiert Gewässer und vernetzt Biotope. Doch die Rückkehr des Bibers sorgt für erhebliche Konflikte – auch in Meßkirch und Sauldorf.

Vor zehn Jahren erste Spuren

„Unsere Bauhofmitarbeiter sind zweimal pro Woche im Einsatz, um dafür zu sorgen, dass der Biber die öffentliche Sicherheit nicht gefährdet“, sagt Sauldorfs Bürgermeister Wolfgang Sigrist. In der Gemeinde waren vor zehn Jahren erste Biberspuren am Hochwasserrückhaltebecken in Rast sichtbar. Seither werde es von Jahr zu Jahr mehr, mittlerweile sei der Biber an allen Gewässern aktiv und der zeitliche und personelle Aufwand sehr hoch. „Wir tragen in Absprache mit dem Biberbeauftragten Dämme ab, um Überschwemmungen zu verhindern, bringen einen Verbissschutz an Bäumen an, verlegen Drahtgitter, um Wegeunterhöhlungen vorzubeugen oder reparieren Wege, die durch Unterhöhlungen bereits eingebrochen sind“, zählt Bauhof-Mitarbeiter Eduard Schober auf.

Sauldorfs Bürgermeister Wolfgang Sigrist (links) und Bauhofleiter Eduard Schober kennen die Stellen, an denen der Biber besonders aktiv ...
Sauldorfs Bürgermeister Wolfgang Sigrist (links) und Bauhofleiter Eduard Schober kennen die Stellen, an denen der Biber besonders aktiv ist, wie hier an der Ablach. | Bild: Braun, Christine

2019 habe es durch Unterhöhlung einen Sachschaden an einem landwirtschaftlichen Gerät gegeben. Für die Gemeinde Sauldorf entsteht durch diese Maßnahmen ein Kostenaufwand von über 50 000 Euro pro Jahr. Bürgermeister Sigrist fordert eine finanzielle Unterstützung des Landes sowie die Umsiedlung des Bibers in Bereichen, wo die öffentliche Sicherheit gefährdet ist.

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Mit den gleichen Auswirkungen ist der Biber auch in Meßkirch und den Teilgemeinden aktiv. Laut Stadtbauamt sind zum Beispiel der Mettenbach, die Ablach und der Heudorfer Dorfbach besiedelt. Im Sassenage-Garten im Bereich des Spielplatzes „steigt die Gefahr des Ertrinkens durch den aufgestauten Bachlauf“, teilt Stadtbauamtsleiter Stephan Frickinger mit. In Abstimmung mit dem Biberbeauftragten erfolge in solchen gefährdeten Bereichen der Rückbau von Dämmen.

Am Mettenbach im Meßkircher Sassenage-Garten hat der Biber einen Damm gebaut. Das angestauten Wassers ist für spielende Kinder nicht ...
Am Mettenbach im Meßkircher Sassenage-Garten hat der Biber einen Damm gebaut. Das angestauten Wassers ist für spielende Kinder nicht ungefährlich. | Bild: Braun, Christine

Zu den Maßnahmen gehöre auch die Fällung nicht mehr verkehrssicherer Bäume, unter anderem am Erlenweg zum Schutz der Gebäude. Außerdem müsse von den Bauhof-Mitarbeitern ständig ein Bauwerk der Kläranlage in Heudorf überprüft werden, das durch Rückstau im Dorfbach gefährdet sei. Stephan Frickinger: „Wünschenswert wäre die Behandlung der Ursachen anstelle der situativen, symptomatischen Nachbesserung.“ Denn diese sei auch in Meßkirch mit hohen Kosten verbunden, welche die Stadt trage.

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Die vermehrte Ausbreitung und Aktivität des Bibers beeinträchtigt auch die Landwirtschaft. Landwirte klagen über Ertragsminderung durch Vernässung, Löcher in der Wiese sowie Verbiss an Feldfrüchten. Gleich mehrfach betroffen ist Clemens Spieß, Betreiber der Spießmühle und Ortsvorsteher von Dietershofen/Buffenhofen. Seit fünf Jahren lebt der Biber am Ringgenbach und am Mühlkanal, wo er durch Damm- und Röhrenbau dafür sorgt, dass Wiesen vernässen und nicht mehr nutzbar sind, der Kanal trockenlag und seither die Turbine an der Mühle zur Stromgewinnung nicht mehr funktioniert und die Fische aus dem Fischweiher in den Ringgenbach schwimmen, wodurch Clemens Spieß keine Angelkarten und Fische mehr verkaufen kann.

Biberfreie Zone gefordert

„Der Biberbeauftragte und die untere Naturschutzbehörde sind um Lösungen bemüht, aber für viele Maßnahmen müssen langwierige Anträge gestellt werden. Wesentliche Erfolge bleiben aus“, sagt Spieß. Auch wenn das Material teilweise gestellt werde, bleibe der Arbeitsaufwand an den Betroffenen hängen. „Das ist ein Fass ohne Boden. Die Maßnahmen kosten viel Geld, sind zeitaufwändig und erfüllen nur kurz ihren Zweck. Es muss etwas passieren!“

In Meßkirch und Sauldorf sind Biberspuren nicht mehr zu übersehen, wie hier am Hochwasserrückhaltebecken der Gemeinde Sauldorf in Rast. ...
In Meßkirch und Sauldorf sind Biberspuren nicht mehr zu übersehen, wie hier am Hochwasserrückhaltebecken der Gemeinde Sauldorf in Rast. Auf der Insel befindet sich die Burg dieses Biberreviers. | Bild: Braun, Christine

Mit diesem Aufruf ist er nicht allein, was eine von ihm einberufene Ortschaftsratsitzung Mitte Februar zeigte. Sie hatte den Zweck, Schäden zu dokumentieren, Gefahrenstellen aufzuzeigen und offene Fragen zu notieren. Dort beschloss der Ortschaftsrat die Beantragung einer biberfreien Zone in Dietershofen/Buffenhofen.

„Aktueller Schutzstatus des Bibers ist gerechtfertigt“

Was Gunnar Hornstein, Biberbeauftragter des Regierungspräsidiums Tübingen (Landkreise Zollernalb und Sigmaringen), zu den Forderungen sagt und wie er die weitere Ausbreitung des Bibers in der Region einschätzt, lesen Sie im nachfolgenden Interview.

Wie viele Biberreviere gibt es in Meßkirch und Sauldorf?

Gemäß den 2018 durchgeführten Erhebungen sind auf der Gesamtgemarkung der Stadt Meßkirch 15 Reviere bekannt, auf der Gemarkung Sauldorf 13. Im Landkreis Sigmaringen kann von einer Verfünffachung der Biberpopulation in den vergangenen zehn Jahren ausgegangen werden.

Wie schätzen Sie die Entwicklung ein?

Vor dem Hintergrund, dass der Biber im Landkreis Sigmaringen bereits einen Großteil der potenziell geeigneten Reviere besetzt hat, ist davon auszugehen, dass die dortige Biberpopulation zukünftig ein deutlich geringeres Wachstum verzeichnen wird als in den vergangenen zehn Jahren.

Sind für die Schäden an Infrastruktur und Landwirtschaft sowie für den hohen zeitlichen Aufwand für Gemeinden und Landwirte Entschädigungszahlungen vorgesehen?

Es sind landesweit keine Ausgleichzahlungen für durch den Biber verursachte Schäden sowie für den Durch Biber bedingten Mehraufwand vorgesehen.

Das Bibermanagement des Regierungspräsidiums schlägt Lösungen vor, wie Verbissschutz an Bäumen, Einbau von Metallgittern zum Schutz vor Unterhöhlungen oder die Teilabtragung von Biberdämmen. Wer bezahlt das benötigte Material und wer ist für die Durchführung der Arbeiten zuständig?

Die unteren Naturschutzbehörden stellen Gemeinden, Landwirten und Privatpersonen Materialien für Maßnahmen zur Befriedung von Biberkonflikten auf Leihbasis zur Verfügung. Dazu zählen unter anderem Drahthosen zum Schutz von Gehölzen sowie Biberschutzmatten zum Schutz vor Unterminierung. Die Umsetzung entsprechender Maßnahmen ist Aufgabe des Eigners der betroffenen Fläche und erfolgt immer in Abstimmung mit der unteren Naturschutzbehörden beziehungsweise mit den vor Ort aktiven Akteuren des Biber-Managements.

Die Durchführung der Maßnahmen ist zeit- und kostenintensiv, der Erfolg aber nur von kurzer Dauer. Das frustriert Landwirte und Gemeindemitarbeiter. Welche Maßnahmen gibt es, die langfristig Wirkung zeigen?

Vor dem Hintergrund, dass zirka 90 Prozent aller Biberkonflikte in einem Abstand von maximal zehn Metern zum Ufer auftreten, stellen ausreichend breite, extensiv genutzte Gewässerentwicklungsstreifen die beste Möglichkeit dar, um Biberkonflikte langfristig und nachhaltig zu lösen.

Sind Biberzonen – und dementsprechend biberfreie Zonen – eine Alternative? Wie könnten diese Zonen realisiert werden?

Für die Ausweisung eines besetzten Biberreviers als ‚für den Biber als Lebensraum nicht geeignet‘ muss eine Vielzahl rechtlicher Voraussetzung erfüllt sein. Für jede einzelne Ausweisung ist eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung gemäß Paragraf 45 Absatz 5 Bundesnaturschutzgesetz notwendig, die von der höheren Naturschutzbehörde erteilt werden kann. Im Rahmen der Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung einer solchen Ausnahmegenehmigung wird jeder einzelne Fall vor Ort umfassend geprüft und entsprechend den rechtlichen Voraussetzungen bewertet. Mit Blick auf die angestiegene Biberpopulation ist aber davon auszugehen, dass freiwerdende Biberreviere schnell wiederbesiedelt werden. Ein freigewordenes Biberrevier „biberfrei“ zu halten beziehungsweise es „bibersicher“ zu machen, kann daher mit einem hohem Aufwand verbunden sein.

Der Biber ist nach dem Bundesnaturschutzgesetz eine besonders und streng geschützte Art. Ist dieser besondere Schutzstatus durch die massive Zunahme der Populationen noch gerechtfertigt?

Der Schutzstatus des Bibers bezieht sich auf dessen nationale Population beziehungsweise auf dessen nationalen Erhaltungszustand. Vor diesem Hintergrund ist der aktuelle Schutzstatus gerechtfertigt, auch wenn die Biber-Population in den letzten Jahren lokal beziehungsweise regional zugenommen hat.

Fragen: Christine Braun