Johannes F. Kretschmann, der acht Wochen lang Bundestagsabgeordneter war, war Gast des Grünen Tisches der Meßkircher Stadtratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Der Grüne Tisch, der allen Interessierten offensteht, findet etwa vier- bis fünfmal pro Jahr statt und hat üblicherweise das Geschehen im Meßkircher Stadtrat zum Thema. Seit Helmut Weißhaupt ebenfalls Kreisrat ist, erfährt die Runde zusätzlich Informationen zu dortigen Themen und Entscheidungen. Die Teilnehmenden nutzen diese Gelegenheit, um Fragen zu stellen und ihre eigenen Ideen einzubringen.

Erlebnisreiche Wochen

Anfang des Jahres rückte Johannes F. Kretschmann für die verstorbene Stephanie Aeffner in den Bundestag nach und erlebte dort eine äußerst interessante politische Phase. Zum einen war sie geprägt von den Ergebnissen der Bundestagswahl, die einen Regierungswechsel erfordert, und zum anderen konnte er mit abstimmen, als die CDU mit den Stimmen der AfD einen Antrag zu Migration durchsetzte. „Das war keine erholsame Zeit“, erzählte Johannes F. Kretschmann. Über jede Woche könne er eine eigene Geschichte schreiben, schmunzelt er. „Aber ich habe in diesen acht Wochen alles rausgeholt, was ich rausholen konnte“, so der kurzzeitige Bundestagsabgeordnete.

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Er berichtete davon, wie viele bürokratische Hürden er vorab nehmen musste, um alles zu beantragen und zu erhalten, von digitalen Zugängen bis zu Ausweisen, um an der ersten Sitzungswoche in Berlin teilnehmen zu können. Zum Glück habe er Erfahrung mit den Abläufen durch seine ehemalige Tätigkeit im Büro der Grünen Bundestagsabgeordneten Anja Reinalter.

Jede Stimme zählt

Kretschmann betonte, dass ihm wichtig war, seine Zeit im Bundestag mit möglichst vielen sinnvollen Aktivitäten zu nutzen. Es war ihm ein großes persönliches Anliegen und zugleich Motivation, dass der Bundestag bis zum Regierungswechsel arbeits- und mehrheitsfähig blieb und dadurch alle gefordert waren. Bei der Abstimmung über das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz sei beispielsweise jede Stimme wichtig gewesen.

Rede steht im Internet

Man spürte, dass der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Kreisrat seine erfahrungsreiche Zeit in Berlin genoss und schätzte. „In der Fraktionssitzung habe ich zweimal geschwätzt“, erzählt er, ebenso bei einem weiteren Treffen der Grünen Realos. Der absolute Höhepunkt sei jedoch seine Rede im Bundestag gewesen. „Das war ein magischer Moment“, schwärmte er. Erst 24 Stunden davor habe er erfahren, dass er eine dreiminütige Redezeit übernehmen könne. Er musste dann in kürzester Zeit seine Rede schreiben, für die er viel Lob erhielt. Im Internet ist sie nach wie vor zu sehen. „Ich habe mich niemals überfordert gefühlt“, berichtete er von den erlebnisreichen Wochen, in denen er das Gespräch mit vielen unterschiedlichen Menschen suchte. Sie hätten ihm sogar Lust darauf gemacht, bei der nächsten Bundestagswahl möglicherweise wieder zu kandidieren.

Johannes Kretschmann in Odessa. Die Hafenstadt liegt am Schwarzen Meer im Süden der Ukraine.
Johannes Kretschmann in Odessa. Die Hafenstadt liegt am Schwarzen Meer im Süden der Ukraine. | Bild: Johannes Kretschmann

Doch nicht nur in Berlin war er aktiv. Johannes F. Kretschmann nutzte sein freies Mandat ebenfalls dazu, über Moldawien in die Ukraine einzureisen, um mit möglichst vielen über die Lage vor Ort zu sprechen. Er traf sich mit ungefähr zehn Vertreterinnen und Vertretern von Nichtregierungsorganisationen (NGO). Die Gespräche hätten ihm verdeutlicht, wie wichtig es sei, die Ukraine in der Verteidigung gegen Russland zu unterstützen. Man müsse sich darüber im Klaren sein, dass ein Waffenstillstand nicht gleich Frieden bedeute, denn eine hybride Kriegsführung gehe weiter. In Deutschland gehe alles so langsam, meinte der Sigmaringer Kreisrat. „Wir zaudern“, das seien Eigenschaften, mit denen man den Krieg verliere. „Den Maßstab bildet der, der angreift“, verweist Kretschmann auf Putins Kriegspolitik.

Luftalarm in Odessa

Er berichtete von seiner Nacht in Odessa mit Luftalarm, Einschlägen und Detonationen. Natürlich habe auch er Angst vor einer Eskalation, doch das Ende des Krieges sei nur dann in Sicht, wenn man Russland die Stirn biete. Er ließ nicht unerwähnt, dass der Umgang mit Kriegsführung und Aufrüstung gerade für die Grünen eine große Herausforderung ist.

Die Teilnehmenden des Grünen Tisches interessierten sich dafür, wie der ukrainische Präsident Selenskyj von seiner Bevölkerung gesehen werde und wie die westlich und die östlich orientierten Ukrainer miteinander klarkommen. Ebenso beschäftigte sich die Runde damit, wie mit einer Partei umzugehen ist, die in Teilen rechtsextremistisch ist.

Gegen radikale Kräfte

Rückblickend konstatierte Kretschmann, dass er tolle Reden gehört habe, gerade auch am Holocaust-Gedenktag, und auch zahlreiche interessante Menschen getroffen habe. Kretschmann war stolz darauf, dass die Grünen beim „Milliardenpakt“ mitverhandelt haben. „Wir waren eine richtig gute Kindsmagd beim Milliardenpakt.“ Der neuen Regierung wünschte er ein gutes Gelingen, denn „diese Regierung darf nicht scheitern“, ansonsten würden die radikalen Kräfte erstarken. Sein Fokus richtet sich nun wieder auf die Politik im Landkreis und im Land. „Wir haben hier konkrete wichtige Aufgaben. Darum kümmern wir uns“, erklärte er.