Stefanie Lorenz

Johannes Kretschmann ist der Kandidat von Bündnis 90/Die Grünen im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen bei der Bundestagswahl 2021. Von den 110 Wahlberechtigten bei der Nominierungsveranstaltung am Montagabend in der Meßkircher Stadthalle gaben 64 ihre Stimme für den Sohn von Ministerpräsident Winfried Kretschmann ab. Sein Balinger Konkurrent Thomas Zawalski errang 43 Stimmen; drei Wähler enthielten sich.

Duell zweier sehr unterschiedlicher Kandidaten

„Der Abend verspricht spannend zu werden“, hatte Klaus Harter, Vorsitzender des die Nominierung organisierenden Kreisverbands Sigmaringen, angekündigt – und er sollte Recht behalten. Standen sich doch mit Johannes Kretschmann und Thomas Zawalski zwei Kandidaten gegenüber, wie sie gegensätzlicher kaum sein könnten – sowohl im Wesen, als auch bei den politischen Schwerpunkten.

Der Balinger Kandidat Thomas Zawalski bei seiner Rede.
Der Balinger Kandidat Thomas Zawalski bei seiner Rede. | Bild: Stefanie Lorenz

Auf der einen Seite der engagiert, hoch emotional und teilweise kämpferisch auftretende Kretschmann. Der auch einmal deutliche Worte findet, wenn es um den Flächenverbrauch in Deutschland geht: „Das muss sich ändern, liebe Freundinnen und Freunde, das muss sich verdammt noch mal ändern, weil Fläche begrenzt ist und die Erde nicht nachwächst“. Der unter dem Applaus der Zuhörer vehement einfordert, dass die Grünen bereit sein müssten, das sichere Ufer der eigenen politischen Komfortzone hinter sich zu lassen, wofür man allerdings im Wahlkampf und erst recht im Bundestag einen Kompass brauche, dessen Nadel auch im Finsteren grün leuchte.

Thomas Zawalski fordert Wirtschaftkompetenz für die Partei

Auf der anderen Seite ein unaufgeregt auftretender Thomas Zawalski, der in seiner sachlich gehaltenen Rede auf Fakten, Zahlen und Prognosen setzt, etwa wenn er die OECD-Prognosen zum sinkenden Bruttoinlandsprodukt in Deutschland aufzeigt. „Die Bürger wünschen sich, dass wir Lösungen liefern, wie wir aus der Wirtschaftskrise herauskommen“, begründet er seine These von der Notwendigkeit, dass die Grünen künftig als eine Partei mit Wirtschaftskompetenz wahrgenommen werden, was bisher kaum der Fall sei.

Aufgrund des Frauenstatuts der Partei mussten die schriftlichen Fragen an die Kandidaten in „geschlechtsspezifische Eimer“ ...
Aufgrund des Frauenstatuts der Partei mussten die schriftlichen Fragen an die Kandidaten in „geschlechtsspezifische Eimer“ geworfen werden. Hier die Eimer für die Fragen von Frauen an die Kandidaten. | Bild: Stefanie Lorenz

Zawalski fordert, nicht zu einer Normalität zurückzukehren, in der man für ein kurzes Meeting von Hamburg nach Stuttgart fliege und in der Massentierhaltung zum System gehöre. „Wir brauchen ein neue Normalität“, betont er. Aus der Corona-Krise habe man gelernt, dass man wissenschaftliche Erkenntnisse stärker in das politische Handeln einbringen müsse.

Während Thomas Zawalski sich als „Quereinsteiger ohne Parteikarriere“ vorstellt, der seit Januar 2019 Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen ist, hebt Johannes Kretschmann seine sehr tiefen grünen Wurzeln hervor. „Ich bin Grüner, seit ich denken kann; Mitglied seit 1999“, sagt der 41-Jährige.

Johannes Kretschmann setzt auf Kernthemen der Grünen

Sein Schwerpunkt liegt denn auch auf Kernthemen der Partei, wie der Förderung regenerativer Energien und dem Klimawandel. „Mein Horror: Toter Asphalt, wo guter Wald war, oder Wald, der einmal hätte gut werden können. Nur wegen der überkommenen Ideologie, dass mit Straßen Fortschritt Einzug hielte“, so sein emotionaler Einstieg bei seiner Rede.

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„Jeder der beiden ist auf seine Art gut gewesen“, sagte aus den Reihen der Wahlberechtigten der Meßkircher Grünen-Stadtrat Helmut Weißhaupt auf Nachfrage des SÜDKURIER. Er sei offen zur Nominierungsveranstaltung gekommen, um die Kandidaten kennenzulernen, schilderte Weißhaupt. Auch die Meßkircherin Gudrun Zimmer fand die Präsentation der Kandidaten gut. Sie störte sich allerdings daran, dass es vor der eigentlichen Wahl so lange gedauert hatte, die Modalitäten festzulegen.

Frauen- und Männerfragen werden getrennt eingesammelt

Dabei war es unter anderem darum gegangen, ob die schriftlichen Fragen aus der Wählerschaft in zwei „geschlechtsspezifischen Eimern“, also getrennt nach Frauen-Fragen und Männer-Fragen, eingesammelt werden sollten. Landesmutter Gerlinde Kretschmann war eine derjenigen, die sich nicht dafür erwärmen konnten. Da es aufgrund des Frauenstatuts der Grünen jedoch so vorgeschrieben war, fischte unter anderem die Landtagsabgeordnete Andrea Bogner-Unden als Helferin die zu beantwortenden Fragen am Ende doch aus den getrennten Boxen.

Möglichkeit der Auswahl wird geschätzt

Angela Andres, Fraktionsvorsitzende der Meßkircher Grünen, lobte die insgesamt gute Organisation der Veranstaltung. „Ich finde es gut, dass man die Wahl hatte zwischen zwei Kandidaten“, sagte sie dem SÜDKURIER. Dies hatte zuvor bereits Christian Kühn, Bundestagsabgeordneter und Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, hervorgehoben. „Auswahl ist wichtig, weil sie Demokratie ist“, meinte Kühn in seinem Grußwort.

Kühn sieht Grün unter schwarzem Beton

„Im Wahlkreis mag zwar viel schwarzer Beton liegen, aber darunter grünt es immer mehr“, sagte Kühn. Die CDU habe bei großen Zukunftsfragen nicht viel zu bieten. Er erlebe den Bundestagsabgeordneten und parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Thomas Bareiß, im Bundestag als jemanden, der die Zukunftsfragen ausbremse, betonte der Grünen-Politiker.

Lang anhaltender Applaus für den Sieger

Nach der Verkündung des Wahlergebnisses sagte Johannes Kretschmann unter lang anhaltendem Applaus, er nehme das Wahlergebnis mit Demut an. Klaus Harter betonte abschließend, dass Thomas Zawalski mit einer Kompetenz im Wahlkampfteam gut aufgehoben wäre. „Wir werden die CDU das Fürchten lehren, auch bei uns im Wahlkreis„, sagte er.

„Gehe Aufgabe mit Respekt an“

Herr Kretschmann, haben Sie mit diesem Ergebnis gerechnet?

Ich hatte damit gerechnet, dass es ein heißer Ritt wird und das spiegelt dieses Ergebnis ja auch wider. Meine Aufgabe ist jetzt auch, die Kreisverbände zu einen.

Haben Sie schon jetzt Verbindungen zum Zollernalbkreis oder betreten Sie dort Neuland?

Wie ich bei meiner Rede sagte, zähle ich das gesamte Gebiet von Norden bis Süden inklusive des Zollernalbkreises zu meiner Heimat. Das hört nicht an irgendeiner Grenze auf. Thematisch muss ich mich aber natürlich noch in den Zollernalbkreis reinschaffen. Da gibt es viele Hausaufgaben für mich zu machen.

Haben Ihre Eltern Sie bei der Kandidatur unterstützt?

Sie haben mir vor allem psychologische Unterstützung gegeben. Und meine Mutter hat mir heute extra ihre Käsespätzle gekocht (schmunzelt). Ich bin sehr dankbar, dass mich der Kreisverband so gut unterstützt hat. Wir hatten in diesem Wahlkreis ja noch nie eine Kampfabstimmung. Das war also ein strategischer Blindflug, der mit einer riesigen Energieleistung geschafft wurde.

Wie bereiten Sie sich auf Ihre neue Aufgabe vor?

Ich muss noch einiges lernen. Deshalb gehe ich die Aufgabe mit Respekt an.