Die Wände in der Wohnung von Roswitha und Hans-Peter Bickel sind nicht leer. Wohin man schaut, fallen einem Kunstwerke ins Auge. Miró, van Gogh, Rosina Wachtmeister, Dalí – aber auch regionale Künstler wie Bernd Buchta oder Werner Wohlhüter sind vertreten. Und nicht zu vergessen die eigenen Kunstwerke aus dem Familienkreis. Hier eine tanzende Ballerina von der Enkelin, dort Zeichnungen von Sohn Jan oder eine bunte Hochhaus-Schlucht, inspiriert von James Rizzi und gemalt von Roswitha Bickel.

Meditatives Malen

Bickel hat als Erzieherin im Kindergarten gearbeitet und danach drei Jahrzehnte in einer Arztpraxis. Zur Malerei kam sie vor rund sechs Jahren über eine Freundin, die einen Kurs in meditativem Malen angeboten hat. Dort lernte Roswitha Bickel „Zentangle“ und „Zentangle inspired art“, also von Zentangle inspirierte Kunst, kennen. Zentangle ist eine Wortkombination aus Zen, also Meditation, und tangle, was auf deutsch Knäuel oder Gewirr bedeutet. Bei dieser Zeichentechnik auf weißem Papier entstehen mit schwarzem Fineliner meist kleinformatige, selten kolorierte Bilder mit sich wiederholenden, filigranen Mustern aus Punkten, Fächern, Linien, Kringeln, Kurven und Kreisen.

Malen statt Fernsehen

„Das Internet und YouTube waren meine Lehrmeister“, schmunzelt Bickel. Nicht so gerne hört sie Sprüche à la „Alle Frauen, die nichts zu tun haben, fangen an zu malen.“ Oder wenn jemand ihre ersten Zentangle-Bilder als Fleißarbeit bezeichnet. „Nach Kindererziehung, Berufsleben und Pflege der Mutter habe ich mir das Malen als Freizeitbeschäftigung ausgewählt und es ist schon verletzend, dafür belächelt zu werden. Inzwischen ist es mir wurscht, wenn es als spinnig abgetan wird.“ Sie betont, dass sie keinen Anspruch darauf erhebt, künstlerisch Wertvolles zu produzieren. „Ich bin da sehr kritisch mit mir selber.“ In erster Linie gehe es ihr darum, die Zeit nicht vor dem Fernseher zu verbringen, sondern kreativ tätig zu sein. „Ich mache das für mich.“ Beim Malen vergehen die Stunden wie im Flug. „Plötzlich ist es dann fast zehn Uhr abends, bis ich zusammenpacke.“

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Zwischenspiel in Acryl

Das reine Zentangle wurde ihr auf Dauer zu langweilig und sie verlor den anfänglichen Spaß daran. Bickel wollte sich weiterentwickeln. Sie sagt: „Die Zentangles sind dekorativ, aber ich fühlte mich irgendwann unterfordert.“ Also probierte sie eine andere Technik aus und begann, mit Acryl auf großer Leinwand zu experimentieren. Sie baute ihre Staffelei in der Küche auf und legte los. „Die Staffelei habe ich von meinem Sohn Jan übernommen, er und seine Frau haben Kunst auf Lehramt studiert. Ich ging ganz unbedarft an die Sache heran und habe einfach ausprobiert.“ Es entstanden abstrakte Bilder, bei denen sie die Farbe mit der Spachtel auftrug. Sie malte aber auch Gegenständliches, darunter Pusteblumen, Baumwoll- und Kirschblüten. „Mein Schwager hat sich über mein großformatiges Erstlingswerk in Acryl gefreut. Bei ihm im Büro sieht es gut aus, aber nicht bei uns zu Hause über dem Sofa.“ Recht schnell sei ihr klargeworden: „Acryl ist nicht meins. Ich hatte das Gefühl, herumzuschmieren.“

Am liebsten mal Roswitha Bickel kleine Formate, auch Grußkarten. Sie hat einen ganzen Karton mit Motiven zu den verschiedensten Anlässen.
Am liebsten mal Roswitha Bickel kleine Formate, auch Grußkarten. Sie hat einen ganzen Karton mit Motiven zu den verschiedensten Anlässen. | Bild: Johanson, Kirsten

Sie malt, was ihr gefällt

Die Findungsphase ging also weiter. Während Corona verlegte sich Roswitha Bickel dann darauf, Aquarell – Nass-in-Nass-Technik – mit Fineliner zu kombinieren. Seither sind schon etliche eindrucksvolle Bilder entstanden. Die Motive sind mannigfach. Herbstliche Bäume, Cupcakes, Eisbecher, Leuchttürme, Landschaften, Blumen, historische Fahrräder – alles, was ihr in den Sinn kommt.