Das Motorschiff „Sarah“ der gleichnamigen Rettungsorganisation wird unter dem Kommando des Meßkircher Kapitäns Thomas Nuding erstmals auslaufen, um Flüchtlinge aus dem Mittelmeer zu retten. Die Vorbereitungen und das Einsatztraining liefen so gut, dass es nach den Angaben von Sanya Romeike am Samstag ins SAR-Gebiet (Search and Rescue Gebiet/Such- und Rettungsgebiet) südlich von Lampedusa ging. Dort werde die „Sarah“ am Sonntagvormittag ankommen. Ab dann wird damit gerechnet, dass Geflüchtete an Bord genommen werden, die sich in oft wenig seetüchtigen Booten auf den Weg übers Mittelmeer gemacht haben. „Was mit großer Wahrscheinlichkeit sehr schnell der Fall sein wird“, so Sanya Romeike von der Organisation Sarah, die ihren Sitz in Meßkirch hat. Rund 100 Menschen können an Bord genommen werden.
„Sarah“, Name des Schiffs wie der Hilfsorganisation, steht für Search and Rescue for All Humans (Suche und Rettung für alle Menschen). Das Schiff mit Heimathafen Karlsruhe wird als eines der schnellsten zivilen Rettungsschiffe die größeren, langsameren Schiffe von Nichtregierungsorganisationen bei der Rettung von Menschen auf See verstärken. Nach einer Überfahrt nach Licata (Sizilien) gab es Übungen, auch mit dem Beiboot, um für die Einsätze auf dem Mittelmeer gewappnet zu sein.
Kapitän Thomas Nuding rechnet für die Einsätze am Wochenende mit leichtem Wetter und Wellenhöhen von bis zu einem Meter. Er hat schon zahlreiche Einsätze auf dem Mittelmeer hinter sich und viele Geflüchtete gerettet. Er gilt als erfahrener Kapitän und er weiß sich durchzusetzen. Er schreckte auch nicht davor zurück, wie er in einem Gespräch mit dem SÜDKURIER erzählte, auch mal einen US-amerikanischen Admiral per Funk sehr deutlich darauf hinzuweisen, dass es eine Pflicht gibt, Menschen aus Seenot zu retten. Mit der „Sarah“ wird Nuding erstmals auf Rettungsmission unterwegs sein.
Die „Sarah“ ist eine ehemalige Luxusyacht. Mit hoher Geschwindigkeit und einer Reichweite von mehr als 3000 Kilometern sei das Schiff in der Lage, Menschen in Seenot rasch zu erreichen und sie vor illegalen Rückführungen durch die „sogenannte libysche Küstenwache“ zu schützen. Die rasche Einsatzfähigkeit der „Sarah“ sei entscheidend. “Geflüchtete Menschen sind in Libyen dramatischen Zuständen ausgesetzt. Misshandlung, Folter und Menschenhandel sind die Tagesordnung. Die sogenannte libysche Küstenwache kooperiert mit Schleusern und anderen Kriminellen und zwingt Geflüchtete in diese Zustände zurück. Unsere Mission ist es, so viele Menschen wie möglich vor diesem Schicksal und dem Ertrinkungstod zu bewahren“, sagt Markus Groda, Mitgründer der Hilfsorganisation Sarah.
Die Crew des Rettungsschiffs „Sarah“ besteht aus zwölf Personen, elf davon leben in Deutschland, ein Mitglied lebt in Italien. Es sind ein Mechaniker, ein Arzt, eine Ärztin, ein Architekt, ein Gas-Wasser-Installateur, zwei Fotografen, Studierende, eine Medizintechnikerin und ein Lacklaborant mit an Bord.
Für Kauf, Umbau und Ausrüstung der einstigen Luxusyacht wurden bislang 660.000 Euro investiert. Daneben hatte die Rettungsorganisation nach eigenen Angaben weitere 44.000 Euro an Spenden erhalten. Mit dieser Summe wurde, so Sanya Romeike, die Erstausstattung und die Kosten der ersten Rettungsmission bestritten. Die Finanzierung nachfolgender Missionen sei noch nicht gesichert. Dieses Jahr sind weitere vier dreiwöchige Missionen geplant, für die jeweils Kosten in Höhe von 35.000 Euro veranschlagt werden.
Da die „Sarah“ kleiner als 24 Meter ist, ist sie als Sportboot zugelassen – im Gegensatz zu größeren Schiffen, die als Berufsschiff registriert sein müssen. Dadurch seien die Zulassungen schnell möglich und unkompliziert gewesen, wie Sanya Romeike auf Anfrage mitteilt. Es habe nur etwa vier Wochen nach dem Kauf gedauert, ehe die „Sarah“ beim Registergericht Mannheim sowie die Funkanlagen und die Seenotrettungsboje bei der Bundesnetzagentur registriert waren.
Größte Herausforderung beim Umbau des Schiffes sei gewesen, den Einsatz von Ehrenamtlichen mit dem Zufluss von finanziellen Mitteln zu koordinieren. Das Einwerben von Spenden für ein neues Schiff, mit dem noch keine Rettungsmissionen gefahren wurden, sei nicht einfach. Häufig sei es vorgekommen, dass zwar ehrenamtliche Helferinnen und Helfer verfügbar waren, aber das Geld für Material zu knapp – oder andersherum.
Neben der Rettung von Menschen aus Seenot im Mittelmeer will die Organisation Sarah auf die „verheerenden“ Auswirkungen der EU-Abschottungspolitik aufmerksam machen. Diese führe zu menschenunwürdigen Bedingungen für Geflüchtete und Migranten und mache Fluchtrouten immer gefährlicher und tödlicher.
Seenot-Einsätze im Mittelmeer
- Weitere Schiffe im Einsatz: Im Such- und Rettungsgebiet südlich von Lampedusa, in dem auch die „Sarah“ im Einsatz sein wird, sind voraussichtlich zwei kleinere und ein größeres Schiff von Nichtregierungsorganisationen (NGO) zeitgleich im Einsatz. „Das kann sich allerdings schlagartig ändern, wenn eines der Schiffe nach einer Rettung einen sicheren Hafen ansteuert oder aber von den Behörden festgesetzt wird,“ wie Sanya Romeike von der Meßkircher Rettungsorganisation Sarah schildert.
- In welchen Hafen gerettete Menschen von der „Sarah“-Crew gebracht werden, ist vorher nicht abzusehen. Die italienischen Behörden weisen nach einer Rettung den Hafen zu. Dieser kann sich theoretisch überall in Italien befinden. Die Crew rechnet mit einem Ausschiffungshafen in Lampedusa, Sizilien oder an der Stiefelspitze.
- Wie erfahren die Besatzungen von Geflüchteten in Seenot? Es gibt eine Kommunikationsgruppe, in der alle zivilen Seenotrettungsorganisationen vertreten sind. „Zudem teilen Alarm Phone sowie private Suchflugzeuge ihre Informationen. Hinzukommen Informationen aus eigenen Sichtquellen. Von den Behörden kommen hingegen nur selten offizielle Informationen“, schildert Sanya Romeike auf Anfrage des SÜDKURIER.
- Zur Finanzierung der Rettungsmissionen ist Sarah auf Spenden angewiesen:
https://www.betterplace.org/de/projects/104592-sarah-ein-besonderes-rettungsschiff.