Julia Lutz

Stadtrat Thomas Nuding will nicht länger zusehen müssen, wie Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken. Die Mittelmeer-Insel Lampedusa ist auch in der Corona-Pandemie weiter Anlaufstelle für Flüchtlinge, vor allem aus Afrika. Auch die Situation auf der griechischen Insel Lesbos ist für den Meßkircher Unternehmer nur schwer ertragbar. In einem Flüchtlingslager sitzen dort seit Monaten Flüchtlinge fest. Er will etwas tun. Deshalb hat er mit drei anderen Gesellschaftern die SAR ah-gUG (Search and Rescue for all Humans) als anerkannte Nichtregierungsorganisation (NGO) gegründet. Ihr Ziel: Sie wollen ein Seenotrettungsschiff kaufen und damit Menschen vor dem Ertrinken retten. „Unser Ansatz ist in erster Linie humanitär“, sagt Nuding im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

Coronavirus verdrängt Europa-Gedanke

Mit dem Boot will er Menschen retten, die in Flüchtlingsbooten sitzen, die von Libyen mit sogenannten Schleppern nach Europa übersetzen wollen. Das Sterben im Mittelmeer werde untätig hingenommen und Europa würde sich zunehmend abschotten. „Die Corona-Krise hat den Europa-Gedanken den Bach runter gehen lassen“, kritisiert Thomas Nuding. Man dürfe nicht nur an seine eigene Stadt, den eigenen Landkreis oder das eigene Land denken. Tag für Tag würden Menschen auf dem Mittelmeer ertrinken. Aber gerade die Krise habe gezeigt, dass am Ende doch jedes Land auf sich schaue. Aufgrund des Coronavirus können derzeit viele Seenotrettungsschiffe nicht ausfahren. Einige sind oder waren in Quarantäne, anderen sind kaputt.

Das könnte Sie auch interessieren

Gründer waren bereits auf hoher See

Alle Gründer der Organisation seien seit 2016 an der Seenotrettung von rund 3 500 Menschen im Mittelmeer beteiligt gewesen und engagieren sich in der Gesellschaft. Der Meßkircher Thomas Nuding war bereits vier Mal Crew-Mitglied auf der Sea Eye sowie auf der Lifeline, die jeweils im Mittelmeer Einsätze hatten. Zuletzt war Nuding im Juli 2018 mit der Lifeline unterwegs. Er weiß aus eigenem Erleben, welche humanitären Katastrophen sich auf dem Mittelmeer täglich abspielen.

Bereits vier Mal war Thomas Nuding aktiv an der Rettung von Flüchtlingen beteiligt. Auf dem Bild wird ein Flüchtling aus dem Wasser in ...
Bereits vier Mal war Thomas Nuding aktiv an der Rettung von Flüchtlingen beteiligt. Auf dem Bild wird ein Flüchtling aus dem Wasser in ein Rettungsboot gezogen. | Bild: Thomas Nuding

Rettungsboote werden angegriffen

Die Situation im Mittelmeerraum sei immer noch schlimm, auch wenn darüber in den Medien seit der Verbreitung des Coronavirus nur wenig zu lesen sei. In Italien würden, so Nuding, täglich Rettungsschiffe aus fadenscheinigen Gründen beschlagnahmt, wie zum Beispiel das deutsche Schiff Alan Kurdi. Das Schiff habe angeblich technische Mängel, erzählt der Unternehmer. Das zuständige deutsche Amt habe jedoch bestätigt, dass das Rettungsschiff keine Mängel habe. In Lampedusa kämen Flüchtlingsboote an, deren Insassen anschließend eingesperrt werden.

Thomas Nuding
Thomas Nuding | Bild: Archiv

Thomas Nuding will Menschenleben retten

In Malta, so berichtet Nuding gegenüber dem SÜDKURIER, würden Kräfte der Regierung Rettungsboote vor der maltesischen Küste zerstören. Dieses Unrecht ertragen Thomas Nuding und seine Mitstreiter nicht mehr. Ihrer Meinung nach lässt Europa die Ankunftsländer im Stich. Diese würden dann zu illegalen Methoden greifen, weil sie mit ihren Problemen alleine seien. Thomas Nuding sieht das Grundgesetz, das nach dem Zweiten Weltkrieg in Kraft getreten ist, als Selbstverpflichtung für Deutsche an, „dass nie wieder Unrecht in die Welt getragen wird“. Auf einer Demo für Menschenrechte und Klimaschutz in Wangen warb Nuding im Mai dafür, Geflüchtete nicht abzuweisen, sondern ihnen das Leben zu retten. Seinen Beitrag will er mit einem neuen Boot leisten.

Ein völlig überladenes Schlepperboot mit Flüchtlingen unterwegs nach Europa. Die Insassen bezahlen viel Geld für die Überfahrt. Weil die ...
Ein völlig überladenes Schlepperboot mit Flüchtlingen unterwegs nach Europa. Die Insassen bezahlen viel Geld für die Überfahrt. Weil die Boote die Last nicht aushalten, kommt es immer wieder vor, dass sie kippen und untergehen. Die Menschen ertrinken auf offener See. | Bild: Daniel Kempf-Seifried

Ein neues Rettungsboot soll 150 Personen transportieren

Das Rettungsboot, das er im Namen der Organisation kaufen will, soll 25 Meter lang sein und rund 100 Menschen bei normalen Wetterbedingungen transportieren können. „Bei bestem Wetter traue ich es mir auch zu, 150 Personen zu transportieren“, sagt Nuding. Üblicherweise seien Rettungsschiffe deutlich länger und könnten mehr Menschen aufnehmen, allerdings könne man ein kleineres Schiff mit dem Sportbootführerschein fahren. Das hätte den Vorteil, dass mehr Freiwillige zur Verfügung stehen. Das seemännische Patent hätten weniger Menschen.

Das könnte Sie auch interessieren

Spenden sollen Umbau finanzieren

Die Kosten für den Umbau des Schiffs bezifferte der Meßkircher Unternehmer auf rund 75 000 Euro, denn das Boot benötige eine Meerwasseraufbereitungsanlage, Schwimmwesten und eine Satellitenanlage. Das Schiff selbst wird voraussichtlich mit um die 150 000 Euro zu Buche schlagen. Neben den Kosten für das Boot benötigt die Gesellschaft rund 250 000 Euro Jahresunterhalt. Das sei rund ein Drittel des Jahresbudgets, das bekannte Rettungsschiffe wie die Sea Eye verwenden würden. Die Spenden wollen Thomas Nuding und die drei Gesellschafter Olaf Oehmichen, Eva Maria Deininger und Markus Groda gemeinsam sammeln. Nuding ist Geschäftsführer und Gesellschafter.

Benefizaktionen in Meßkirch geplant

In Meßkirch sollen in der Zukunft auch Benefizveranstaltungen stattfinden. Ursprünglich war für Ende April ein Benefizspiel mit den Handballern des TV Meßkirch geplant. Aufgrund der Corona-Pandemie platzte der Termin. Da die Handballsaison ausgesetzt ist, wird das Spiel auf ein bislang unbekanntes Datum verschoben. Ebenfalls Ende April sollte eine Filmvorführung im Herz-Jesu-Heim stattfinden. „Diese Veranstaltung wird voraussichtlich noch im Juni stattfinden“, sagt Thomas Nuding gegenüber dem SÜDKURIER. Die Planungen mit der Integrationsbeauftragten der Stadt Meßkirch, Martina Eisele, laufen bereits, denn natürlich müssen die geltenden Hygiene- und Abstandsregelungen bei der Filmvorführung umgesetzt werden.