So ging es vielen, die ihre Jugend in der Region erlebt haben: ein Blick am Samstag auf die Veranstaltungsseite hinten in der Lokalzeitung gehörte speziell in den 1960er, 70er und 80er Jahren zum Pflichtprogramm, um in Erfahrung zu bringen, wo am Wochenende etwas geboten war. Welche Tanzkapelle spielt in der Nähe? Welcher Live-Auftritt steht in Krumbach auf dem Programm, was geht ab im Adler in Ennetach und wo sind Akropolis, das Sextett aus Pfullendorf, am Start?
Orte der Eheanbahnung
Ein Wiedersehen mit Idolen von früher und den beliebtesten Kultkapellen in Oberschwaben ermöglichen Dieter Löffler und Peter Fischer nun auf 450 Seiten „Oberschwaben rockt!“ Das Buch erscheint im September im Meßkircher Gmeiner Verlag. Die Autoren führen ihre Leser zurück an Orte, die sie mit Glück verbinden und wo nicht wenige die Liebe ihres Lebens kennenlernten. Eröffnet wird das Buch mit einem Blick auf die Rock‘n‘Roller der 1950er Jahre, doch auch die jungen (Party-)Bands von heute wie Delta Zero aus Göggingen oder Cockrock aus Hahnennest erhalten Raum.
Altgediente Musiker
Löffler (Jahrgang 1957) und Fischer (Jahrgang 1958) sind Kenner der Szene, denn sie selber waren und sind ein Teil davon, spielten Bass und Gitarre in diversen Bands und treten heute noch mit Shake Five auf. Mit CrissCross aus Rengetsweiler heizten sie dem Publikum bei Landjugendbällen und in Tanzlokalen ein. „Früher gab es in fast jedem Dorf eine Gaststätte mit Saal und Bühne.“
Ein Stück Sittengeschichte
Die Idee zur Bestandsaufnahme der regionalen Tanz- und Unterhaltungsmusik schwirrte dem Journalisten und dem Lehrer schon lange im Kopf herum, doch erst als beide in Rente waren, hatten sie genug Zeit und Muße. „Ein Jahr lang haben wir intensiv daran gearbeitet“, so Fischer. Es ist ein nostalgisches Buch, das Erinnerungen weckt, aber die Autoren bleiben nicht in der Nostalgie stecken. „Unser Ansatz ist kulturgeschichtlich und das Buch ein Stück Sittengeschichte“, erklärt Löffler. Tanzmusik war Breitenkultur.

Vom Adler in die Met
Bands, die heute als Oldiebands bezeichnet werden, coverten früher aktuelle Hits. Die eine oder andere Erfolgsgeschichte gibt es auch zu erzählen. Marlis Petersen (Jahrgang 1968) aus Tuttlingen, die bei Square die Chartbreaker von Whitney Houston, Jennifer Rush und Celine Dion coverte, machte später Karriere als Opernsängerin und feierte Erfolge an der Metropolitan Opera in New York. Oder der Pfullendorfer Ewald Reste, der sich als Manager in der Musik- und Eventbranche einen Namen gemacht hat.
Disco statt Tanzlokal
Den Autoren geht es in ihrem Buch nicht darum, die Vergangenheit in den Himmel zu loben und die Gegenwart zu verteufeln. Sie dokumentieren den Wandel der Gewohnheiten und des Freizeitverhaltens. Das klassische „Schwofen“ verlor an Bedeutung. In den 80er Jahren kamen die DJs und das war natürlich eine große Konkurrenz zur Live-Musik. In den Industriegebieten entstanden Großraumdiscos. Vorbei war die Zeit, als die jungen Leute um Mitternacht nach Hause gingen, so wie es bei den Abenden in den Tanzlokalen üblich war. Das Buch erzählt von legendären Tanzkapellen, Bands und Locations und beschreiben auf unterhaltsame Weise das Lebensgefühl der verschiedenen Jahrzehnte. Der Wiedererkennungswert ist hoch, wenn zum Beispiel im Kapitel über die 1980er von einem halbem Hähnchen mit Asbach Cola die Rede ist, um sich des nächtens zu stärken. Aus heutiger Sicht kaum zu fassen, was über die 1950er zu lesen ist: „Nur Ehepaare durften gemeinsam am Tisch sitzen. Die Ledigen saßen nach Geschlechtern getrennt.“

Schicke Bühnenoutfits
Die Recherche und das Organisieren von Bildmaterial waren enorm viel Arbeit, berichten die Autoren. Einige Akteure von damals haben sie aufgespürt und besucht, so etwa Richard Henriss aus Meßkirch, inzwischen über 80 Jahre alt. Im Buch kommen auch Musiker der Shadows zu Wort, so etwa Siegfried „Jack“ Kernler aus Hausen am Andelsbach. Er war Gitarrist und Leadsänger bei der Tanzkapelle aus Krauchenwies/ Pfullendorf. „Die Interviews haben großen Spaß gemacht. Dass wir so willkommen waren, hat mich besonders gefreut“, sagt Peter Fischer. Fast 400 Bands werden in „Oberschwaben rockt!“ vorgestellt, davon 40 in ausführlicher Form. Weil das Buch reich bebildert ist, werden die Bühnenoutfits und Frisuren der jeweiligen Zeit lebendig. Einheitlich in weißen Schlaghosen und engen, weißen T-Shirts machten die Nightstars ein gute Figur. Bei Akropolis waren es rote Polo-Shirts mit weißem Kragen.
Tramps und Kobras
Dem Meßkircher Publikum dürften die Tramps aus Sauldorf-Rast noch vor dem geistigen Auge erscheinen . „Die Band war in den 60er/70er Jahren in unserer Gegend außerordentlich populär. Bandleader war Peter Maucher, er lebt seit vielen Jahren in Bichtlingen“, berichtet Löffler. Oder die Kobras. „Jeder kannte sie, sie spielten in den 70ern in jedem Festzelt. Der Bandleader Reiner Hipp ist in unserer Gegend bis heute eine bekannte Figur.“ Auch die Mad Movies waren ein Begriff. Sie gingen in den 70ern aus der Meßkircher Stadtkapelle hervor.
Die Autoren
Dieter Löffler und Peter Fischer stammen beide aus Rengetsweiler und besuchten das Gymnasium in Meßkirch. Löffler leitete bis 2023 die Politikredaktion des SÜDKURIER in Konstanz und wohnt heute in Allensbach. Peter Fischer lebt in Meßkirch und arbeitete bis 2022 als Musiklehrer an der Realschule in Mülheim an der Donau. Beide sind passionierte Musiker. Am 25. Oktober treten sie mit „Shake Five“ bei der Oldie-Night im Waldhorn in Krauchenwies auf. Die Band spielt unter anderem Hits von T.Rex, The Eagles, Deep Purple, CCR und Uriah Heep.