Lädt heute ein Club zur 80er-Jahre-Party ein, dann wird es eng auf der Tanzfläche, denn eins ist sicher: die Musik von damals ist Kult und absolut tanzbar – sieht man von minimalistischen Beiträgen à la Da-da-da von Trio ab. Nena, die Spider Murphy Gang und Falco stürmten damals die Charts.
Internet noch unbekannt

Die 80er waren nicht nur die Zeit der Neuen Deutschen Welle, auch Synthie-Pop aus England prägte weltweit entscheidend die Musik mit, man denke nur an Depeche Mode, Eurythmics, die Pet Shop Boys oder Erasure. Es war noch die Zeit der Singles, LPs und Kassetten. Der Walkman kamen gerade auf. Die CD war Anfang der 80er gerade erfunden, aber zunächst noch viel zu teuer. Von Streamen und Downloaden aus dem Internet hat noch niemand etwas geahnt. Man saß mit den Zeigefingern in Lauerstellung vorm Radio, um rechtzeitig die Aufnahme- und Play-Taste runterzudrücken. Und wehe, wenn der Moderator am Schluss des Songs reinplapperte und damit die Aufnahme ruinierte. Schlimm auch, wenn der Kassettenrekorder Bandsalat produzierte. Wer in Pfullendorf eine Schallplatte brauchte, schaute bei „Mimi“ vorbei, der mit richtigem Namen Michael Gleichauf heißt und einen kleinen Plattenladen in der Oberstadt besaß.
Erster Auftritt mit Zugaben

Motown-Sound, Funk, Soul – das waren Stilrichtungen, mit denen die 1983 gegründete Band Pfullendorfer Band Middle Earth etwas anfangen konnte. „Kool and the Gang fanden wir richtig gut“, erinnert sich Marc Pinkus (58), der den Bass zupfte. „Der Sound war vielleicht manchmal mies, aber wir fanden es geil. Es gab ja damals noch nicht die technischen Möglichkeiten, wie man sie heute am Computer hat. Wir hatten kein Internet und keine Noten. Wir haben die Liedtexte aufgeschrieben und die Noten herausgehört. Beim Musikdiktat ging hammermäßig viel Zeit drauf“, erinnert sich Micha Engelhardt (59). Er bediente die E-Gitarre, ebenso wie Gerd Frey. „Gerd hatte eine riesige Plattensammlung im Keller.“ Hannes Brunner und Oliver Frey spielten Keyboard, Oktay Aykut saß am Schlagzeug und Dirk Pinkus regelte am Mischpult. Tina Kleiner, die einzige Frau bei Middle Earth, war Sängerin. Sogar Erbprinz Karl Friedrich von Hohenzollern rockte bei einigen Auftritten von Middle Earth mit.
Im SÜDKURIER wurde über den ersten öffentlichen Konzertabend im Jahr 1983 berichtet: „Die sehr abwechslungsreiche Musik machte einen sehr positiven Eindruck auf das Publikum. Nach Mitternacht hatte die Gruppe ihr Programm nach mehreren Zugaben beendet.“
Ob im Adler in Ennetach, in der Pfullendorfer Willi-Bar oder im Kolpinghaus, beim Sommerfest in Altshausen – die Musiker brachten die Stimmung im Saal schnell zum Kochen. „Obwohl wir keine Rampensäue waren“, so Marc Pinkus. „Wir hatten einfach Spaß an der Musik, das war unsere Motivation. Starallüren oder Ehrenkäsigkeit gab es nicht, wir waren auch nicht kommerziell unterwegs. Wir haben die Musik für uns gemacht.“ Geprobt wurde in der Realschule, im Keller des Kumpels oder im Sigmaringer Schloss.

Das Repertoire bestand überwiegend aus Cover-Songs und war von „Carbonara“ (Spliff) und „99 Luftballons“ (Nena) über „Nights on broadway“ (Bee Gees) bis hin zu „Celebration“ (Kool and the Gang) breit gefächert. „Schlager hätten wir nicht gespielt“, stellen Marc und Micha klar.
Mit weißen Karottenjeans und weißen Lederstiefeletten
Bei den Gigs konnte es sein, dass sich die Musiker – wie später die Boy Groups – einheitlich kleideten: weiße Hemden, weiße Karottenjeans, weiße Lederstiefeletten. „Ich hatte sogar meinen Bass weiß lackiert“, lacht Marc Pinkus. Ein Logo wurde entworfen, um damit Plakate und Aufkleber zu schmücken.
Middle Earth hat sich Ende der 80er Jahre nach und nach aufgelöst, die Band-Mitglieder mischten aber teilweise noch in anderen Formationen mit, etwa bei „Boys and Girl“, „Stone Washed“ oder bei Gianni Dato. „Das war eine coole Zeit, aber zurückholen möchte ich sie nicht mehr“, sagt Marc Pinkus. Er und Micha Engelhardt machen heute noch Musik. Marc Pinkus spielt bei der Kirchenband „Effatha“ mit, Micha Engelhardt ist Teil eines Akustik-Trios.