Wegen ihres Aufrufs zu einer nicht genehmigten Versammlung ist eine 37-Jährige aus der Heuberggemeinde Stetten am kalten Markt von Amtsrichterin Kristina Selig zu einer Geldstrafe von 1250 Euro verurteilt worden. Das Gericht folgte dem Vorwurf der Staatanwaltschaft, dass die Angeklagte über den Telegram-Account von „Sigmaringen aktiv“ auf den sogenannten Lichterspaziergang von Gegnern der Corona-Schutzmaßnahmen am 13. Januar am Rathaus in Stetten a.k.M. hingewiesen hatte, was wegen der fehlenden Genehmigung ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz ist. Damit habe die Angeklagte ihren Unmut über die aus ihrer Sicht übertriebenen Corona-Regelungen der Behörden zum Ausdruck bringen wollen, brachte die Richterin die Motive der 37-Jährigen treffend auf den Punkt.
Aufruf entdeckt von Beamten des Landratsamts
Entdeckt worden war der Aufruf von einem in den Zeugenstand geladenen 32-jährigen Beamten des Landratsamtes, der federführend für die Genehmigung von Veranstaltungen zuständig ist. Er habe ein Screenshot davon angefertigt, den er zur Prüfung an Polizei und Staatsanwaltschaft weiterleitete. Schließlich hätten zu jener Zeit die Kritiker der Corona-Regelungen die interne Direktive ausgegeben, an möglichst vielen Orten gleichzeitig aufzutreten, um so die Polizeikräfte zu überfordern. 86 Personen versammelten sich an jenem Tag vor dem Stettener Rathaus, ein Teil von ihnen, nicht aber die Angeklagte, war danach weiter zum Privathaus von Bürgermeister Maik Lehn gezogen.
Staatsanwältin droht mit Beschlagnahmung des Handys
Die Angeklagte sagte vor Gericht aus, sie hätte mit ihrem Hinweis lediglich ihre Gruppe informieren wollen, in der sie selbst Mitglied sei. Auch ihre Verteidigerin Petra Mogg beharrte darauf, dass deren Ankündigung „nicht öffentlich“ gewesen sei. In ihrer Verteidigungsstrategie verwies sie auf weitere Internet-Eintragungen von anonymisierten Personen, die zeitlich vor ihrer Mandantin auf jenes Stettener Treffen aufmerksam gemacht hätten. Als Staatsanwältin Rosauer androhte, zur Beweissicherung auf der Stelle das Handy der Angeklagten konfiszieren zu wollen und womöglich dadurch der private E-Mail-Verkehr der 37-Jährigen mit ihren Mitstreitern ersichtlich würde, war dieser Aspekt vom Tisch.
Zeugen wollen Angeklagte entlasten
Gleich mehrere Zeugen aus der Gemeinde traten vor Gericht auf, um die Tadellosigkeit der Angeklagten zu dokumentieren. So beteuerte eine 39-Jährige, dass die Angeklagte „eindeutig keine Veranstaltung“ geleitet hätte. Ein 48-Jähriger verstrickte sich in diffuse Widersprüche, behauptete, dass sie bei der ersten Demo am 6. Januar gar nicht dabei gewesen sei, obgleich sie selbst ihre Anwesenheit zuvor bejahte. Zu dem von der Angeklagten publik gemachten Folgetermin am 13. Januar legte er dar, mit ihr gesprochen zu haben, revidierte dies aber wieder. Die Staatsanwältin belehrte ihn dafür. Ein 52-Jähriger erklärte lang und breit, was er unter Sozialisierung und Erziehung eines jungen Hundes beim Gassigehen versteht: Allein demzufolge sei er mit seinem Hund in der Masse mitgelaufen, er habe der Angeklagten „kurz Hallo“ gesagt. Ein Selbstständiger, 52 Jahre alt, hielt mit seinen privaten Ansichten nicht hinter dem Berg – für ihn sei „Corona eine Lüge“. Obgleich er sich als „Mitleser von Sigmaringen aktiv“ outete, hätte ihn nicht sie, aber die Mundpropaganda zur Teilnahme veranlasst. Er würde solche Spaziergänge schätzen, um mit „anständigen und intelligenten Leuten zu schwätzen“. Allerdings scheint es mit der guten Kinderstube nicht weit her zu sein, fühlte sich doch die Richterin veranlasst, die sich nun auf Zuhörerstühle sitzenden Herrschaften wegen deren Respektverweigerung nach einer Verhandlungspause zu ermahnen.
Staatsanwältin fordert 1800 Euro Geldstrafe
Unterm Strich hielt die Staatsanwältin fest, dass es sich am Abend des 13. Februar in der rechtlichen Bewertung um eine nicht angemeldete Versammlung in Stetten handelte. Sie forderte eine Geldstrafe von 1800 Euro. Die Verteidigerin plädierte für einen Freispruch, sie bezweifelte die Berechtigung einer Anklage wegen derer „einfachen Mitteilung“, für eine Veranstaltung gäbe es „null Anhaltspunkte“. Die Angeklagte führte bei ihrem Schlusswort aus, dass sie es für übertrieben halte, hier vor Gericht sitzen zu müssen. Doch Richterin Kristina Selig teilte die Ansicht der Staatsanwältin: „Das war eine vorsätzlich nicht angemeldete Demonstration. Und ihre öffentliche Gruppe ist für alle frei zugänglich“ – deren Chat somit für Interessierte einsehbar, wie auch vernommene Zeugen zuvor bestätigten. Strafmildernd bewertete die Richterin die Zurückhaltung der Angeklagten während dieser Versammlung wie auch die Tatsache, dass sie sich am Zug vor das Haus des Bürgermeisters nicht beteiligt hat.