Als Saray Paredes Zavala zum Studium aus Berlin nach Freiburg kommt, ist ihr die süddeutsche Fastnacht noch völlig fremd. Fasching, ja, das kannte sie aus ihrer Heimatstadt, doch vor allem als Ereignis für Kinder, die sich als Cowboy oder Pippi Langstrumpf verkleiden.

Tränen beim Klang des Narrenmarschs

Aber erwachsene Menschen, denen beim Klang des heimischen Narrenmarschs Tränen in den Augen stehen? Fastnachter, die ihr Häs hüten wie ihren sprichwörtlichen Augapfel, es pflegen und von Generation zu Generation weitergeben? Das kannte sie bis dahin nicht.

Materialvielfalt bei Masken Video: Göbel, Nathalie

Heute verbringt die Kulturwissenschaftlerin einen guten Teil ihrer Arbeits- und auch ihrer Freizeit mit der schwäbisch-alemannischen Fastnacht, die im Jahr 2014 in das Nationale Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes (IKE) der Deutschen UNESCO-Kommission eingetragen wurde. Sie ist Kulturbeauftragte der Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte (VSAN), wissenschaftliche Leitung des Fastnachtsmuseum Narrenschopf und leitet zudem das Projekt „Schwäbisch-alemannische Fastnacht – Immaterielles Kulturerbe für die Zukunft“.

Dass sie im Rahmen ihres Studiums der Fastnacht über den Weg laufen würde, war klar: Sie studierte in Freiburg unter anderem bei Professor für Volkskunde Werner Mezger, der als einer der besten Kenner der südwestdeutschen Fastnacht gilt.

In den Narrenschopf kam sie über das Projekt „Museum 4.0“, in dessen Rahmen drei Jahre lang digitale Ideen für Museen entwickelt wurden. Der Narrenschopf befand sich dabei in prominenter Gesellschaft: Zu den weiteren teilnehmenden Museen gehörten etwa das Berliner Humboldt-Forum und das Deutsche Museum München.

Das Blumennärrle der Doraus-Zunft aus Bad Saulgau wird zusammen mit vielen anderen Narrenfiguren im Bad Dürrheimer Narrenschopf gezeigt.
Das Blumennärrle der Doraus-Zunft aus Bad Saulgau wird zusammen mit vielen anderen Narrenfiguren im Bad Dürrheimer Narrenschopf gezeigt. | Bild: Nathalie Göbel

Warum braucht ein Museum digitale Strategien? Dabei geht es weniger darum, etwas zu digitalisieren, nur damit es digital ist. „Mit digitalen Strategien will man etwas erreichen, das man sonst nicht erreicht“, erklärt Saray Paredes Zavala. Einen Mehrwert generieren. So beispielsweise mit VR-Brillen, mit denen die Narrenschopf-Besucher mit Hilfe der Virtuellen Realität in die Straßenfasnet eintauchen können. Wer die VR-Brille aufsetzt, findet sich inmitten von feiernden Narren und Musik unter strahlend blauem Winterhimmel wieder.

Die Narrenscheibe aus Innsbruck Video: Göbel, Nathalie

Oder der Narrenteller aus dem Jahr 1528, der im Original derzeit im Schloss Amras in Innsbruck ausgestellt wird: Er kann – digitalisiert – auf eine große Holzscheibe an der Wand projiziert und mit Hilfe eines Tablets gedreht und betrachtet werden.

Saray Paredes Zavala steht unter dem aus Riedlingen stammenden „Goletor“, das nur zu besonderen Anlässen in Riedlingen ...
Saray Paredes Zavala steht unter dem aus Riedlingen stammenden „Goletor“, das nur zu besonderen Anlässen in Riedlingen aufgebaut wird. | Bild: Göbel, Nathalie

Aktuell wird die schwäbisch-alemannische Fastnacht im Rahmen des Projekts „Schwäbisch-alemannische Fastnacht – Immaterielles Kulturerbe für die Zukunft“ untersucht. Hier möchte man, so beschreibt das Wissenschaftsministerium, die Erwartungen, die die Menschen an die Listung als immaterielles Kulturerbe haben, analysieren, sichtbar machen und in einen Dialog mit den verschiedenen Beteiligten treten. Am Ende soll eine wissenschaftliche Dokumentation entstehen.

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Dass sie den Dialog mit den Menschen hinter der Fasnet in Podcasts festhalten möchte, stand für Saray Parades Zavala schnell fest. Die 33-Jährige hört selbst leidenschaftlich gerne Podcasts und schätzt die zeitliche und räumliche Unabhängigkeit. „Ob auf dem Weg zur Arbeit, beim Sport oder beim Staubsaugen – Podcasts kann man überall hören“, schwärmt sie.

Wissen, Können, Fertigkeiten

Anders als beim „klassischen“ Welterbe, das Gebäude wie das Taj Mahal oder Naturstätten wie der Yellowstone-Nationalpark gehören, sind es beim immateriellen Kulturerbe Wissen, Können und Fertigkeiten – die sich durchaus auch wandeln können – aber auch Stimmungen. Genau jene möchte Saray Paredes Zavala in den Podcasts einfangen.

Blick in die Schemen-Werkstatt Video: Nathalie Göbel

Die Kulturwissenschaftlerin hat am Podcasten großen Spaß. „Ich kann Beruf und Hobby perfekt verbinden“, sagt sie. Die Technik sei nicht schwer zu beherrschen, wichtiger sei es, die Aufnahme in der richtigen Umgebung zu machen. „Ein schwerer Teppich, ein großer Wandschrank – all das ist nützlich, damit es nicht zu stark hallt“, erklärt sie.

Besonders stolz ist man im Narrenschopf auf dieses Geschenk aus Köln: das Kölner Dreigestirn, bestehend aus Jungfrau, Prinz, und Bauer.
Besonders stolz ist man im Narrenschopf auf dieses Geschenk aus Köln: das Kölner Dreigestirn, bestehend aus Jungfrau, Prinz, und Bauer. | Bild: Göbel, Nathalie

„Wir sitzen nicht im wissenschaftlichen Elfenbeinturm“, sagt sie. „Fastnacht ist ja nichts, was sich einfach einer ausgedacht hat.“ Nachdem sie in den ersten Folgen unter anderem mit ihren Museumskollegen, aber auch mit Professor Werner Mezger und Roland Wehrle, Präsident der VSAN, gesprochen hat, kommen nun Fastnachter zu Wort: In der nächsten Folge spricht Saray Paredes Zavala mit Tobias Dold, dem Zunftmeister der Schramberger Narrenzunft, zu deren Narrenfiguren auch die legendären Da-Bach-na-Fahrer gehören.

Der Podcast „Fastnachtskultur – Alles Erbe, oder was?“ ist bei allen Podcastportalen wie Spotify, Podcast.de, Apple Podcasts und Google Podcasts kostenlos zu hören.