Anlässlich des europäischen Aktionstages zur Gleichstellung für Menschen mit Behinderung testeten Bad Dürrheimer Bürger und Lokalpolitiker Barrieren, Hindernisse und Stolperfallen aus der Sicht der Menschen mit Handicap.
Selbstversuch auf kleinen Rädern
Die Teilnehmer der Aktion nahmen ihre Aufgabe ernst. Gemeinderat Wolfgang Kaiser ruckelte im Rollstuhl über das holprige Kopfsteinpflaster in der Fußgängerzone. Jede kleine Unebenheit der Pflastersteine bremste ihn aus. Auch hatte er Mühe aufzupassen, dass er mit den Rädern nicht in einer der Wasserrinnen links und rechts von der Fahrbahn hängen bleibt.
Währenddessen war Bürgermeister Jonathan Berggötz körperlich mal eben künstlich um 40 Jahre gealtert. Ausgerüstet mit einem von der Dualen Hochschule Villingen-Schwenningen zur Verfügung gestellten Alterssimulationsanzug, der Bewegungen erschwert und Kraftverlust im Alter simuliert, und mit einer Brille, die nur ein eingeschränktes Sichtfeld ermöglicht, versuchte er, möglichst unfallfrei durch die Fußgängerzone zu laufen.

Und schon knallt‘s am Poller
Was er dabei übersah, waren einige Poller, die längs an der Fahrbahn stehen. „Hier gehören reflektierende rot-weiße Markierungen hin“, wies ihn Inge Teichert hin. Sie ist Behindertenbeauftragte der Stadt Bad Dürrheim und hat die Mitmach-Aktion gemeinsam mit den Ehrenamtskoordinatoren der Stadt, Maria Bucher von der Stadtverwaltung und Simone Laux vom Besuchsdienst der Malteser, initiiert. „Barrieren zu erkennen und sich hineinversetzen in die täglichen Herausforderungen der Menschen mit Einschränkungen, fällt jungen, aktiven Mitgliedern unserer Gesellschaft schwer“, sagte Teichert.

Dass im Alltag kaum wahrnehmbare Bordsteinkanten ein schier unüberwindbares Hindernis für Personen sind, die im Rollstuhl sitzen oder mit dem Rollator unterwegs sind, stellte auch der Sachgebietsleiter Soziales, Uwe Hüls, fest. Auch er setzte sich in einen Rollstuhl und musste feststellen, dass selbst kleine Anstiege eine große Herausforderung sind.
Inge Teichert wies bei dem einstündigen Rundgang durch die Fußgängerzone auf ein weiteres Problem hin. Eine Vielzahl der Geschäfte haben Stufen, das den Zutritt für Menschen mit Handicap zusätzlich erschwert.

Das Problem ist Händlern bekannt
Wie Hartmut Haller als sachkundiger Einwohner sagte, „wären die Händler gerne bereit, hier Abhilfe zu schaffen und beispielsweise Rampen zu bauen.“ In einigen Fällen würden sich allerdings die jeweiligen Hausbesitzer weigern, die Zugänge zu den Geschäften barrierefrei zu gestalten.
Das bestätigte auf Nachfrage auch Tamara Pfaff, Vorsitzende des Bad Dürrheimer Gewerbevereins. „Die Händler sind sehr bemüht“, sagt sie. So sei der Großteil der Händler bereit, nach draußen zu gehen und den Kunden beim Zutritt ins Geschäft behilflich zu sein oder die Bestellung draußen entgegenzunehmen.
Während des Rundgangs machte Inge Teichert die Gruppe auch auf einige Probleme aufmerksam, die positiv gelöst wurden. So wurde vor einem Ärztehaus mit Apotheke in der Bahnhofstraße von der Gemeinde kürzlich eine Rampe gebaut.

Das Versprechen des Bürgermeisters
Bürgermeister Jonathan Berggötz zog im Anschluss an die eindrückliche Stadtführung ein Fazit. „Wir werden die Belange der Menschen mit Handicap künftig mit einer größeren Sensibilität beachten“, sagte er. Zwar sei diese kurze Exkursion nicht vergleichbar mit den Herausforderungen, die Menschen mit einer Seh- oder Gehbehinderung täglich bewältigen müssen.
Man werde jedoch bei Neubauprojekten verstärkt auf Barrierefreiheit achten. Inge Teichert bekräftigte ihre „Vision von Bad Dürrheim als eine Stadt für alle Menschen. Wir wollen keine Sonderrechte, wir wollen gehört werden.“
Thema Fußgängerzone
Am Dienstag, 10. Mai, findet eine Ortsbegehung statt, bei der es um die künftige Gestaltung der Fußgängerzone geht. Treffpunkt ist um 18 Uhr vor dem Gasthaus Krone. Wie Bürgermeister Jonathan Berggötz sagte, werden bei der künftigen Gestaltung auch die Belange der Menschen mit Handicap stärker berücksichtigt.