Symbolische Spatenstiche gehören zu den wichtigsten Bauritualen, markieren sie doch den Beginn von Arbeiten, mit denen ein Wirtschaftsunternehmen seine Zukunftsfähigkeit sichern will. Oder wie es Blumbergs Bürgermeister Markus Keller gestern beim Spatenstich für einen neuen Bauabschnitt beim Schwarzwaldhof sagte: „Ihre 21-Millionen-Euro-Investition ist ein klares Bekenntnis zum Standort Blumberg. Darüber sind wir froh und dankbar.“

2012 übernahmen Andreas Göhring und Andreas Pöschel als Doppelspitze die Verantwortung beim Schwarzwaldhof, der im nächsten Jahr auf eine 50-jährige Geschichte in Blumberg zurückblicken kann. Von Edeka-Südwest, zu dem der Schwarzwaldhof gehört, bekamen die beiden Chefs den Auftrag, einen Masterplan für ihr Unternehmen zu entwickeln. Seither reichen sich die Bauhandwerker im Gewerbegebiet Vogelherd die Klinke in die Hand. Die jetzt begonnene Erweiterung dient dem Ziel, Platz für eine neue Produktionslinie zu gewinnen, dem Versand mehr Raum zu schaffen und die Verpackung auf Maschinen umzustellen. Bislang werden zum Beispiel 4000 Tonnen Rohschinkenwürfel auf 20 000 000 Packungen manuell verteilt. Darunter leide die Wettbewerbsfähigkeit , so Andreas Pöschel. Die Modernisierung soll aber nicht auf Kosten der Mitarbeiterzahl gehen, die im Augenblick bei rund 300 liegt.

Vorgesehen ist, im Erdgeschoss ein großes Versandlager mit rund 1600 Paletten-Stellplätzen und einer Raumhöhe von neun Metern zu realisieren. Im Obergeschoss sollen die bis jetzt noch freien Dachflächen überbaut werden. „Hier entstehen mit zusätzlichen Reiferäumen neue Produktionskapazitäten, die wir dringend benötigen“, betonte Andreas Göhring bei seiner Ansprache. Außerdem wird dem Werksverkauf aufs Dach gestiegen. Dort wird aufgestockt und es entstehen zusätzliche Sozialräume für rund 100 Mitarbeiter. In diesem Bereich liegt das Investitionsvolumen bei rund elf Millionen Euro. Weitere zehn Millionen Euro fließen in eine neue Energiezentrale, die sowohl ökologisch wie ökonomisch laut Pöschel auf dem neusten Stand der Dinge sein werde. Im Detail bedeutet das, dass der Schwarzwaldhof eine neue zentrale Kälteanlage mit vier Megawatt Kälteleistung bekommt. Sie funktioniert mit dem klimaneutralen Kältemittel Ammoniak und löst die älteren dezentralen Kälteanlagen ab, die noch mit synthetischen Kältemitteln arbeiten.
Die besondere Herausforderung bei den Neubau- und Erweiterungsmaßnahmen: Es wird in das Bestandsgebäude hineingebaut, Andreas Göhring sprach von einer Operation am „offenen Herzen“. Jetzt gelte es, trotz aller Beeinträchtigungen die Kunden in gewohnter Qualität und Quantität weiterhin zu beliefern. Neben Wurst und Schinken wird der Schwarzwaldhof in Zukunft auch seinen eigenen Strom produzieren. Und zwar mit einem Blockheizkraftwerk, das eine Leistung von einem Megawatt hat. Es wird auch den neuen Dampfkessel mit Wärme versorgen. Das neue Energiekonzept soll bis 2022 umgesetzt werden, bei den anderen Erweiterungsmaßnahmen sind rund 18 Monate Bauzeit eingeplant.
Der Schwarzwälder Schinken wird auch in Zukunft wichtigstes Produkt des Schwarzwaldhofs bleiben. Doch die in den vergangenen Jahren begonnene Ausweitung auf Rindfleischerzeugnisse wird weitergehen. Gin-Schinken, Cannabeef, Beef-Bacon, Rinderfleischsalat oder Rinderrohschinken sind laut Andreas Pöschel „emotionale Artikel“, die auch aus ethischer Sicht im Kommen seien.
Bei allen positiven Nachrichten, die der Schwarzwaldhof schreibt, treibt Pöschel und Göhring ein Problem um, mit dem auch andere Wirtschaftszweige als die Lebensmittelindustrie zu kämpfen haben: der Facharbeitermangel. Der Schwarzwaldhof sucht händeringend Auszubildende, die Fachkraft für Lebensmitteltechnik werden wollen. Fünf Lehrstellen sind zurzeit vakant, ein guter Hauptschulabschluss als Voraussetzung für den Lehrvertrag sollte schon sein. Außerdem bildet der Schwarzwaldhof Metzgereifachverkäufer, Fleischer und Köche aus.
Genossen trotzen Wettbewerbsdruck
- Edeka-Südwest: Der genossenschaftliche Edeka-Verbund nimmt eine führende Position im Handel mit Lebensmitteln in Deutschland ein. Mit rund 1350 Märkten, von denen rund 1000 von selbstständigen Kaufleuten geführt werden (wie in Blumberg von Karsten Schlesiger), ist Edeka-Südwest die zweitgrößte von insgesamt sieben Regionalgesellschaften der Gruppe. Edeka Südwest erwirtschaftet laut Geschäftsführer Rudolf Matkovic einen Gesamtumsatz von knapp neun Milliarden Euro, 400 Millionen Euro werden zurzeit investiert. Zu Edeka Südwest gehören 32 Betriebe.
- Rohstoffmarkt: In China grassiert seit Monaten die afrikanische Schweinepest. Weil in keinem anderen Land der Erde so viele Schweine gezüchtet werden, treibt die Seuche, bei der es sich um ein Fieber handelt, die Fleischpreise weltweit in die Höhe. Mindestens eine Million Schweine mussten in den vergangenen Monaten in China vorsorglich getötet werden. Die Seuche hat sich seit 2006 aus Georgien nach Europa und Asien ausgebreitet. Andreas Pöschel machte beim Spatenstich deutlich, dass diese Erhöhung nicht vollständig an die Kunden weitergegeben werden könne – weil der Wettbewerbsdruck dafür in Deutschland einfach zu hoch sei. Deshalb ist er froh, dass die Edeka-Gesellschafter keine Aktionäre sind, die nur auf kurzfristigen Erfolg schielten, sondern eigenständige Kaufleute einer Genossenschaft. (hon)