„Ein politisch Lied! Pfui! Ein garstig Lied?“ Gilt dieses geflügelte Wort, das Goethe nicht ohne Ironie aus Auerbachs Keller ertönen ließ, noch heute? Und charakterisiert es auch die Lokalpolitik, die sich eigentlich immer darauf beruft, Sachfragen jenseits aller ideologischen Ansichten lösen zu wollen? Die Auseinandersetzung zwischen den Gemeinderatsfraktionen und Bürgermeister Markus Keller auf der einen Seite und dem fraktionslosen Rat Hermann Zorbach auf der anderen zeigt: Goethe hat viel Weitsicht bewiesen.

Zorbach hat es sich mit seinen Gemeinderatskollegen verscherzt

Was war geschehen? Bürgermeister Markus Keller hatte in Absprache mit den Fraktionsvorsitzenden Dieter Selig (CDU), Hannes Jettkandt und Ursula Pfeiffer (SPD/FDP) das Rederecht in beschließenden Ausschüssen eingeschränkt. Alle Gemeinderäte dürfen zwar nach wie vor an öffentlichen und nichtöffentlichen Sitzungen von beschließenden Ausschüssen teilnehmen. Sie dürfen aber keine mündlichen Anträge mehr stellen und an der Diskussion teilnehmen. Diese "Lex Zorbach" begründete der Rathauschef mit einer "effektiveren Gestaltung des Sitzungsdienstes". Sprich: Zorbach, der zuvor wegen Alleingängen aus der SPD-Fraktion hinausgeworfen worden war, meldete sich für Keller und die Fraktionschefs zu häufig zu Wort und redete dann viel zu lange.

Bürgermeister übergeht Gemeinderat – doch das hat keine Folgen

Zorbach hakte daraufhin immer wieder bei den Fraktionsvorsitzenden und dem Bürgermeister nach – ohne Erfolg. Schließlich schaltete Keller das Landratsamt ein, um Rechtssicherheit zu erhalten. Und tatsächlich: Die Kommunal- und Rechnungsprüfungsanstalt gibt Zorbach in einem dem SÜDKURIER vorliegenden Schreiben Recht, wonach nur der Gemeinderat und nicht allein der Bürgermeister hätte beschließen dürfen, dass Räte, die einem beschließenden Ausschuss nicht angehören, dort nicht länger mündliches Antrags- und Rederecht haben. Aber: Dieser Formfehler hat keinerlei Auswirkungen. Denn: "Bewusste oder unbewusste, gerügte oder stillschweigend geduldete Verstöße gegen die Geschäftsordnung" beeinflussen "die Gültigkeit oder Rechtswirksamkeit der dabei gefassten Beschlüsse nicht".

Ungleichbehandlung von Zorbach und den Fraktionschefs

Einen kleinen Erfolg kann Zorbach aber doch verbuchen: Auch Fraktionsvorsitzende, die einem Ausschuss nicht angehören, dürfen in Zukunft dort keinen mündlichen Antrag mehr stellen und mitdiskutieren. Denn das wäre eine Ungleichbehandlung Zorbach gegenüber. Laut der stellvertretenden Hauptamtsleiterin Daniela Götz sei dieser Fall aber nur einmal vorgekommen.

Auf Solidarität der anderen Räte kann Zorbach nicht hoffen

Aus Sicht des Landratsamts bleiben Zorbach drei Möglichkeiten, einen Antrag in einem Ausschuss zu stellen: Er könnte sich dafür stark machen, dass dieses Recht in die Geschäftsordnung des Gemeinderats aufgenommen wird. Er könnte sich an den Bürgermeister wenden, damit dieser seinen Antrag auf die Tagesordnung setzt. Und er könnte sich sechs Gemeinderatskollegen suchen, um mit ihnen gemeinsam einen Antrag auf der Tagesordnung zu platzieren. Nur: Auf Solidarität der anderen Räte kann Zorbach nicht hoffen, dafür ist in der Vergangenheit zu viel Porzellan zerschlagen worden. Zur Klarheit: Unstrittig ist, dass Zorbach an Ausschusssitzungen teilnehmen kann. "Nach übereinstimmender Rechtsauffassung haben Sie (also Hermann Zorbach, die Redaktion) damit die Möglichkeit, sich ausreichend Informationen für die im Gemeinderat zu treffenden Entscheidungen zu verschaffen...", so das Landratsamt.