Frau Hübsch, welche Aufgaben stellen sich dem Bräunlinger Jugendreferat, worum kümmern Sie sich?

Es ist sehr, sehr umfangreich. Ein Hauptgebiet ist die Schulkindbetreuung, was vom Land her eigentlich nicht zum Jugendreferat gehört. Aber bei uns als kleine Gemeinde gehört es dazu. Das ist in Ordnung so, weil wir die Kinder ganz anders in die reine Jugendarbeit reinholen. Grob sagen kann man: Es ist die Aufgabe des Jugendreferats, sich um alle Kinder und Jugendlichen in der Gemeinde zu kümmern. Schwerpunkte sind die offene Jugendarbeit im alten Hallenbad und immer mehr die Jugendbeteiligung. Da bin ich im Gespräch mit dem Bürgermeister.

Wie sieht das konkret aus?

Wir müssen die Jugend erst mal akquirieren. Dass die wissen: Hey, wir dürfen hier mitbestimmen.

Das heißt, sie können schon in der Schulkindbetreuung Werbung für die offene Jugendarbeit machen.

Da sehe ich auch den größten Vorteil. Der Nachteil ist die eigene Rolle. In der Schulkindbetreuung läuft alles viel strukturierter ab, wie etwa in der offenen Arbeit. Dort sind viel mehr Freiräume und viel mehr Ideen von den Kindern selbst kommen sollten.

Die Angebote scheinen ja gut zu funktionieren. Grad in der Schulkindbetreuung steigen die Zahlen der Teilnehmer stetig. Woran liegt das?

Wir haben das von der Pike an aufgebaut und konnte entsprechend eine Struktur vorgeben. Anders wie bei einer Ganztagesschule haben wir eine wahnsinnige Flexibilität drin. Eltern können aussuchen an welchem Tag, wie lang, wie viele Tage. Ebenso können sie die Ferienbetreuung dazu wählen. Und dort auswählen, ob das Kind etwa nur in den Oster- oder Sommerferien kommt, oder zu beiden. Ich denke, das kommt den Eltern zugute. Viele Eltern arbeiten Teilzeit, die brauchen diese Ganztagesschulen nicht. Die brauchen vielleicht mal einen Tag die Woche. Das merkt man. Auch, dass der Ganztagesbereich immer mehr wird. Auch die Ferienbetreuung. Die Eltern arbeiten immer mehr. In der Ferienbetreuung zu Ostern sind wir die ersten drei Tage 56 Kinder.

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Ist das eine positive Entwicklung? Immerhin kümmern sich die Eltern ja darum, dass die Kinder in dieser Zeit beschäftigt sind.

Für einige Kinder ist das gut. Die würden zu Hause vor dem Fernseher sitzen. Das andere ist: Die Kinder haben keine Freiräume mehr. Dass sie sagen: Ich gehe jetzt mal raus und treff mich mit meinen Freunden. Rausgehen, in den Wald gehen – so etwas fehlt. Das können auch viele Kindern nicht mehr. Die Eltern geben ihnen das nicht mehr mit. Viele Erziehungsaufgaben fallen auf Kindergarten, Schule oder uns zu. Bind mir die Schuhe, mach mir die Jacke zu.

Die Anforderungen im Umgang mit den Kindern steigen also?

Es gibt auch immer mehr Helicopter-Eltern. Wo keine Freiräume mehr gelassen werden, den Kindern nichts mehr zugetraut wird. Ich bin der Meinung, dass Grundschüler – Erstklässler klammere ich da mal aus – fähig sein müssen, den Schulweg in Bräunlingen selbstständig alleine laufen zu können. Wir haben die Diskussion, ob wir die Kindern bei einem Angebot in Gruppen allein im Ort laufen lassen können.

Das klingt so, als ob alles sehr reglementiert ist. Täte da nicht ein wenig mehr Freiheit gut?

Wir versuchen schon bei der Schulkindbetreuung ganz viel Freispiel zu machen. Dass wir einfach mal in den Jugendtreff gehen, oder auf den Platz. Da ist ein Ball, dort sind die Tore – hier könnt ihr spielen, macht was ihr wollt. Gerade in der Ferienzeit machen wir eben aus diesem Grund ganz wenig feste Angebote.

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Stellen sie fest, dass es immer mehr verhaltensauffällige Kinder gibt?

Ja, das fällt schon auf. Auch im Kontakt mit dem Kindergarten. Die kommen ja letztendlich zu uns. Sie werden schon immer jünger. Respektloses Verhalten fällt auf. Es sind nicht alle, keine Frage. Aber wenn, ist es massiv. Man hat ja keine Handhabe.

Woran liegt das?

Ich denke es ist ein gesellschaftliches Problem. Es gibt die einen, die sehr streng sind. Dann die Helikopter-Eltern und jene, die keine Zeit für das Kind haben. Und dass die Werte nicht mehr so vermittelt werden.

Welche meinen sie da?

Respekt ist das große Schlagwort. Zueinander, auch vor Dingen. Wie gehe ich mit anderen um, wie spreche ich mit denen. Auch die Medien spielen eine Rolle. Wenn man bei Talkshows in das Nachmittagsprogramm reinschaut: Woher kommt es denn bei den Kindern, wenn die Eltern teilweise so sprechen?

Inwiefern können Sie da noch was auffangen?

Auffangen? Es ist eher so, dass man versucht, den Kindern einen anderen Umgang mit Medien zu geben. Im Jugendreferat dürfen sie auch mit dem Handy daddeln, aber da kann man es mit ins Gespräch nehmen. Oder als Präventionsveranstaltung.

Sind denn Smartphones ein Problem?

Ich denke, es zeigt die Schnelllebigkeit. Man macht es zum Problem. Es ist da, und man muss dementsprechend damit umgehen und auch die Eltern aufklären. Dass die Kinder natürlich gierig nach neuen Medien sind, ist klar. Umgang und Aufklärung sind wichtig. Das muss im Kindergarten schon anfangen.

Manche würden den Umgang damit dann verbieten, ist das sinnvoll?

Nein, wenn ich jemandem Süßigkeiten verbiete und er sieht irgendwo welche, dann will er sie umso mehr.

Bei der Schulkindbetreuung wird der Platz aktuell etwas knapp. Wo findet die denn statt?

Im Keller der Schule.

Und wie viele Kinder kommen dann?

In der Osterferien werden es 50 sein. Morgens können es um die 36 und 40 sein. Bei den Stoßtagen können wir die Aula mitnutzen. Dass wir mit einem Teil hochgehen, Fußball spielen, Bewegungsspiele machen. Nachmittags dann zum Jugendtreff.

Wie sieht denn die Arbeit im offenen Jugendtreff aus?

Wir haben die Öffnungszeiten ein wenig ausgeweitet. Was wir da machen ist reine offene Arbeit. Die Kinder können kommen und gehen wann sie wollen, können die verschiedenen Sachen nutzen. Es gibt einen Thekenbereich, der im Teenie- und im Mädchentreff organisiert. Sie stehen dahinter und leiten den Verkauf. Man spielt teilweise mit und ist viel Gesprächspartner. Viel findet auf Beziehungsebene statt.

Welche Themen werden da an Sie herangetragen?

Erster Freund, Liebeskummer, schlechte Noten, Ärger, Jobsuche, Bewerbungsschreiben. Man schreibt die dann auch teilweise mit denen, schaut, dass sie sie abgeben. Es war auch schon der Fall, dass jemand nicht mehr zu Hause wohnen wollte. Vor allem Spielsucht war auch schon Thema. Wir sprechen selbst auch an, was gerade los ist. Wirklich jugendspezifische Themen.

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