Die wilden Siebziger – diese Bezeichnung des Jahrzehntes mag nicht nur in Bezug auf Feier und Exzess zutreffen, sondern auch auf Abrisspläne. So etwa auch in der Donaueschinger Karlstraße. Bei der sogenannten Karlstraßenbebauung Nord verschwanden dabei etliche historische Gebäude im Staub. Was heute als Sünde gesehen wird, war damals der Aufbruch in die Moderne.

Die Karlstraße präsentiert sich heute in einem gänzlich anderen Bild, wie noch in den 1970er-Jahren. Wo sich einst die Drogerie Wais ...
Die Karlstraße präsentiert sich heute in einem gänzlich anderen Bild, wie noch in den 1970er-Jahren. Wo sich einst die Drogerie Wais befand, verlauft heute der Optiker Olbrich seine Waren. Bild: Guy Simon | Bild: Simon, Guy

Alte Gebäude werden abgerissen

Unter den Jugendstilgebäuden etwa das Haus Schädel, das Gebäude von Friseur Bausch und die Drogerie Josef. Das Gebäude wurde 1792 erbaut. Dort arbeitete Hedwig Wais. Sie leidet unter dem Abriss, findet das furchtbar. Wais ist in der Stadt bekannt. von 1971 bis 1988 leitet sie schließlich im folgenden Neubau die Drogerie Wais.

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Die Familie von Wais kommt 1928 nach Donaueschingen. Apotheker Fridolin Wais hat das Anwesen Willibald erworben, in dem einst das „Donaueschinger Tagblatt“ redigiert und gedruckt wurde, erworben. Dort, so der Plan, will er eine Apotheke eröffnen. Das geht jedoch nicht. Das Reichsapothekengesetz verbietet es, in einer Gemeinde mehr als eine Apotheke zu haben. Und Donaueschingen hat bereits die Hofapotheke. Also eröffnet Wais eine Drogerie.

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Konflikte mit den Nazis

Das Geschäft läuft gut, dann gibt es Konflikte mit dem Regime der Nationalsozialisten: Hedwig Wais erinnert sich an die Reichspogromnacht und die Verhaftung von Stadtpfarrer Heinrich Feurstein. Auch die Besuche der Gestapo im Elternhaus und die vorrübergehende Verhaftung der Mutter Rosa, die sich für die Freilassung von Feuerstein aus dem KZ Dachau öffentlich eingesetzt hatte, prägten sich ebenso in ihr Gedächtnis ein wie die schweren Bombardierungen, die auch dem Elternhaus beträchtlichen Schaden zufügten. Wais hält alles in Tagebüchern fest.

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Hedwig Wais tritt schließlich in die Fußstapfen ihres Vaters. Nach Abschluss der mittleren Reife erlernt sie im elterlichen Betrieb den Beruf einer Drogistin. Als der Vater 1955 stirbt, übernimmt sie mit ihrer Mutter die Verantwortung in der Drogerie St. Josef. Machtlos ist sie jedoch, als in den Siebzigern die alten Gebäude dem Erdboden gleichgemacht werden. In der Stadt kennt jeder Hedwig Wais. Bis 1988 bedient sie in der einzigen Donaueschinger Drogerie. Die Kunden schätzen besonders die individuelle Beratung und das persönliche Gespräch. Heute befindet sich dort ein Optiker.