Hat er nun oder hat er nicht: Er hat nicht, befand Amtsrichterin Schnierle und stellte das Bußgeldverfahren gegen Franz Knoblauch vor dem Amtsgericht Donaueschingen ein. Dem selbstständigen Betreiber einer Videothek in Donaueschingen war zur Last gelegt worden, auf dem Arbeitsweg in Pfohren mit dem Handy telefoniert zu haben.
Gegen das Bußgeld in Höhe 100 Euro und einen Punkt in Flensburg hatte er Einspruch eingelegt. In der Verhandlung am Mittwoch waren es die Tonaufnahmen einer in Knoblauchs Skoda eingebauten Dashcam, die nahelegten, dass es zu keinem Telefonat gekommen war.
So spielte sich der Vorfall genau ab
Es war der 5. Januar 2018, als der 44-Jährige, der in Engen lebt, Viertel vor elf von der Bundesstraße 31 nach Pfohren abbog, ins Dorf einfuhr und auf Höhe der Abbiegung Richtung Neubaugebiet im Rückspiegel bemerkte, dass ihm eine Polizistin bedeutete anzuhalten. Dies geschah etwa 400 Meter später in einer Hofeinfahrt. Dem völlig verdutzten Knoblauch sprach die Beamtin einen Bußgeldbescheid aus.
Die beiden unterschiedlichen Wahrnehmungen der selben Situation schilderten Polizeihauptwachtmeisterin H. und Knobloch vor Gericht. Die Polizeibeamtin der Verkehrsüberwachung VS führte an diesem Morgen gemeinsam mit einem Kollegen Geschwindigkeitskontrollen mit der Laserpistole durch. Angesichts eines geringen Verkehrsaufkommens blieb H. Zeit, sich auf Handyverstöße zu konzentrieren. In etwa 20 Meter Entfernung sei Knoblauch vorbeigefahren: Mit der linken Hand "und etwas schwarzem" am Ohr. In den wenigen Sekunden habe sie sogar "hunderprozent sicher" Lippenbewegungen gesehen. "Ich war mir völlig sicher", meinte die vom Gericht aufgerufene Zeugin, warum sie Knoblauch hinterherfuhr. Als sie bei der allgemeinen Verkehrskontrolle das auf dem Beifahrersitz liegende Smartphone sah, schien ihr die Sachlage klar.
Knoblauch wiederum gab an, während der Ortsdurchfahrt Pfohren über die Mediaanlage seines Autos ein Hörbuch gehört zu haben. Eine mehrminütige Passage, gepaart mit den Aufnahmen der Kamera bei der Ortsdurchfahrt – und ohne Unterbrechung durch ein Telefonat – ließ sich zweifelsfrei der Dashcam-Speicherung entnehmen, die Amtsrichterin Schnierle im Gerichtssaal abspielte. Gemeinsam mit seinem Rechtsanwalt Boris Zirlewagen erklärte Knoblauch, wies die über Bluetooth mit dem Fahrzeug verbundene Hörspiel-App und das Telefon interagieren. "Bekomme ich einen Anruf, klingelt es. Ich drücke auf einen Schalter am Lenkrad und nehme das Telefonat an. Das Hörspiel stoppt dann."
Warum sollte er trotz einer Freisprechanlage mit dem Handy am Ohr telefonieren, wunderte sich Knoblauch. Er räumte aber ein, eventuell die Hand ans Ohr geführt zu haben: Ein Pickel sei es gewesen, der gejuckt habe.
Die Polizistin räumte ein, mit dem großen zeitlichen Abstand nicht mehr jedes Detail zu erinnern. Sie hatte sich aber vor ihrer Zeugenaussage die Situation nochmals vor Ort angesehen. Während der Verkehrskontrolle habe sie sich nicht für das auf dem Beifahrersitze liegende Smartphone interessiert. Das sei in so einer Situation so üblich, meinte sie. Das Handy habe in einer schwarzen Hülle gesteckt, meinte sie weiter. Nicht näher befasst hatte sie sich auch nicht mit den technischen Verknüpfungen im Fahrzeug.
Aus Erklärungen und Zeugenaussagen schloss die Amtsrichterin, dass die Anschuldigung der Beamtin, Knobloch habe sein Handy ans Ohr gehalten, widerlegt sei. Allerdings gebe es auch noch andere Möglichkeiten, während der Fahrt verkehrswidrig ein Handy zu nutzen. Laut Straßenverkehrsordnung darf das Gerät weder aufgenommen noch gehalten werden.
Mit der Einstellung des Verfahrens verbleiben die Verfahrenskosten bei der Staatskasse. Knoblauch muss also für seine inzwischen auf 140 Euro angehäuften Kosten nicht aufkommen. Pech dabei: Für seinen Rechtsschutz muss er 150 Euro zahlen. "Das ist leider nur ein Freispruch zweiter Klasse", kritisiert Zirlewagen den Richterspruch. Denn diese Art der Beendigung bedeutet im Strafverfahrensrecht, dass die Schuldfrage offen bleibt.
Handy am Steuer: Beweis und Rechtslage
- Eine Dashcam ist eine Videokamera, die während der Fahrt frontal aufzeichnet. Das Wort stammt aus dem Englischen und verbindet das Armaturenbrett dash board mit der Kamera camera. Als Befestigung kommt auch die Windschutzscheibe in Frage. Die Aufnahmen werden in einer ununterbrochenen Schleife gespeichert und überschrieben. Autofahrer dokumentieren mit der Dashcam Verkehrsabläufe, Verkehrsunfälle oder Polizeikontrollen. Als Beweismittel reicht dabei auch die Tonschleife eines gespeicherten Dokuments.
- Handynutzung während der Fahrt kann für einen Autofahrer teuer kommen. Sie kostet ohne Zusatzkomplikationen 100 Euro und einen Punkt. Teurer werden Verstöße mit Gefährdung (150 Euro / zwei Punkte) und mit Unfallverursachung (200 Euro/ zwei Punkte) Bis Ende 2017 kostete ein einfacher Handyverstoß 60 Euro.
- Die Strafverfolgung nimmt Bezug auf den Paragrafen 23 der Straßenverkehrsordnung. Die sonstigen Pflichten von Fahrzeugführenden weisen aus, dass ein „elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisiation dient“, weder aufgenommen noch gehalten werden darf. Auch bei Navigationsgeräten ist lediglich eine kurze Blickzuwendung erlaubt. Diese Einschränkungen entfallen, wenn das Fahrzeug steht und der Motor vollständig abgestellt ist. (wur)