Das Urteil fällt einhellig aus: Weder Einzelhändler und Gastronomen noch weitere Gewerbetreibende können der seit Jahresbeginn gültigen Kassenbonpflicht etwas abgewinnen. „Mist des Jahrhunderts“, kommentiert Apothekerin Cornelia Augstein die verpflichtende Handhabe, jedem Kunden nach dem Bezahlen den Beleg entgegen zu strecken. Käufer können ihn ablehnen.

Thermopapier muss in den Restmüll

Die Kassenzettel wandern in eine Schublade. „Das Thermopapier muss in die Restmülltonne, nicht in die Papiertonne“, erklärt Augstein. Wo die Rechnungen gegenüber den Krankenkassen dokumentiert werden, hätten die Kunden schon früher ihre Belege gewollt. Widersinnig werde es aber bei Kleinbeträgen. Die Apothekerin forscht kurz in der Computerkasse. 65 Cent, eine Rolle Traubenzucker. Das ist an diesem Tag der niedrigste Betrag. Samt Kassenbon, mit dem sich der süße Einkauf locker einwickeln ließe.

Was für ein Aufwand, findet Apothekerin Cornelia Augstein von der Rathaus-Apotheke. 65 Cent kostet ein Päckchen Traubenzucker. Der beim ...
Was für ein Aufwand, findet Apothekerin Cornelia Augstein von der Rathaus-Apotheke. 65 Cent kostet ein Päckchen Traubenzucker. Der beim Kaufvorgang erzeugte Bon ist größer. | Bild: Wursthorn, Jens

Die Dokumentationspflicht kontrolliert den Verkäufer. In der Rathausapotheke stößt das auf Unverständnis. Denn heute schon seien die Apotheken-Kassen Computer, die, auch im Sinne der Lagerhaltung, jede Bestandsänderung minutiös aufzeichnen.

Neuerung geht ins Geld

„Möchten Sie den Beleg dazu?“ Diese Frage kann sich Elisabeth Schneider jetzt sparen. Wer an der Ran-Tankstelle an der Neuen Wolterdinger Straße tankt oder im Shop einkauft, bekommt den Zettel unaufgefordert angeboten. Bei den Tankstellen sei das Belegesammeln ausgeprägter wie in anderen Bereichen. „Viele haben sie früher schon mitgenommen.

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Für die Steuern oder um langfristig den Fahrzeugverbrauch zu dokumentieren“, fügt die Mitarbeiterin an. Dennoch wächst der Papierberg in einer kleinen Wanne hinter dem Tresen. Halb gefüllt ist sie mit Kassenzetteln. Gegen Mittag dieses Tages wächst schon die zweite Wannenfüllung. Der Behördenstreich geht auch ins Geld. „Bisher haben wir dreimal pro Jahr neue Bonrollen bestellt. Künftig wird das nicht reichen“, sagt Schneider.

Kaufvorgänge können zurückverfolgt werden

„Der letzte Mist“, entfährt es Gerda Ruf. Sie hat gerade getankt. Mit der Dokumentationspflicht werde unnötig Papier angehäuft, das wieder entsorgt werden müsse. Warum überhaupt die Belege, fragt sich die Tankstellenmitarbeiterin Schneider.

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Wochenlang könne man Kaufvorgänge am Computer zurückverfolgen. Warum also nicht diese Daten regelmäßig ausspielen und irgendwo speichern? Gleichwohl wird das Gesetz streng eingehalten. „Sollte mal ein Bon nicht ausgedruckt werden, muss ich sofort den Chef benachrichtigten.“

Simone Harter (links) und Iris Spreter wechseln die Bonrolle in der Bäckerei Schmid. Das wird nach Einführung der Belegausgabepflicht ...
Simone Harter (links) und Iris Spreter wechseln die Bonrolle in der Bäckerei Schmid. Das wird nach Einführung der Belegausgabepflicht künftig öfter anstehen, sind sich die Verkäuferinnen sicher. | Bild: Wursthorn, Jens

„Das ist völlig unnötig“, sagt Walter Ketterer und bringt die damit verbundene Umweltverschmutzung mit ins Spiel. In der Bäckerei Schmid an der Wasserstraße verbringt er mit einem Kollegen die Mittagspause. Gerade hat ihm Verkäuferin Simone Harter den Kassenbeleg angeboten. Den Bon spuckt die Kasse seit diesem Tag automatisch aus, nicht nach Kundenwunsch und zusätzlichem Tastendruck.

Kasse schon umgerüstet

Ihr Chef habe die Kasse tags zuvor umgerüstet, ergänzt sie. Einige Kunden hätten über die Änderungen Bescheid gewusst, andere seien erstaunt gewesen.

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Oder verärgert wie Nicola Limberger. Auch sie bekommt zu den verpackten Mandelstangen einen Beleg, den sie als unnötiges Papier brandmarkt. Unverständlich sei die neue Verpflichtung. „Zumal wir doch immer über den Umgang mit Ressourcen reden.“

Neue Gebräuche im Einzelhandel. Nicola Limberger (links) bekommt in der Bäckerei Schmid von Simone Harter einen Kassenbon ausgehändigt.
Neue Gebräuche im Einzelhandel. Nicola Limberger (links) bekommt in der Bäckerei Schmid von Simone Harter einen Kassenbon ausgehändigt. | Bild: Wursthorn, Jens

Richtig wütend ist Samuel Kusoglu, der Betreiber der Imbissstube Oriental-Grill an der Mühlenstraße. Betreiber und Kunden würden für blöd verkauft. Ein Gesetz, zu dem der Steuerzahler nicht befragt worden sei. Auf Tastendruck spuckt die Kasse den Beleg aus. „Unsere Gäste lassen ihn meist gleich auf dem Tresen liegen“, so der Gastronom weiter. Ihn ärgert die Verdopplung der Kontrolle.

Mehr Kassenrollen wird künftig auch Samuel Kusoglu brauchen. Der Betreiber des Oriental-Grill-Imbiss kann dem doppelten Kontrollsystem ...
Mehr Kassenrollen wird künftig auch Samuel Kusoglu brauchen. Der Betreiber des Oriental-Grill-Imbiss kann dem doppelten Kontrollsystem nichts abgewinnen. | Bild: Wursthorn, Jens

Am Rand der Kasse steckt eine SD-Speicherkarte, die alle Bezahlvorgänge aufzeichnet. „Das ist Pflicht“, sagt Kusoglu. Unverständlich hält Thomas Ebinal die neue Verpflichtung. Gerade hat er sich einen Kebap geholt. „Es würde die Bonpflicht doch reichen, wenn es um Anschaffungen geht, die man eventuell zurückgeben möchte“, sagt er. Aber nicht das Mittagessen.

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Das ist bei der Kassenbonpflicht zu beachten

  • Das Gesetz: Die Bonpflicht seit 1. Januar 2020 gilt als Verschärfung der vom Bundesfinanzministerium bereits 2017 erstellten Kassensicherungsverordnung. In weiteren Unterpunkten geht es um steuerrechtliche Mitwirkungspflichten bei aufzeichnungspflichtigen Geschäftsvorfällen. Oder einfacher gesagt: um die Möglichkeiten, Steuerbetrügern das Handwerk zu legen.
  • Der Verkäufer: In Deutschland wird nur der Händler dazu verpflichtet, den Kassenbeleg unaufgefordert auszuhändigen. Die nächste Stufe folgt am 1. Oktober 2020. Spätestens dann müssen elektronische Kassensysteme über eine technische Sicherheitseinrichtung (TSE) verfügen. Sie erfasst alle Eingaben in das System unveränderlich und verschlüsselt. Der Handelsverband Deutschland taxiert die Umrüstung auf bis zu 500 Euro je Kasse. Wer vergisst, den Bon auszuhändigen, den erwartet derzeit laut Finanzministerium kein Bußgeld. Es wird aber damit gerechnet, dass Testkäufer unterwegs sein werden. Gibt es Beanstandungen, könnte dies genauere Prüfungen nach sich ziehen.
  • Der Käufer: Kein Kunde muss den Kassenbeleg annehmen oder gar mit sich führen. Führt er ihn dennoch mit, muss er ihn korrekt entsorgen. Kassenbons werden häufig auf Thermopapier gedruckt. Das ist mit einer wärmeempfindlichen Schicht versehen, die das Drucken ohne weitere Verbrauchsmaterialien ermöglicht. Thermopapier gilt wegen des enthaltenden Wirkstoffs Biphenol A als gesundheitsschädlich. Es sollte nicht in Kinderhände geraten und gehört in die Restmülltonne und nicht in den Altpapiercontainer.
  • Ausnahmen: Wo Waren in hoher Stückzahl zu kleinen Preisen verkauft werden, könnte eine Unzumutbarkeit vorliegen. Wie etwa bei einem Kiosk. Ein Befreiungsantrag kann gestellt werden. In App-Stores gibt es bereits Programme, mit denen die Händler die Kaufbelege digital auf das Smartphone des Käufers übertragen können. Dabei müssen der Laden und das Kundengerät die Technik verwenden. Weiter in Betrieb bleiben dürfen offene Ladenkassen wie Kisten oder Kassetten. Sie unterliegen gleichwohl strenger Kontrolle. Ein- und Ausnahmen des Stichprobentages müssen lückenlos und centgenau dokumentiert sein.