Feuerwehrmann Tim Jester steht auf der Leiter und zieht ein vorher losgelöstes Seil aus der Baumkrone, Markus Jauch hält die Leiter.
Das Seil diente als Befestigung für das markante Tor, durch das die Gespannfahrer mit ihren Vierspännern ins Wasserhindernis Brigach preschen. Doch das ist vorbei. Der Marathon der Gespannfahrer, an diesem Tag sogar Teil der EM-Wertung, ist Geschichte. Es ist Samstag, es geht gegen 14 Uhr, der Schlosspark ist fast leergefegt. Die einzigen Fußgänger sind Feuerwehrkameraden, die nach getaner Arbeit an den anderen Hindernissen auf den Sammelplatz an der Brigach zusteuern, wo auch die Fahrzeuge stehen.
Gleich legen ein halbes Dutzend Kameraden das provisorische Tor vorsichtig um. Die Konstruktion wird demontiert, die Einzelteile wandern wie weitere Stangen, Rohre, Böcke Schläuche und andere Hilfsmittel in den Rüstwagen, in dem Stefan Ruf Ordnung hält. Einer nach dem anderen liefern ihm seine Kameraden ihre Utensilien aus. Ordentlich aufgeräumt, jetzt das nächste. Vorher schon wurden das Schlauchboot aus dem Flüsschen gezogen und die Wasserwand – die brigachbreite künstliche Fontäne, die die rund 40 Meter langen Wettbewerbszone bei Ein- und Ausfahrt abgrenzt, auseinandergeschraubt. Die Feuerwehr räumt zusammen.

Fünf Stunden zuvor haben Jester und Jauch ähnliche Aufgaben, aber ungleich unterschiedliche Beschäftigung. Während Jester mit seinen Kameraden Jörg Petersen und Stefan Ruf kaum mehr als eine Handvoll Besucher bei der Einfahrt ins Wasserhindernis hinter den flugs hochgezogenen Seilen halten müssen, ist bei der Ausfahrt deutlich mehr los. Hier bieten sich die besten Fotomotive, wenn im Fünfminutentakt 16 Pferdehufe bei den ausgreifenden Schritten aufs Trockene mächtig Wasser aufwerfen und samt ihren drei Gespannfahrern binnen Sekunden Kurs auf die nächste Aufgabe nehmen.
Auch wenn die Gespanne heute nicht volles Tempo durch die Brigach gehen: Jauchs Aufforderung zurückzubleiben, das Absperren und eventuell mal ein scharfer Warnruf kommen nie zu früh. Sein warnender Blick geht vom Hindernis weg in Richtung der aus dem Hindernis führenden Strecke. Die Gespanne kommen sich mit dieser geänderten Streckenführung sehr nahe, findet er. „Ab und zu muss ich die Leute regelrecht zurückdrücken“, beschreibt er seine Arbeit. Er sorgt dafür, dass die begeisterten Zuschauer ihre Neugierde in Zaum halten. Das Smartphone-Zeitalter mit der damit verbundenen Jagd auf das beste Bild spiele dabei wohl durchaus eine Rolle.
Dass sich zu Beginn des Wettbewerbs offenbar auch Zuschauer und Sportler gefährlich nahe gekommen seien, ist die Aussage eines Security-Mitarbeiters. Flankiert von einem Polizeibeamten beginnt er, Flatterbänder anzubringen und Zuschauer hinter die orangen Schutzzäune zu drängen. Die meisten reagieren mit Verständnis, anderswo zeigen heruntergetretene Schutzzäune, wo sich die Besucher schon ihren eigenen Weg gesucht habe. Auch wer, ohne die Gefährdung durch die flotten Sport-Geräte zu ahnen, auf der Strecke steht, kann da mitunter nichts dafür. Die geänderte Streckenführung verwirrt.
Und sie sorgt für hitzige Dialoge. Etwa beim Indianerdorf genannten Hindernis 6. Nur seinem Einsatzleiter verpflichtet sieht sich ein Feuerwehr-Helfer, als ihm der Security-Mann zusätzliche Absperrungen auferlegen möchte. „Nur zu eurem Schutz“, meint der Mann mit der gelben Schutzweste, doch die Ansprache an die Feuerwehrler war schon zu ruppig. Hindernis-Betreuung ja, aber die Steuerung der Personenströme: Dafür seien die Kameraden auch zu wenige, heißt es zurück.
Ruhiger geht es an anderen Stellen zu. Etwa bei Hindernis 2: Hier arbeitet Clemens Merkle. Seine Aufgabe ist es, die erzielten Zeiten weiterzugeben, aber auch Unfälle zu melden oder Beschädigungen an Hindernissen. Dann flitzt der Bautrupp mit seinem Allradfahrzeug an. Auch sein Stand wird mit Flatterband von den Zuschauern getrennt. Sicherheit geht vor. Zeitmessung und Einhaltung der Absperrung: Das ist heute auch der Job von Markus Groß und Johannes Heinzelmann. Kaum zwei Meter neben ihrem Tisch laufen die Gespanne nach ihrer im Idealfall knapp 50 Sekunden dauernden Aufgaben im Hindernis zurück auf die Strecke. Es staubt und Johannes Heinzelmann läuft dem ausfahrenden Gespann nach. Ein Pferd hat ein Hufeisen verloren. Der Feuerwehrmann gibt es einem Begleiter mit.
Gegen Mittag, der Besucherstrom Richtung Reitstadion nimmt zu. Kurz hinter dem Kassenbereich absolviert Daniel Sasanov seinen Job ganz souverän. Der 17-Jährige gehört seit einem halben Jahr der Wehr an, im vergangenen Jahr saß er „bei der Zeitnahme in der Pampa“, heute stoppt er, sobald er in etwa 80 Meter Entfernung Gespanne nahen sieht, den Besucherstrom vom Eingang her, warnt mit lauter Stimme, befestigt die Absperrbänder und lässt die wilde Fahrt passieren. Auch er hat bald Feierabend und hilft, den Rüstwagen zu bestücken.
Und während nur noch die schweren Bestandteile des Holzstegs am Uferrands liegen – am Montag werden sie wieder im alten Stall gebunkert – hält Einsatzleiter Martin Kiefer vor seiner Mannschaft die Schlussansprache. Von großem Dank ist die Rede, aber auch von Herausforderungen durch die neue Streckenführung. Den Helfern händigt er Freikarten für den Sonntag aus, einen Teil des Teams schickt der zum flinken Abladen ins Gerätehaus. Gleich darauf geht es in gesamter Stärke gemeinsam auf‘s Reitturniegelände. Wo es Bier gibt, „das hier gebraut wird“, wie Kiefer ankündigt. Und wo der gesellige Abschluss mehr als verdient ist.
Kiefers Einschätzung
Martin Kiefer, Einsatzleiter der freiwilligen Hilfsdienste der Feuerwehr auf dem Reitturnier und Kommandant der Abteilung Stadt, hat nach eigenen Angaben erst diese Woche vom geänderten Streckenverlauf erfahren. Die Aufgabe Publikum, Autos und Fahrzeuge im Schlosspark sicher aneinander vorbei zu führen, sei durchaus problematisch. Aber auch der Baumbestand im Park könne Unfallgefahr bergen, wenn etwa Äste auf Zuschauer oder Sportler fallen könnten. „Zum Glück ist nichts passiert“, so der positive Bereich des Fazits. Die Sicherheitssituation beim Marathon werde nachgearbeitet. Seine Helfer fordert Kiefer auf, über die Lage an jedem betreuten Hindernis einen kurzen E-Mail-Bericht zu verfassen. Gleichwohl sei die Feuerwehr, in diesem Jahr mit 50 Helferinnen und Helfern aus Kernstadt und Ortsteilen im Einsatz, nur das ausführende Organ.