Fachkräftemangel, Corona-Pandemie und zuletzt auch noch die Debatte um eine Impfpflicht: Selten standen Pflegekräfte so im Mittelpunkt wie in den vergangenen Jahren. Doch trotz hitzigen Debatten und oft hohen Arbeitsbelastungen sind in den vergangenen Jahren viele Menschen in den Sozialberuf gegangen.

Laut Zahlen des Statistischen Bundesamts machten Ende des vergangenen Jahres rund 53.000 Menschen eine Pflegeausbildung. Dazu gehörten nicht nur junge Menschen: 17 Prozent der Auszubildenden waren 30 Jahre oder älter. Rund drei Viertel der Auszubildenden waren Frauen. Doch seit Jahren steigt die Zahl der männlichen Auszubildenden.

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Aber warum beginnen Menschen in Zeiten der Pandemie eine Ausbildung zur Pflegekraft? Und was erhoffen sie sich von diesem Beruf? Wir haben mit vier angehenden Pflegern der Pflegefachschule in Donaueschingen über ihre Leidenschaft für die Pflege über Corona-Ausbrüche in Altenheimen und eine mögliche Impfpflicht für Pflegekräfte gesprochen.

Vom Einzelhandel in die Pflege

Tamara Phillips wollte schon als Kind Krankenschwester werden. „Damals habe ich davon geträumt, Menschen zu versorgen“, erzählt die 40-Jährige. Bevor ihr Traum von der Pflege aber wahr werden sollte, arbeitete sie für mehrere Jahre im Einzelhandel, war sogar Filialleiterin eines Geschäfts. Irgendwann wurde ihr klar, dass sie sich in diesem Beruf nicht verwirklichen konnte – und sich auch nicht wohlfühlte.

„Beruf wird manchmal schlecht geredet, dabei reicht das Gehalt für mich zum Leben“, sagt Auszubildende Tamara Phillips.
„Beruf wird manchmal schlecht geredet, dabei reicht das Gehalt für mich zum Leben“, sagt Auszubildende Tamara Phillips. | Bild: Cian Hartung

„Die Undankbarkeit vieler Menschen hat mir nicht gefallen“, sagt sie. Hinzu sei ab März 2020 auch die unsichere Lage durch die Pandemie gekommen: Lockdown, Ladenschließungen und Unsicherheit. „Ich kenne Menschen, die haben ihren Job in dieser Zeit verloren“, sagt die Schwarzwälderin. Zu diesen wollte sie aber nicht gehören – und entschied sich für eine Rückkehr auf die Schulbank.

„Beruf wird manchmal schlecht geredet“

Ab Oktober 2020 machte sie daher eine Ausbildung zur Altenpflegehelferin an der Pflegefachschule in Donaueschingen. Anschließend begann sie in der selben Institution im Oktober diesen Jahres eine dreijährige Ausbildung zur Pflegerin. Dort ist sie mit etwa 40 Schülern in einem Jahrgang und fühlt sich unter Gleichgesinnten gut aufgehoben.

Als allein erziehende Mutter sei die Vereinbarkeit zwischen Ausbildung und Familie manchmal schwierig, erzählt sie. Außerdem müsse sie sich manchmal dafür rechtfertigen, in den Beruf wechseln zu wollen. „Der Beruf wird manchmal schlecht geredet, dabei reicht das Gehalt für mich zum Leben.“ Wenn sie über ihre Entscheidung spricht, zeigt sich Phillips glücklich und blickt optimistisch in die Zukunft. „Mir gefällt es in der Altenpflege“, sagt sie. „Hier kann ich mir vorstellen, nach der Ausbildung lange zu bleiben.“

Mit 41 Jahren wieder Lehrling

Tobias Dittrich ist ein Beispiel dafür, dass viele angehende Pflegekräfte aus anderen Bereichen in die Branche stoßen. Der 41-Jährige ist gelernter Bäcker und arbeitete 13 Jahre lang in der Nahrungsmittelindustrie in der Schweiz. Seine Mutter und seine Schwester arbeiten in dem Beruf, erzählt er, und konnten ihn von dem Job überzeugen. Über die Berufsberatung und Ausbildungsförderung der Arbeitsagentur folgte er ihnen auf diesem Berufsweg.

„Ich mache das mit einem größeren Ernst, als ich es mit Anfang 20 gemacht hätte“, sagt Tobias Dittrich über seine Ausbildung.
„Ich mache das mit einem größeren Ernst, als ich es mit Anfang 20 gemacht hätte“, sagt Tobias Dittrich über seine Ausbildung. | Bild: Cian Hartung

Trotz seines fortgeschrittenen Alters fühle sich Dittrich aber nicht in die Rolle des Lehrlings zurückversetzt. „Ich mache das mit einem größeren Ernst, als ich es mit Anfang 20 gemacht hätte“, sagt der gebürtige Sachse. Bei seiner Arbeit in der Altenpflege oder im ambulanten Pflegedienst gefalle ihm besonders, eine Beziehung zu seinen Patienten aufzubauen. Die Arbeit im Krankenhaus gefalle ihm bislang nicht. „Da hatte ich weniger Bezug zu den Patienten, es war so, als ob ich ständig eine Liste abarbeite.“

„Ich denke, dass jeder der Menschen pflegt, so verantwortungsbewusst sein sollte, sich impfen zu lassen.“
Tobias Dittrich

Trotz seiner Leidenschaft für den Beruf sei er sich dessen bewusst, dass der Beruf viele Herausforderungen wie lange Arbeitszeiten oder hohe körperliche Belastungen berge, sagt er. Bei seinen Praxiserfahrungen bei Pflegediensten oder im Krankenhaus habe er gemerkt, dass viele langjährige Pfleger nicht mehr vollends für ihren Beruf motiviert oder gar abgekämpft seien. Und jetzt soll auch noch eine Impfpflicht für Pflegekräfte folgen.

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„Ich bin gegen eine Impfpflicht, denn jeder sollte es für sich selbst entscheiden dürfen“, sagt Dittrich dazu. „Ich denke aber, dass jeder der Menschen pflegt, so verantwortungsbewusst sein sollte, sich impfen zu lassen.“ Er befürchtet, dass sich der Pflegemangel durch eine Impfpflicht noch verstärken könne. „Ich kenne einige Pfleger, die das dann den Beruf wechseln würden.“

Auzubildende: Nicht die besten Zeiten, um in Beruf zu starten

Cristina Turcan hat mit Tobias Dittrich zusammen im Oktober 2020 die Ausbildung zur Pflegefachfrau begonnen. Turcan ist seit drei Jahren in Deutschland und hat zuvor in Moldawien gelebt. Sie schätzt am Pflegeberuf, dass sie jeden Tag etwas Neues erleben könne. Mit Blick auf die Corona-Pandemie betont die 31-Jährige aber auch, „dass es nicht die besten Zeiten sind, um in diesen Beruf zu starten“.

„Es wird sicherlich komisch, irgendwann ohne Maske zu arbeiten“, Cristina Turcan über die Zeit nach der Pandemie.
„Es wird sicherlich komisch, irgendwann ohne Maske zu arbeiten“, Cristina Turcan über die Zeit nach der Pandemie. | Bild: Cian Hartung

Bereits in ihrem ersten Ausbildungsjahr hat sie ihre ersten Berührungspunkte mit dem Coronavirus gemacht. In dem Heim, wo sie während ihrer Praxisphase im zweiten Lockdown mitarbeitete, seien 20 Bewohner am Coronavirus gestorben. „Eine Kollegin hatte das Virus ins Heim getragen“, erzählt Turcan. Später habe auch sie sich an ihrem Arbeitsplatz infiziert.

Isolierte Senioren und die Arbeit nach der Pandemie

„Es hat mich traurig gemacht, solche Szenen mitzuerleben.“ Mit „solche Szenen“ meint sie nicht nur Todesfälle, sondern auch Heimbewohner, die wochenlang isoliert lebten und dabei vereinsamten. „Zur aktuellen Zeit würde ich selber ungern in so einer Einrichtung leben“, gibt die 31-Jährige zu.

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Sie befürchtet, dass Pflegern und Heimbewohnern wieder ein ähnlicher Winter bevorsteht. Insgeheim hofft sie aber, dass die Pandemie noch vor Ende ihrer dreijährigen Ausbildung zu Ende geht. „Es wird sicherlich komisch, irgendwann ohne Maske zu arbeiten.“

„Der Job ist mehr als nur Popo abwischen“

Ayosso Ornella ist eine der jüngsten Auszubildenden an der Donaueschinger Pflegefachschule. Die 21-Jährige stammt aus Togo und hatte dort bereits Physiologie und Anatomie studiert, bevor sie für die Pflegeausbildung nach Deutschland kam. „Ich hatte vor diesem Schritt Selbstzweifel und Bedenken, dass ich die Ausbildung nicht schaffe“, gibt sie zu. Doch nach drei Monaten in ihrer Ausbildung fühle sie sich gut mit ihrer Berufsentscheidung und gut aufgehoben an der Pflegeschule in der Quellstadt.

„Man muss für sich selbst Sorge tragen“, sagt Auszubildende Ayosso Ornella.
„Man muss für sich selbst Sorge tragen“, sagt Auszubildende Ayosso Ornella. | Bild: Cian Hartung

„Der Beruf passt zu mir, weil ich ein sozialer und hilfsbereiter Mensch bin“, sagt sie, „der Job ist aber mehr als nur Popo abwischen.“ Als die Höhen ihres Berufs nennt sie die Dankbarkeit von Heimbewohnern, die sie dort manchmal erlebt. Als Tiefen beschreibt sie Momente, in denen man Senioren in den letzten Tagen vor ihrem Tod begleitet. Für solche Fälle gelte es mit Kollegen über diese Erfahrungen zu reden. „Man muss für sich selbst Sorge tragen“, sagt Ornella.

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