Das geht jetzt schon Jahrzehnte: So lange versucht Donaueschingen, dass sich Amseln Kiefer zu der Stadt bekennt. Der womöglich bedeutendste Künstler der Gegenwart wurde am 8. März 1945 geboren. Im Luftschutzkeller des damaligen Donaueschinger Krankenhauses.
Bemühungen darum, dass die Liebe nicht so einseitig ist, gab es schon viele: Beispielsweise von Bernhard Everke in seinen Zeiten als Oberbürgermeister oder von Siegried Kauder, der damals als Bundestagsabgeordneter um die Kiefersche Aufmerksamkeit für dessen Geburtsstadt buhlte.
Dabei ist es nicht so, dass Amsel Kiefer den Weg nach Donaueschingen überhaupt nicht findet. So war er beispielsweise mit einem Journalisten der New York Times im Schloss zu Gast.
Und es ist nicht so, dass der heute 77-Jährige sich nicht an seine ersten sechs Lebensjahre in Donaueschingen erinnert. So gibt es Erzählungen von ihm, wie er mit seiner Großmutter zum Bahnhof ging. Dort waren sie oft. Die Großmutter wusste nicht, wann genau Kiefers Onkel aus russischer Gefangenschaft zurückkehren würde. Oder wie er ihm Hof seines Elternhauses aus Ziegeln eigene Häuser gebaut hat.
Oder wie er mit seinem Großvater durch den Schlosspark ging und sich wünschte, dass er auch einen Fahrer und ein Kindermädchen haben könnte. Da sein Vermögen mittlerweile auf 100 Millionen Euro geschätzt wird, dürfte er sich das mittlerweile locker leisten können.
Doch dabei bleibt‘s. Was nicht heißt, dass die Donaueschinger ihre Bemühungen aufgeben. „Ich habe den OB genervt, er möge doch mal wieder ein Schreiben an Anselm Kiefer verschicken“, sagt CDU-Stadtrat Martin Lienhard.
Der Oberbürgermeister selbst allerdings spricht weniger von nerven, sondern von einer Bitte. Und so schrieb er an Kiefer. Und die Überraschung war groß: Es gab eine Antwort, was bei Weitem keine Selbstverständlichkeit, sondern eine große Neuigkeit ist.
Doch es wurde vertröstet. Anselm Kiefer gestalte aktuell die Biennale in Venedig. Man möge sich Gedulden. Was ist schon etwas Warten, wenn man schon seit Jahrzehnten hofft? Der nächste Brief, wieder eine Antwort und sogar eine Einladung zur Eröffnung seiner Foundation in Südfrankreich.
Drei Donaueschinger packen ihre Koffer
Nur hatte Anselm Kiefer diesen Termin nicht auf den Neudinger Festkalender abgestimmt. Während der OB zur großen 1150-Jahre-Jubiläumsfeier fuhr, reisten Martin Lienhard, seine Frau (die Französisch kann) und Karin Stocker-Werb (CDU) als Geburtsort-Delegation nach Südfrankreich.
Dort staunten sie nicht schlecht. Ein Gelände, drei mal so groß wie das Konversionsareal, nennt Kiefer dort sein eigen. 350.000 Quadratmeter – überall Kunst. Als Kiefer das Gelände bezogen hat, soll er nicht weniger als 70 Lastwagen für den Transport benötigt haben.
Mit im Gepäck waren auch Geschenke aus der Heimat: ein Buch über die Musiktage, eine Packung Donaueschinger Kaffee und natürlich Fürstenberg-Bier – denn so manche Liebe hat ja auch mit Alkohol begonnen. Vom sofortigen Öffnen mussten die drei Anselm Kiefer ab abhalten – schließlich waren die vier Flaschen nach einer sechsstündigen Autofahrt durch die Hitze alles andere wohl temperiert.

„Es war für die anderen Gäste eine Selbstverständlichkeit, dass auch Leute aus seiner Geburtsstadt dabei waren“, blickt Lienhard zurück. Und sie haben auch einen Wunsch hinterlassen: Anselm Kiefer möge sich am Ende seines Schaffens mit seinem Geburtsort auseinandersetzen.
„Jetzt ist er 77 Jahre. Aber da er gesagt hat, dass er 100 Jahre alt wird, haben wir noch Zeit“, erklärt Lienhard. Was ist schon etwas Warten, wenn man schon seit Jahrzehnten hofft?
Ja, es sei ein Abenteuer gewesen, ein gewagtes Unterfangen. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Lienhards Einordnung: man sei freundlich empfangen worden, keineswegs ablehnend.

Vielleicht gibt es ja sogar irgendwann ein Kunstwerk in der Stadt? Eines das öffentlich zugänglich ist und nicht in den Fürstenbergischen Sammlungen steht. „Amseln Kiefer ist nicht nur ein Künstler, der umstritten ist. Er ist auch ein Kaufmann und ein Geschäftsmann“, sagt SPD-Stadträtin Martin Wiemer. Für so ein Kunstwerk müssten wohl viele Gespräche geführt werden. Und schon ist in der zart aufkeimenden Beziehung das Geld ein Thema.
Drei Millionen für eine Skulptur?
Ums Geld soll es allerdings nicht gehen. Schließlich flirtet man ja noch. „Wenn er auf uns zukommt, und sagt, die Skulptur gibt‘s zum Marktpreis von drei Millionen Euro, dann bin ich mit dem Thema durch“, sagt Lienhard.
Tja, das liebe Geld hat schon so manche Beziehung zerstört. Aber noch ist da das Hoffen. „Wir werden versuchen, den Kontakt aufrecht zu erhalten.“ Anstatt um den Marktpreis soll es um Nostalgie und emotionale Gründe gehen.
Den nächsten Kontakt will Donaueschingen im Herbst wagen. Aber: Was ist schon etwas Warten, wenn man schon seit Jahrzehnten hofft?