Die Heimkehr nach einem anstrengenden Tag bedeutet am Abend: Erholung bestimmt den Freizeitplan. Die Füße hochlegen und sich ausruhen. Etwas anders sieht das jedoch bei Sascha und Tamara Fleig aus.
Zu ihrer Entspannung trägt etwas bei, das gleichzeitig eine uralte Handwerkskunst ist: das Handspinnen. Mit Spinnrad oder Handspindel wird dabei aus einem Stück Vlies nach und nach richtige Wolle, aus der schließlich andere Produkte hergestellt werden können.
Einen Ausgleich finden
Beruflich hat der 34-jährige Sascha Fleig mit seinem Hobby jedoch keine Berührungspunkte. Er arbeitet hauptberuflich im Sägewerk in Rötenbach. Woher kommt also die Leidenschaft für das Handspinnen?
„Ich hab mal einen Ausgleich zur täglichen Arbeit gesucht. Ich habe dann angefangen zu häkeln, landete schließlich beim Stricken“, erklärt Fleig. Schließlich habe er einen Fernseh-Beitrag über Schafe und die Verarbeitung der Wolle gesehen: „Ich fand es traurig, dass deutsche Schafwolle in Vergessenheit gerät.“

„Wie eine Therapie“
Dagegen will er etwas unternehmen – und verbindet das mit seinem Hobby. Autodidaktisch beschäftigt er sich mit dem Handspinnen. Schmökert in Fachbüchern, schaut sich Youtube-Videos zum Thema an: „Wenn man so ein Hobby hat, dann fällt einem das Lernen viel leichter“, sagt er. Die Beschäftigung mit der Wolle sei „wie eine Therapie. Ich kann dabei abschalten.“
Vor einem Jahr
Damit begonnen hat er vor etwa einem Jahr, im Frühjahr 2020. Mittlerweile ist das Ganze wesentlich komplexer geworden. Im Wohnzimmer der Familie Fleig stehen Kisten mit verschiedenen Sorten Schafwolle, verschiedene Rassen, unterschiedliche Farben.
Vor dem Sofa stehen zwei Spinnräder und auf einem Brett eine sogenannte Kardiermaschine. Auf ihr wird das bereits gewaschene Vlies durchgezogen, die Fasern gekämmt und in die gleiche Richtung gebracht. Erst wenn das gemacht ist, geht es an das Spinnen.

Wissen weitergeben
Was kompliziert anmutet, „ist es nicht“, erklärt Fleig. Angefangen hat er mit einer Handspindel, die er sich selbst aus einem Stab und zwei leeren Einmachglasdeckeln gebastelt hat: „Das kann jeder und es kostet nicht viel.“

So zu beginnen, das empfiehlt er jedem, der das Spinnen erlernen möchte: „Man bekommt dabei ein Gefühl für die Arbeit.“ Das Wissen weitergeben möchte Fleig: Ab Ende Januar beginnt er seinen Kurs bei der Volkshochschule Baar. Interessenten können sich aber auch direkt bei ihm melden.
Aus der Region
Die Wolle bekommen Fleigs dabei von Schäfern aus der Region: „Wanderschäfer wie früher, die gibt es nicht mehr.“ Dennoch gibt es noch einige Schäfer in der Gegend, auch Hobbyschäfer, die nur ein bis zwei Schafe haben. Von ihnen kauft die Familie Wolle an.

Von der Wolle oder dem Produkt, das daraus entsteht, fließt dann auch Geld an die Schäfer zurück. Pro verkauftem Knäuel beispielsweise jeweils ein Euro. Zuerst habe er bei der Schäferei Schwab in Aasen angefragt.
Mütze aus Hundehaar
Was dabei an Material auf dem Spinnrad landet, das stammt allerdings nicht nur vom Schaf. So schafft Sascha Fleig auch Angora-Wolle vom Kaninchen, verarbeitet Alpaka – und sogar Hundehaare. Mützen, Schals und Handschuhe vom Hund? „Das ist möglich“, sagt Fleig. Natürlich sollte der Hund dann auch entsprechend längere Haare haben.
Wie funktioniert das Spinnen?
Fleig greift sich ein wenig Vlies und verdreht es zwischen den Fingerspitzen. Bei der Handspindel dreht er sie anschließend, damit sich die Fasern ineinander drehen.

Das Spinnrad ersetzt die Handspindel. Es wird mit einem Fußpedal betrieben, das ein Rad in Bewegung setzt. Es übernimmt den Vorgang des Aufdrehens – Fingerspitzengefühl ist trotzdem notwendig.

Davon leben
Das Hobby ist mittlerweile zu einem kleinen Gewerbe namens „Saschas Handspinnerei“ geworden. Ziel und Traum von Fleig: „Das weiter ausbauen. Mein Traum wäre es, meinen Unterhalt voll mit der Spinnerei zu verdienen.“ Erstmal sei man jedoch auf der Suche nach einer Lagerfläche für das Arbeitsmaterial. Wenn er und seine Frau an der Arbeit dranbleibe, dann entstehen pro Woche etwa ein bis zwei Kilo Wolle.
Positive Resonanz
Das Interesse an dem Naturmaterial sei vorhanden und es steige wieder: „2020 waren wir auf dem Hüfinger Naturparkmarkt und haben eine positive Resonanz erhalten. Es geht wieder mehr in die Regionalität – und die Leute sind auch bereit, die Preise zu bezahlen“, sagt Fleig.
Und was kostet die Produkte?
Die Preise orientieren sich schlicht an der Arbeit, die in dem Produkt steckt: Über das Scheren, waschen, kardieren, spinnen, verzwirnen bis schlussendlich zur Verarbeitung als Kleidungsstück. Eine Wollmütze, die kostet dann auch etwa 25 Euro.

Natürlich bleiben
„Wir behandeln die Produkte auch nicht chemisch. Es ist natürlich und soll auch so bleiben.“ Gewaschen wird mit Waschmittel aus Kastanien – und alte Socken können ganz einfach als Dünger benutzt werden. Als Naturprodukt vergehen sie.