Er ist das weithin sichtbare Symbol für die Herrschaft der Narren, die die Hoheiten im Rathaus abgesetzt haben: der Narrenbaum. Weit über 100 Narren- und Maibäume haben die Mitglieder der Zimmerzunft Sumpfohren in den 47 Jahren ihres Bestehens schon in die Senkrechte gebracht. In Aufen und Pfohren haben die starken Männer um Zunftmeister Georg Mellert unter lautstarken „Ho-auf-Rufen“ in dieser Fasnachtssaison bereits Narrenbäume gestellt, den nächsten Auftritt haben sie am Schmotzigen Dunnschtig in ihrer Heimatgemeinde.

„Ho auf“ oder wenn jeder Handgriff sitzen muss: Die Mitglieder der Zimmerzunft Sumpfohren haben schon weit über 100 Narren- ...
„Ho auf“ oder wenn jeder Handgriff sitzen muss: Die Mitglieder der Zimmerzunft Sumpfohren haben schon weit über 100 Narren- und Maibäume in die Senkrechte gebracht. | Bild: privat

Und wo liegen die Wurzeln des Narrenbaums? Nach dem Völkerkundler Professor Mezger ist er möglicherweise auf das „Blockziehen“ zurückzuführen – ein Brauch, der bereits für das 15. Jahrhundert urkundlich belegt ist. Dabei handelt es sich um einen Spottumzug, bei dem die unverheirateten Mädchen und die alten Jungfern einen Baumstamm durch die Straßen ziehen mussten, aus dem sich vielleicht ein Mann für sie schnitzen ließe. Es gibt einige weitere Theorien. Für Georg Mellert verbindet der Narrenbaum zwei Traditionen: den christlichen Glauben und altes Handwerk. Der Baum stehe für den Mast eines Schiffes, das wiederum Symbol der christlichen Gemeinschaft sei. Der größte Teil des Stamms erinnere an frühere Generationen und der am oberen Ende extra angeschiftete Dolden an die jetzt lebenden Menschen.

Die Zimmermänner sind stolz auf ihre Handwerkskunst

Der Dolden ist also keine Notlösung, weil die Narrenbaumspitze abgebrochen ist, wie der Nichteingeweihte womöglich meinen könnte. Von anschiften sprechen Zimmermänner immer dann, wenn Hölzer schräg aufeinander zulaufen – womit der Bogen zu altem Handwerk gespannt ist. Das Aufstellen von Holzgerüsten war früher nämlich die Arbeit von Zimmermännern, kein Haus und erst recht keine größeren Gebäude wie Kirchen hätten ohne die Mithilfe dieser Handwerkszunft gebaut werden können.

Gleich ist das Tagwerk vollbracht und der Narrenbaum streckt sich gen Himmel
Gleich ist das Tagwerk vollbracht und der Narrenbaum streckt sich gen Himmel | Bild: privat

Ist der Sumpfohrener Zimmerzunft schon einmal durch einen Sturm oder Sabotage ein Baum umgefallen? „Nein“, sagt Helmut Mellert, der vor seinem Sohn Georg Zunftmeister war und dieses Amt wiederum von seinem Vater übernommen hatte. Einmal, so erinnert es sich, sei ihnen ein Baum auseinandergesägt worden, aber da sei er noch an seinem Lagerplatz gelegen und es konnte rechtzeitig Ersatz gefunden werden. Dann musst halt erneut per Hand entrindet werden. Ein anderer Scherzkeks stopfte vor einigen Jahren Mist ins Narrenbaum-Loch.

Experten im Narrenbaumstellen: die Zimmerzunft Sumpfohren errichtet mit vereinten Kräften den Narrenbaum in der Dorfmitte.
Experten im Narrenbaumstellen: die Zimmerzunft Sumpfohren errichtet mit vereinten Kräften den Narrenbaum in der Dorfmitte. | Bild: SK-Archiv

Das ist auch der Grund, weshalb die Zimmerleut‘ wenige Tage vor einem Aufstell-Termin die Örtlichkeit unter die Lupe nehmen, selbst wenn sie dort schon häufiger ihr Können gezeigt haben. Denn: Bei allem fasnächtlichen Spaß wird die Sicherheit nicht aus dem Auge gelassen. Die Zimmermänner selbst müssen kein Sicherheitskonzept erarbeiten und den Behörden vorlegen, dafür sind die Vereine zuständig, in deren Auftrag sie einen Baum gen Himmel ausrichten.

Beim Stellen des Narrenbaums gilt absolutes Alkoholverbot

Ganz wichtig: Bevor die Zimmermänner in ihrer traditionellen schwarzen Kluft (nur das rote Halstuch ist ein Attribut an die Fasnacht) zur Tat schreiten, gilt Alkoholverbot. Da sei Mitgliedern auch schon der Schwalben aus der Hand genommen worden, sagt Georg Mellert. Der Schwalben besteht aus zwei Rundhölzern, die mit Seilen verbunden sind und mit deren Hilfe durch Scherenbewegungen der Narrenbaum Stück für Stück gestellt wird.

Zunftmeister Helmut Mellert mit dem Geehrten Dominik Hirt.
Zunftmeister Helmut Mellert mit dem Geehrten Dominik Hirt. | Bild: Andrea Wieland

Außerdem gibt es noch sogenannte Sticher. Das sind Rundhölzer, die an einem Ende ein gebogenes Eisen haben. Die sind notwendig, um die bis zu zehn Meter langen Schwalben in Position bringen zu können. Während der Baum in die Höhe wächst, umrundet Georg Mellert immer wieder das Spektakel, um so sehen zu können, ob der Sicherheitsabstand zu den Zuschauern noch gewahrt ist. Der richtet sich an der Größe des Baums aus, der bis zu 40 Meter messen kann. Mellert hat die Zeremonie auch schon unterbrochen, wenn Neugierige zu nahe kamen. Zur Sicherheit hat der Zunftmeister auch immer Streusalz dabei – auf dass seine Männer bei schneeglattem Untergrund genügend Halt finden.

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Eine Unterbrechung ist dagegen Absicht: Kurz bevor der Baum seine endgültige Position erreicht hat, treten die Zimmermänner in den Streik. Zum Weitermachen lassen sie sich nur überreden, wenn sie ein Vesper gereicht bekommen. Damit der Baum ganz sicher steht, werden schließlich noch Holzkeile zwischen Baum und Lochrand gehämmert. Dann ist das Tagwerk vollbracht und bis zum alten Fasnachtssamstag können sich die Zimmermänner in Sumpfohrens fasnachtlichen Trubel stürzen. Dann fällen sie das hölzerne Symbol der Fasnacht und die Sumpfohrener Boschenstecher versteigern den Narrenbaum. Ein Gewinner wird noch heute an sein Tombola-Glück erinnert – er hat sich aus dem Narrenbaum einen Schrank schreinern lassen.

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