Jennifer Schau-Schniedermeier ist regelmäßig in der Baarstraße 18 in Pfohren. Sie schaut dann nach dem Rechten, unterhält sich mit den Bewohnern, wirft einen Blick auf die Einrichtung. Bei dem Gebäude handelt es sich um die Obdachlosen-Unterkunft der Stadt Donaueschingen.
Schau-Schniedermeier arbeitet für das Ordnungsamt. Und nach den in der Baarstraße untergebrachten Personen zu sehen, das gehört eigentlich nicht zu ihren Aufgaben: „Rein vom zeitlichen Aufwand bin ich weit drüber.“ Rein rechnerisch hätte sie dafür gerade einmal 20 Minuten Zeit. Aber es sind Menschen, die dort leben, „und ich mache es gerne.“
Dabei wäre es lediglich ihre Aufgabe, sich darum zu kümmern, dass Obdachlose, die sich bei der Stadt melden, eine Unterkunft bekommen. Dann führt sie ein Gespräch mit den jeweiligen Personen: „So lerne ich sie alle kennen. Ich erfahre, mit welcher Einstellung sie hier sind. Und dann kann ich schauen, wo im Haus sie hinpassen würden“, sagt Jennifer Schau-Schniedermeier. „Sozialverträglich“, sagt sie. Nehme man sich diese Zeit nicht, könne es zu Eskalationen kommen.
Im hinteren Bereich des Gebäudes, im Erdgeschoss, lebt Janet in einem Zimmer. Sie kommt eigentlich aus Thüringen, hat eine Weile in der Nähe von Freiburg gelebt und ist seit September 2023 in der Baarstraße untergebracht. Sie lebte mit ihrem Partner zusammen in einer Wohnung. Als er starb, konnte sie die nicht mehr allein halten.
Viele haben ein falsches Denken
Sie kennt Leute in Donaueschingen und kommt schließlich dorthin: „Viele Leute haben ein falsches Denken von den Not-Unterkünften. Sie denken da an Alkohol, Drogen, Dreck. Das will ich alles nicht. Ich habe Ziele“, erklärt Janet. Über das Jobcenter Schwarzwald-Baar habe sie einen Minijob bekommen und helfe in der Küche des Donaueschinger Mehrgenerationen-Hauses.
Janet hat Enkelkinder, will eine eigene Wohnung – und raus aus der Baarstraße. In einer Obdachlosen-Unterkunft zu leben, darauf sei man nicht unbedingt stolz, sagt sie.

In der Baarstraße leben aktuell 20 Personen: „Momentan nutzen wir noch ein Zimmer als Lager. Wenn man das räumen würde, hätten wir noch mal vier Plätze“, erklärt Schau-Schniedermeier. Wenn es geht, dann werden die Zimmer einzeln belegt. Gibt es keinen Platz mehr, dann müssen sich auch zwei Personen einen Raum teilen. „Ich denke, wir könnten bis zu 27 Personen unterbringen. Aber dann wird es eng und kritisch.“ Pro Person bleiben dann etwa acht Quadratmeter.
Wer kümmert sich um die Bewohner?
Und wer kümmert sich dann um die Personen, wenn sie untergebracht sind? Wenn Jennifer Schau-Schniedermeier es nicht tut – kaum einer. Teilweise helfe man sich selbst, sagt Janet: „Wir haben einen Mann, der einen Hirnschlag hatte. Er ist bettlägerig. Ich habe ihm geholfen, ein paar Sachen zu beantragen“, sagt Janet. „Es bleibt uns nichts anderes übrig, man muss zusammenhalten.“
„Manche denken, wir würden hier nichts tun. Der Bereich der Unterbringung dürfte an meiner Arbeit allerdings nur 15 Prozent einnehmen.“Jennifer Schau-Schniedermeier, Ordnungsamt
Daher wäre etwa auch ein Sozialarbeiter in der Einrichtung äußerst hilfreich. Auch ehrenamtliche Hilfe, „wäre Gold wert“, sagt Schau-Schniedermeier. Es gehe dabei um Alltagshilfen: „Einen Termin beim Jobcenter ausmachen, einen Termin bei der Versicherung oder mal einkaufen“, erklärt sie. Oder mal fragen, ob vielleicht jemand einen Arzt braucht oder Medikamente.
So wohnte in der Unterkunft etwa auch schon ein Diabetiker, der allerdings nichts von seiner Krankheit erwähnte. „Es gibt Leute, die sehe ich lange nicht. Ich frage dann die anderen, ob sie die jeweilige Person mal wieder gesehen haben“, sagt Schau-Schniedermeier. Ins Zimmer darf sie nur, wenn Gefahr im Verzug ist. Wenn sie rein möchte, muss sie das eine Woche vorher anmelden.
Der Diabetiker war schließlich acht Monate ohne Medikamente und musste ins Krankenhaus. Schau-Schniedermeier nimmt Kontakt auf zu Versicherungen und gesetzlichen Betreuern. Meist führt es nicht weiter. „Bevor die aktiv werden, war ich schon zweimal in der Baarstraße.“ Bei so einem Job könne man nicht sagen: „Ich mache nur, wofür ich zuständig bin.“ Dennoch seien die Möglichkeiten begrenzt.
Unter den Bewohnern seien welche, die irgendwann mal den Halt verloren haben, den Boden unter den Füßen. Das gehe oft sehr schnell. Und vor allem: Es könne jedem passieren. „Es sind Menschen, die eine Chance wollen, um ihre Situation zu verändern. Viele reagieren ihnen gegenüber voreingenommen, aber man darf nicht alle über einen Kamm scheren. Sie sind verpflichtet, ihre Obdachlosigkeit selbst zu beenden“, erklärt Ina Markgraf, Leiterin des Donaueschinger Ordnungsamtes.
Bereits bei zwei Terminen aufgebraucht
2018 wurde das Gebäude in der Baarstraße saniert. Dinge, die die Menschen dort brauchen, fehlen oft. Das könne von der Stadt jedoch nicht geleistet werden. „Manche denken, wir würden hier nichts tun. Der Bereich der Unterbringung dürfte an meiner Arbeit allerdings nur 15 Prozent einnehmen“, sagt Jennifer Schau-Schniedermeier. Das sei schon bei zwei Terminen aufgebraucht. Wenn sich am Wochenende jemand melde, dann müsse sich die Person bei der Polizei melden, dort gebe es auch einen Schlüssel für die Baarstraße.
Die Meinung über die Baarstraße gehe oft in eine Richtung, „man ist nicht offen für den Blick hinein“, so Schau-Schniedermeier. Dabei engagieren sich Obdachlose aus der Baarstraße selbst in der Stadt: „Sie sind beim Stadtputz mit dabei oder helfen bei der Sammelaktion für Zigarettenstummel.“
„Ich muss was machen“
Die Baarstraße auch wieder verlassen möchte der 42-jährige Dimitri. Er lebt bereits seit 25 Jahren in Donaueschingen. „Ich will eine Arbeit finden – und eine Wohnung. Aber das ist teuer“, sagt er. „Ich muss was machen.“ Er erhofft sich nach Silvester eine Chance bei einer Leiharbeitsfirma.
Dimitri ist mittlerweile etwa ein halbes Jahr in der Unterkunft. Eine Woche habe er auch draußen im Freien gelebt: „Aber ich will mich waschen, warmes Essen. Ich dachte dann, ich probiere es mal hier.“
Mit den Menschen reden
Mit den Menschen dort reden, ihnen zuhören, das nimmt viel der Arbeitszeit von Jennifer Schau-Schniedermeier ein. Aber das sei wichtig. Und sie weiß, wie schnell es passiert, dass jemand obdachlos wird: „Das geht schnell – und für viele bricht dann eine Welt zusammen. Treffen kann es jeden.“
Der Bewohner mit Diabetes verstarb kurz vor Weihnachten im Krankenhaus. An ihn muss Jennifer Schau-Schniedermeier auch heute noch oft denken. Sein Schicksal hat sie bewegt: „Was bleibt, ist ein anonymes Urnengrab und zwei Einkaufstüten mit seinem Hab und Gut.“ Das macht nachdenklich.