Im Nachgang an die Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ist es bundesweit zu zahlreichen Solidaritätsbekundungen und Hilfeleistungen gekommen – sei es durch finanzielle Unterstützung oder Sachspenden. Und auch der Schwarzwald-Baar-Kreis ist im Rahmen dessen in vielerlei Hinsicht tätig geworden. Über die Hilfe der Feuerwehren aus unserer Region hat der SÜDKURIER jetzt mit Kreisbrandmeister Florian Vetter gesprochen.

Zahlreiche Tote und Vermisste

Die Flut kam am 14. Juli, das Ahrtal hat sie besonders schlimm getroffen. Mindestens 134 Menschen mussten ihr Leben lassen, mehr als 70 Personen gelten nach wie vor als vermisst – eine absolute Tragödie. Umso wichtiger sind die vielfältigen Hilfen von überall her.

Der erste Hilfseinsatz der Kreisfeuerwehren ist bereits beendet. Florian Vetter berichtet, man müsse bei der Organisation versuchen, die Einsatzkräfte nicht zu überfordern, da die Arbeit sehr anstrengend sei. Er selbst kümmert sich im Hintergrund um die Durchführung, ist nicht in den betroffenen Gebieten vor Ort. „Es wird den Menschen mit technischen Geräten, Stromerzeugern, Pumpen und Werkzeug, aber auch mit Eimern und Schaufeln geholfen. Es muss sogar eher wieder Wasser in die Gebäude reingepumpt werden, um den Dreck und Schlamm herauszuholen“, erzählt Vetter.

Obwohl es nicht zu den Kernkompetenzen beziehungsweise Aufgaben der Feuerwehr gehört, versuchen sich die Kollegen dem Kreisbrandmeister zufolge im Straßenbau – um Straßen zu schaffen, auf denen Hilfsgüter oder Personentransporte vonstatten gehen können. „Die Aufgaben sind sehr vielfältig, das sind enorme Unterschiede zu normalen Feuerwehreinsätzen“, so Vetter. Deshalb seien Improvisation sowie das gleichzeitige Bewältigen verschiedener Aufgaben angesagt.

Hilfe aus Hüfingen: ein Gerätewagen Logistik mit einem Gruppenführer, zwei Truppführern, zwei Truppmännern und einem Maschinisten.
Hilfe aus Hüfingen: ein Gerätewagen Logistik mit einem Gruppenführer, zwei Truppführern, zwei Truppmännern und einem Maschinisten. | Bild: Stadtverwaltung Hüfingen

Ein zweiter Hilfszug gen Ahrweiler sollte eigentlich am Dienstag, 27. Juli, losfahren. Aufgrund von Organisations- und Absprachegründen sei dieser jedoch zurückgehalten worden. In diesem Zusammenhang spielt nach Angaben von Florian Vetter das generelle Prozedere eine Rolle, nachdem Schadensgebiete ihren Bedarf anmelden und daraufhin die Bundesländer eruieren, was sie in welchem Umfang leisten können. Vetter spricht von einem Abspracheprozess, an welchem Politik und Behörden maßgeblich beteiligt seien.

Zerstörte Waschmaschinen stehen vor einem Wohnhaus. Im durch das Hochwasser stark verwüsteten Ahrtal gehen die Aufräumarbeiten ...
Zerstörte Waschmaschinen stehen vor einem Wohnhaus. Im durch das Hochwasser stark verwüsteten Ahrtal gehen die Aufräumarbeiten unvermindert weiter. | Bild: Thomas Frey/dpa

Aber wer darf letztlich überhaupt mitreisen in das Katastrophengebiet? Und wer entscheidet darüber? „Die Fahrzeuge sind im Vorfeld definiert. Dann ist der jeweilige Kommandant gefragt. Dabei ist es eine Kunst, welcher Kollege vom Arbeitgeber eine gewisse Zeit freigestellt werden kann“, führt der Kreisbrandmeister aus. Berücksichtigt würden einerseits die persönlichen Fähigkeiten, andererseits die Alltagskompetenzen sowie Führungsqualitäten. Klar sei beispielsweise, dass Baggerfahrer, Maurer, Zimmerer oder ähnliche Berufsgruppen ideal für die benötigten Hilfen geeignet seien, da sie über nützliche Praxiserfahrungen verfügten. „Aber das können auch andere sein, die nicht in solchen Berufen tätig sind“, versichert Vetter.

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Erst der Schock, dann gemeinsam die Ärmel hochkrempeln

Die Anreise und die ersten Gedanken hierbei beschreibt der Kreisbrandmeister mit dem Wort „dramatisch“. An seinen Kollegen gehe solch ein einschneidender Einsatz nicht spurlos vorbei, wenn man von der Zerstörung und den persönlichen Geschichten jedes Einzelnen erfahren. „Sie erfahren große Dankbarkeit von den betroffenen Menschen, dass man ihnen hilft. Denn für sie hat sich die Welt verändert: Es gibt keine Straßen, keinerlei Infrastruktur mehr. Ihre Wohnungen wurden einfach weggespült.“ Zuerst müssten die Feuerwehrleute kräftig schlucken, so Vetter. Doch dann machten sie sich sofort ans Helfen – „voller Tatendrang und mit toller Kameradschaft“.

Völlig zerstört ist diese Brücke über die Ahr in Ahrweiler nach der Flutkatastrophe.
Völlig zerstört ist diese Brücke über die Ahr in Ahrweiler nach der Flutkatastrophe. | Bild: Boris Roessler/dpa

Ob die beteiligten Kameraden mit solch einer Extremsituation gerechnet haben? Oder waren sie doch eher überrascht über das Ausmaß der Zerstörung? „Wir haben versucht, sie entsprechend auf das vorzubereiten, was auf sie zukommt. Dass irgendwo Leichen liegen können oder es Vermisste gibt; das kann immer noch vorkommen“, sagt Florian Vetter. Doch das alles treffe einen dann noch einmal anders, wenn man wirklich vor Ort sei. Eine wichtige Rolle spiele deswegen auch die Zeit nach dem Einsatz: „Wir bieten über unsere Dienste Hilfestellungen an. Wenn jemand zurückkommt und über das Erlebte reden möchte, über dramatische Ereignisse, die direkt ins Leben einschneiden, dann ist das möglich.“

Einsatz schweißt zusammen

Trotz all dem Schrecken sei die Kameradschaft toll. Innerhalb des Teams helfe man sich gegenseitig, verarbeite Dinge gemeinsam: „Das schweißt definitiv zusammen. In Ahrweiler ist ein bunt gemischter Haufen mit Feuerwehren vereint, die ansonsten nicht miteinander arbeiten“, macht Vetter deutlich. Es gebe keine Reibereien, die Stimmung sei durchweg positiv. Das wiederum führe dazu, dass sogar gemeinsame Grillabende oder ähnliches geplant werden sollen.

Dieser Friedhof gleicht einem Kriegsschauplatz.
Dieser Friedhof gleicht einem Kriegsschauplatz. | Bild: dpa