Was trinkt ein Schmied wohl nach einem langen Arbeitstag am Amboss? „Etwas Rauchiges“, sagt Julian Hischmann. Eine Werkstatt mit rußgeschwärzten Wänden, sie weckt die Assoziation zu dunklen, torfigen Aromen, zu schwerer Arbeit und dem Geruch von Eisen und Feuer.
Und was würde sich ein Alchimist bestellen? Welcher Cocktail würde einen spanischen Zitronenbauern glücklich machen, welcher einen Stauer, der im Hamburger Hafen Schiffsladungen löscht?

Fragen wie diese bilden die Basis für das Projekt, das Julian Hischmann am 7. September startet. Unter dem Namen Vivid eröffnet Hischmann, ehemals Barmanager im Öschberghof und Finalist der Barkeeper-Weltmeisterschaft 2021, an diesem Donnerstag ab 16.30 Uhr seine Pop-up-Mixology-Bar.
Keine Komponenten von der Stange
Eine Pop-up-bitte-was? Mixology: Diese Barkultur hat mit dem, was man sich im heimischen Wohnzimmer mal schnell zusammenrührt, so viel zu tun wie Tütensuppe mit gehobener Küche. Das Besondere: Die Komponenten der zwölf Cocktails, die Julian Hischmann in den vier Kategorien Schmied, Alchimist, Granjero (spanisch: Bauer) und Stauer mischt, sind allesamt nicht im Super- oder Großmarkt zu bekommen.
Whiskys, bei denen eine Flasche mal eben 1600 Euro kostet, sind darunter, limited Editions, die nur einmal im Jahr abgefüllt werden, Sirupe, die der 32-Jährige aus Zutaten vom Donaueschinger Wochenmarkt selbst eingekocht hat. Orangenbrand, den eine kleine Brennerei am Kaiserstuhl für ihn produziert.
Dass Cocktails mixen mehr ist, als Eiswürfel in einen Shaker zu werfen, Hochprozentiges und Saft dazu zu schütten und das Ganze zu schütteln, wird schnell klar, wenn Julian Hischmann über seine Passion spricht.
Eis, das Gold des Barkeepers
Das geht schon mit dem richtigen Eis (“Das ist das Gold des Barkeepers“) los und endet damit, wie Luft in den Cocktail gelangt. Beispielsweise, indem das Getränk „geworfen“ wird. Was zum einen spektakulär aussieht, hat zum anderen den Grund, dass sich manche Zutaten nur so optimal miteinander verbinden.

Und was macht einen guten Cocktail aus? „Die Harmonie“, sagt Hischmann. „Wenn weder Süße noch Säure überwiegen.“ Mit der Mixology-Bar erfüllt sich der Donaueschinger einen Traum. „So wie Sterneküche eine andere Art des Kochens ist, will ich eine andere Art der Cocktails anbieten.“
Was Algen mit Cocktails zu tun haben
Adjektive wie „besser“ oder „schlechter“ will er dabei gar nicht in den Mund nehmen. Als „anders“, umschreibt er seine Karte. Da wird es auch mal essbare Algen als geschmacklich passende Beigabe zum Cocktail geben.
Schon jetzt steht fest: Jeder der Cocktails hat eine Geschichte. Allesamt sind die Eigenkreationen oder aber Hommagen an die bisherigen Stationen des Barkeepers. Wer will, erfährt von Julian Hischmann und seinen Barkeeper-Kollegen alles rund um den jeweiligen Drink, seine Komponenten und deren Herkunft. Wer möchte, werde auch erst einmal beraten: Welche Vorlieben hat der Gast? Was trinkt er sonst? Gibt es eine Geschmacksrichtung, die er oder sie überhaupt nicht mag?
„Theoretisch kann man auch Nuss-Nougat-Creme destillieren.“Julian Hischmann, Barkeeper
„Ich möchte den Horizont meiner Gäste erweitern. Zeigen, was alles möglich ist“, sagt Julian Hischmann. Theoretisch könne man mit dem richtigen technischen Equipment auch Nuss-Nougat-Creme destillieren.
Pflanzenstoffe für das Geschmackserlebnis
Als eine der Vorreiterinnen der Mixology-Kultur gilt die Berliner Bar Velvet, weiß er. „Die gehen jede Woche mehrmals in den Wald und sammeln ihre Botanicals.“ Botanicals: Gemeint sind Pflanzenstoffe, die den Cocktails unverwechselbare Aromen verleihen sollen, verarbeitet zu Sirupen oder Likören Die Velvet-Betreiber destillieren dazu auch mal Pilze, weiß Hischmann.
Er selbst sammelt die Zutaten für seine Kreationen zum Teil ebenfalls im Wald. Andere wiederum besorgt er auf dem Donaueschinger Wochenmarkt. Im Hinblick auf Pestizide und gedüngte Felder sind ihm wild gepflückte Kräuter nicht geheuer.
Außer Julian Hischmann selbst werden hin und wieder auch befreundete Mixology-Barkeeper aus ganz Deutschland hinter dem Tresen stehen. In der Szene ist er gut vernetzt, nicht zuletzt dank der Teilnahme an verschiedenen Wettbewerben.
„Mal schauen, ob das in der Region angenommen wird.“ Wenn nicht, könne er die Pop-up-Bar ebenso schnell wieder aufgeben. Das Projekt ist mit wenig Risiko behaftet, da er die Vanillis-Räume nur einmal die Woche von Vanessa Lehmann pachtet. „Wenn es nicht ankommt, trinke ich meine teuren Whiskys eben alleine“, sagt er und lacht.